Signal ratlos

Medientagebuch Die Medienlandschaft verändert sich - was kann Medienkontrolle noch leisten?

"Wo Medien und Kapital zusammentreffen, entsteht Macht", sagt Norbert Schneider, Vorsitzender der Landesmedienanstalt in NRW. Die Machtverhältnisse werden auf den Medienmärkten derzeit neu geordnet und die Medienaufsicht gerät in ganz neue Probleme. Drei zentrale Faktoren greifen derzeit den Status quo an: die digitale Revolution, eine veränderte Ökonomie samt Machtkonzentration und die Konvergenz von Fernsehen und Telekommunikation.

Deshalb verschieben sich derzeit die Koordinaten im Mediengeschäft fast täglich. Die etablierten Fernsehsender verlieren absehbar ihre dominierende Rolle. Neue Unternehmen treten kraftvoll in den Markt. Kabelnetzbetreiber kaufen Sportrechte und verwandeln sich in Fernsehveranstalter. Telekom und Telefonica kaufen Einspeisungsrechte bei den Sendern direkt ein. Die Satellitenbetreiber wiederum wollen Gebühren eintreiben für die Übertragung der Fernsehsignale. Und Internet-TV verspricht den Konsumenten zeit-unabhängigen Fernsehkonsum. Die BBC hat schon eingeführt, dass man ihre Programme innerhalb von sieben Tagen kostenlos auf den PC herunterladen kann.

Für Internet-Fernsehen nach dem Internet-Protokoll-IP, das nicht auf den PC, sondern auf den Fernseher zielt, schließen die größten Player vorausschauend Verträge, wie etwa die Telecom mit Microsoft. Triple Play heißt die Vision der Zukunft: Telefon, Internet und Fernsehen aus einer Hand. Auch die großen Suchmaschinen wie Google und Yahoo stehen auf dem Sprung und wollen als gatekeeper die Zuschauer durch die unübersichtliche Welt der Programme und Plattformen geleiten.

Politik und Medienregulierer stehen diesen Veränderungen ziemlich ratlos gegenüber. Ihre rechtlichen Instrumente stammen aus den achtziger Jahren. Damals ging es darum, auf das Privatfernsehen zu reagieren. Die Distribution war der Flaschenhals. Deshalb sollten die Medienanstalten dafür sorgen, dass die Kabelkanäle ausgewogen belegt, die Veranstalter ordentlich lizensiert und gleicher Zugang für alle gewährleistet wurde.

Bald jedoch werden die Engpässe überwunden sein. Dann kann Fernsehen über viele Transportwege herangeschafft werden. Es wird deshalb immer mehr auf attraktive Inhalte ankommen. Die interessantesten Player auf dem Medienmarkt werden jene sein, die über beides verfügen, Transportwege plus Inhalte. Die Politik der Kabelnetz- und Satellitenbetreiber ist derzeit fast unkontrolliert. Und die strittige Frage, wer die Entschlüsselung der digitalen Signale kontrolliert, wird im Wortsinn zu einer Schlüsselfrage für das Mediensystem.

Einen Vorschein davon zeigt der Run auf die Fußballrechte. Die Telekom hat die Rechte fürs Internet gekauft. Arena, eine Tochter des Kabelnetzunternehmens Unity Media, für Pay-TV. Die Telekom möchte sich mit dem Bezahlsender Premiere zusammen tun, der wiederum für die Telekom die Spielberichte produzieren soll. Ein Verfahren, das die Deutsche Fußball-Liga (DLF) allerdings zu untersagen versucht. Arena wiederum hat Reichweitenprobleme und sucht deshalb eine Zusammenarbeit mit dem Konkurrenten Kabel Deutschland.

Wechselnde Koalitionen bilden sich, die Lage wird unübersichtlich. Nicht nur die klassischen Fernsehsender sind, nach einer Formulierung des ZDF-Intendanten Markus Schächter an "griffigen Ordnungsstrukturen" und einem ausbalancierten Mediensystem interessiert. Dass die Telekom mit dem geplanten Ausbau des superschnellen VDSL (Very High Speed Digital Subscriber Line) ganz allein über die dort verbreiteten Programme entscheiden will, gefällt natürlich den anderen Programmveranstaltern nicht. Also rufen sie an dieser Stelle doch wieder nach Regulierung. CDU und SPD haben sich im Koalitionsvertrag darauf festgelegt, der Ausbau des neuen Netzes solle nicht von der Bundesnetzagentur reguliert werden. Der politische Streit darüber ist aber wohl noch nicht ausgestanden.

Auch aus ökonomischer Sicht wird die Regulierung der Medien problematisch. Die geplante Fusion von Springer mit der ProSiebenSat1-Gruppe wurde zwar von Kartellamt und Medienkontrolleuren gleichermaßen blockiert. Aber an der Idee eines massenwirksamen Bild-TV konnte man sich schon mal vorstellen, welche Marktmacht sich da bilden kann. Und das ist eine Macht, die nicht nur den ökonomischen Vorteil sucht, sondern, weil es sich eben nicht um Schuhe, sondern um meinungsbildende Medien handelt, eben auch Meinungsmacht.

Die Auseinandersetzung um Springer und die SAT.1-Gruppe hat auch gezeigt: das große Medien-Monopoly, das sich international zusammenschiebt, wird mit dem Handwerkszeug der Medienaufsicht nicht mehr erfasst. Die Politik wird sich zum Beispiel die Frage stellen müssen, ob sie nach amerikanischem Modell ausländische Beteiligungen an Medienunternehmen begrenzen will. Mit der Beteiligung von Finanzinvestoren wie David Montgomery und der Private-Equity-Firma Veronis Suhler Stevenson war erstmals ein internationaler Finanzinvestor auf der Suche nach einer 20-Prozent-Rendite in einem deutschen Zeitungshaus erschienen. Es wird nicht der letzte sein.

Es ist also absehbar, dass die institutionalisierte Medienaufsicht, reformiert werden muss. Die Stimmen, sie am liebsten ganz abschaffen wollen, werden lauter. Aber die Ausgestaltung des Mediensystems darf nicht dem Markt überlassen werden. Die zentralen Fragen sind immer noch und wichtiger als zuvor zu lösen: Wie kann Meinungsvielfalt gesichert werden? Wie kann der allgemeine Zugang zu Programmen und Dienstleistungen sichergestellt werden? Um dies zu sichern, muss die Aufgabe der Medienaufsicht mehr denn je darin bestehen, Medienmacht zu begrenzen.

Wie zu viel Machtkonzentration die Meinungsvielfalt gefährden kann, hat vor kurzem der Medienwissenschaftler Siegfried Weischenberg dargelegt. Er zitierte den Journalisten Paul Sethe, der vor mehr als vierzig Jahren pointiert formulierte hatte: "Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten." In Deutschland dominieren, so Weischenberg, fünf Konzerne den Printmarkt, gibt es in gut 60 Prozent der Städte und Kreise nur noch eine Zeitung, und herrscht ein Duopol beim Privatfernsehen. Wohin das alles bei den elektronischen Medien führen kann, hat in Italien Silvio Berlusconi deutlich vor Augen geführt.


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