ZDF-Edutainment

MEDIENTAGEBUCH In zwei Jahren soll er losgehen, der Rummel auf dem Mainzer Lerchenberg. Das ZDF inszeniert sich selbst in einem Unterhaltungspark. Auf der ...

In zwei Jahren soll er losgehen, der Rummel auf dem Mainzer Lerchenberg. Das ZDF inszeniert sich selbst in einem Unterhaltungspark. Auf der "ZDF-Plaza" sollen die Zuschauer durchstarten zur "Großen Fahrt durch die Programmgeschichte". Ein Science-Center wird eingerichtet mit naturwissenschaftlichen Experimenten wie in der "Knoff-hoff-Show" oder in "Abenteuer Forschung". Sport-Wettbewerbe inklusive der unvermeidlichen "Sportstudio"-Torwand gehören ebenso dazu wie ein interaktives "Derrick-Show-Theater", was immer das sein soll. Für die Kleinen wird im Studio der Kindernachrichten "logo" ein "filmisches Klassenzimmer" installiert, während Väter und andere Traumtänzer draussen auf der nachgebauten "Traumschiff"-Brücke Freizeitkapitän spielen können.

"Medienpark" nennt das ZDF dieses Unternehmen, das auf dem Gelände des Senders geplant ist. Ein Novum in der Fernsehlandschaft. Etwas Vergleichbares gibt es bisher nicht: eine Art Freizeitpark, der aber nicht an Studios orientiert ist wie das WDR-Gelände "Hollymünd", sondern als eigenständige Fernseh-Erlebniswelt. 55 Hektar Gelände auf dem Lerchenberg liegen brach, 28 davon sollen mit Erlebnisflächen verbaut werden, 200 Millionen stehen als Investitionssumme in den Plänen, und 1,4 Millionen Besucher jährlich werden erwartet, und sechs Stunden lange sollen sie sich schon auf dem Gelände aufhalten. Tagesausflug mit Familie sozusagen. Die Attraktionen und Events sollen eng ans ZDF-Programm angelehnt werden: Fortsetzung des Fernsehens mit anderen, dreidimensionalen, Mitteln. Unterhaltung im Zentrum, am Rande auch ein wenig Medienkunde: Edutainement.

Begründet wird das Unternehmen medienpolitisch. Das ZDF, so Intendant Stolte, habe für seine Eigenwerbung weder Radioprogramme zur Verfügung wie die ARD noch enge Verlagsbindungen wie die kommerziellen Sender. Der Sender müsse aber in Zeiten wachsender Konkurrenz alles tun, um sich als "Dachmarke" im Bewusstsein einzuprägen. Ausserdem sei das ZDF-Publikum überaltert. Der Vergnügungspark soll dem Sender auch jene jungen Zuschauer zuführen, für die Fernsehen bei RTL2 anfängt und bei SuperRTL wieder aufhört.

Rummelplatz, Vergnügungspark, Freizeitpark oder programmbezogener Themenpark - die Begriff changieren, und natürlich waren auch sofort die Gegner auf dem Plan. Die Betreiber von Holiday-Park, Phantasialand und Senne-Großwild-Safariland klagten. Sie argumentieren, Vergnügungsparks gehörten nicht zu den Aufgaben öffentlich-rechtlicher Sender. Sie wollen vor allem verhindern, dass auf dem Lerchenberg auch Looping-Bahnen, Kinderkarussels und Simulatoren aufgebaut werden. Von dem Problem werden sie wahrscheinlich auch befreit bleiben. Beschwerden gegen die ZDF-Pläne sind ferner anhängig beim Kartellamt und bei der EU in Brüssel.

Auch in der Nachbarschaft des Senders regte sich Widerstand. Die umliegenden Gemeinden fürchten Verkehrschaos und Lärm. Sogar eine Lärmsimulation hat es schon gegeben, die den Anwohnern eine Vorstellung von der künftigen Belastung vermitteln sollte. Sie muss ausgegangen sein wie das Hornberger Schiessen. Während die einen fragten, wo der Probekrach bliebe, als er längst vorbei war, fühlten andere sich davon sehr belästigt, und dritte wiederum verunsichert, weil das ZDF-Gelände auch in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens liegt. Jetzt werden externe Gutachter beauftragt. Die baurechtlichen Verfahren dürften die schwierigste Hürde sein, die der "Medienpark" zu nehmen hat. Verhandlungen mit der Stadt Mainz laufen noch. Der Zeitplan, so ZDF-Sprecher Walter Kehr, sei "jetzt schon überschritten". Vielleicht kann das ZDF sich danach ja rühmen, den leisesten Vergnügungspark der Welt zu haben.

Alles andere hört sich für das ZDF positiv an. Aus Brüssel kam das Signal, man sehe keinen relevanten wettbewerbsrechtlichen Tatbestand. Das Kartellamt aus Berlin hat Ende Dezember mitgeteilt, es werde kein kartellrechtliches Verfahren einleiten, weil kein Missbrauch einer besonderen Marktstellung vorliege. Die niedersächsische Staatskanzlei, derzeit für den Mainzer Sender zuständig, hat erkennen lassen, es sei medienrechtlich nichts einzuwenden. Nur die Medienpolitik der Länder eiert noch: den Rundfunkreferenten fiel nur die widersprüchliche Empfehlung ein, der "Medienpark" solle erstens eng programmbezogen arbeiten, zweitens aber den Sender-Namen nicht verwenden. Im übrigen komme es auf die gesellschaftsrechtliche Konstruktion an.

Auch damit hat das ZDF vorgebaut. Zur Hälfte beteiligt an der Planungsgesellschaft, ist neben der ZDF-Tochter ZDF-Enterprise nun auch die Hamburger Flebbe-Gruppe, die in Deutschland 44 Kinocenter, darunter 23 Multiplexkinos betreibt. Flebbe tut sich verstärkt auf dem Edutainement-Markt um und baut auch für die Expo 2000 das "Regenwaldhaus" (mit GEO und Volkswagen). Da wächst also auch im Kleinen zusammen, was miteinander verdienen will. Nicht schwer zu erraten, dass die Gruppe wahrscheinlich zu den Betreibern des Parks gehören wird. Investoren stehen nach Angaben des ZDF schon Schlange. Der "Medienpark" soll als privates kommerzielles Unternehmen geführt werden. Gebührengelder fliessen nicht in das Projekt, das brachliegende Grundstück wird verpachtet. Das ZDF will über seine Unternehmenstochter einen kleinen Anteil halten, um die Verbindung zum Programm zu sichern.

Das freilich wird letztlich den Ausschlag geben, ob das Projekt gelingen kann. Gegen das Argument des Intendanten, er betreibe damit Zukunftssicherung des Senders, wird der Medienpolitik kaum etwas einfallen, und medienrechtlich ist offenbar alles gelaufen. Wenn die Macher es nur halbwegs schlau anstellen mit ihrem Konzept, wenn sie Unterhaltung mit Wissen mischen, mit dem Blick hinter die Fernseh-Kulissen locken und selbst die Einrichtungen des Parks, Amphitheater oder Ausstellungshallen, als Spielort fürs Programm nutzen und das in einer so dicht besiedelten Region wie dem Rhein-Main-Gebiet - dann kann eigentlich kaum etwas schiefgehen.

Eine ganz andere Frage ist, ob ein solcher "Medienpark" auch dem Programm des ZDF selbst weiterhilft. Da hängen die Hoffnungen wohl ein bisschen hoch. Jüngeres Publikum werden sich die Mainzer ohnehin nur am Bildschirm erobern können, nicht mit Kirmes-Attraktionen. Ist der "Medienpark" einmal in Betrieb, wird er auch Eigendynamik für den Sender selbst entwickeln. Leiser, bescheidener, zurückhaltender wird es bestimmt nicht zugehen, wenn das ZDF sich in dieser Form selbst inszeniert. Mal sehen, wie sich das aufs Image auswirkt.

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