Wieso macht der EM-Bart Männer zu Patrioten?

Männersache Eine Werbekampagne von Philips fordert Männer dazu auf, sich während der EM aus Nationalgefühl einen Bart wachsen zu lassen
Wieso macht der EM-Bart Männer zu Patrioten?

Illustration: Otto

Achtung, Männer! Rasieren ist dieser Tage besonders wichtig, denn es droht ein Sommer der Bartträger. Zur Fußball-Europameisterschaft sollen Männer aus Nationalgefühl auf das Rasieren verzichten. Damit laufen alle Bärtigen Gefahr, für verrückte Patrioten gehalten zu werden. Frauen sind fein raus.

Derzeit läuft im Fernsehen ein entsprechender Werbespot, der auf Youtube bereits mehr als 200.000 Aufrufe hat. Junge Männer in alltäglichen Situationen tauschen darin scheinbar vielsagende Blicke aus und nicken sich zu. Dann tritt Jürgen Klopp auf: „Deutschlands Männer setzen ein Zeichen“, sagt der Bartträger. „Mach mit und lass deinen Bart wachsen, solange wir bei der EM dabei sind.“ Es gibt viele Unternehmen, die sich an dem Sport-Event eine goldene Nase verdienen wollen. Brauereien, Hersteller von Fußball-Stickern, alle profitieren vom kollektiven Nationalgefühl. Nun ist sogar ein Elektronikkonzern auf den Patriotismus-Zug aufgesprungen: Hinter der Werbekampagne steckt Philips. Auf der Internetseite www.dein-bart-fuer-deutschland.de sollen fußballbegeisterte Männer ein „Bart-Tagebuch“ führen und können so Karten für das EM-Finale gewinnen. Philips profitiert im Gegenzug von den persönlichen Daten – um die Rasiergeräte an den Mann zu bringen.

Frauen kommen in der Kampagne praktisch nicht vor, in dem Spot sind sie nur Beiwerk. Fußball wird – auch von der Werbeindustrie – immer noch als Männerdomäne gesehen, was sich etwa darin zeigt, dass zwar inzwischen die Fußball-Europameisterschaft der Frauen bekannt ist, bei den Männern aber alle schlicht von „der EM“ sprechen. Die zielgruppenspezifische Werbung dürfte die getrennten Geschlechterrollen weiter stärken: Mit jeder Autowerbung, die in der Halbzeit läuft, wird den Männern signalisiert: Ihr seid hier richtig. Möglicherweise fällt es vielen gar nicht auf – doch spätestens die Frauen, die ein Spiel mitgucken, werden merken, dass nur uninteressante Produkte beworben werden. Zum Beispiel Männer-Rasierapparate.

Nun lässt sich streiten, ob Sexismus oder Patriotismus schlimmer ist. Oder man sucht nach den positiven Elementen in dem Bart-Spot. Immerhin zieht er unfreiwillig eine interessante Parallele: Die Unterscheidung in Bartträger und Rasierte und die ihnen zugeschriebenen Eigenschaften sind so willkürlich wie die in Männer und Frauen.

Fritz Walders hat noch nie Bart getragen und jetzt endlich einen Grund dafür

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