War der 'Putschversuch' eine Inszenierung?

Türkei Es mehren sich die Stimmen derer, die den 'Putschversuch' in der Türkei für eine dilettantische Inszenierung Erdogans halten.

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Hier einige Auszüge aus Online-Medien, die derartige Vermutungen plausibel erscheinen lassen:

"Welcher Putsch beginnt denn freitagabends um 22 Uhr, wenn die Panzer im Feierabendstau stecken bleiben? Warum sind fast alle TV-Kanäle auf Sendung und interviewen ein Regierungsmitglied nach dem anderen? Und vor allem, warum haben die Putschisten offenbar erst gar nicht versucht, einen verantwortlichen Politiker, deren Herrschaft sie ja angeblich beenden wollten, festzunehmen oder sonst aus dem Verkehr zu ziehen?"
TAZ

"Die Aufständischen besetzten zwar ein paar wichtige Zufahrtswege in Istanbul, den Staatssender TRT und ließen demonstrativ ein paar Jets im Tiefflug über die Metropolen donnern - aber das war es im Wesentlichen schon. Der in Bodrum urlaubende Erdogan wurde unbehellligt gelassen, genau wie die zahlreichen privaten TV-Stationen und die wichtigen Flughäfen fielen nur kurz nach ihrer Besetzung durch die Putschisten wieder in die Hände der regierungstreuen Sicherheitskräfte."
Stern

Mit zehn Panzern, 1000 Soldaten, sechs Kampfflugzeugen und zwei Hubschraubern könne man keinen Putsch machen, stellt der Militärexperte Mehmet Tezkan von der Zeitung "Miliyet" fest. "Es war von Anfang an hoffnungslos.“
Tagesschau.de

"Zwar waren die wichtigsten Flughäfen des Landes vorübergehend geschlossen. Sie konnten aber nicht einmal verhindern, dass Erdogan von Marmaris nach Istanbul flog. Mit Erdogans Landung in Istanbul fiel der Putsch in sich zusammen. Und ein Flugzeug griff das Hotel, in dem Erdogan seit einer Woche Urlaub gemacht hatte, erst an, als der Marmaris längst verlassen hatte."
FAZ

"Akin Öztürk wären nur noch sechs Wochen geblieben. Am 30. August sollte der türkische Vier-Sterne-General in Rente gehen. … Er soll eine vergleichsweise kleine "Verschwörergruppe" innerhalb des Militärs angeführt haben, der neben weiteren Führungskräften, wie etwa dem General der zweiten Armee, Adem Huduti, vor allem rangniedrige Soldaten angehörten. Nach Berichten türkischer Medien sind etliche von ihnen offenbar zunächst davon ausgegangen, dass es sich bei dem Einsatz lediglich um eine Übung handle."
Die überwiegend jungen Soldaten hatten Angst (hier ein Bild)
Ein Mitarbeiter des Senders CNN Türk, der vorübergehend von den Putschisten besetzt wurde, berichtet, bei den Soldaten habe es sich überwiegend um junge Männer gehandelt. "Sie zitterten. Sie sagten, sie befolgten lediglich Befehle.""
SPON

"Rund eine Stunde, nachdem die Sprecherin gesagt hatte: „Soldaten stürmen den Sender“, sahen wir nicht Soldaten mit einer Erklärung zum Putsch auf dem Bildschirm, sondern einen seltsamen jungen Mann, offenbar ein Erdogan-Anhänger. Er rief drei Mal „Allahu akbar“ in die Kamera und setzte sich dann gelangweilt hin. Das ganze Land beobachtete diesen Mann im rosa T-Shirt, der sich mit seinem Smartphone beschäftigte und mit der Fernbedienung versuchte, die Fernsehapparate des Senders in Gang zu setzen."
FAZ

"CNN-Türk wurde dann zeitweilig von Soldaten okkupiert. Diese Besetzung dauerte ca. 45 Minuten.....Und dann wurde der Sendebetrieb wieder aufgenommen. Pünktlich zur Pressekonferenz von Erdoğan war der Sender wieder on air.

Erdoğan tauchte dann mitten in der Nacht auf dem angeblich belagerten Flughafen in Istanbul auf. Dort hielt er eine Pressekonferenz …"
Telepolis

"... Tatsache, dass sofort nach dem Scheitern des Putschversuchs landesweit fast 3000 Militärs verhaftet wurden, die die Regierung als "Gülenisten" darstellt.
Allerdings fanden "diese Verhaftungen überwiegend nicht dort statt, wo die Putschisten zur Tat schritten", sagt Türkei-Militär-Experte Gareth Jenkins. Seiner Ansicht nach geht die Regierung jetzt zwar gegen die Gülenisten oder vermeintliche Gülenisten im Militär vor, sie sind aber nicht die Drahtzieher des Coups."
Welt

.....

„Das soll ein Putsch sein?“ Istanbuler wundern sich über den „dilettantischen Einsatz“: zu wenig Militär, Internet und Telefon funktionieren noch. Bei früheren Aufständen war die Kommunikation unterbunden und der Zeitpunkt so gewählt, dass das Volk morgens in einer neuen Welt aufwachte."
DerWesten

"Der Taxifahrer, ein bekennender Sozialdemokrat um die 50, spricht aus, was viele bereits in der Nacht in den sozialen Medien äußern: "Was soll das für ein Putsch sein mit fünf Panzern und zwei Flugzeugen?", fragt er und redet sich allmählich in Wut. "Dieses Land hat viele Staatsstreiche erlebt, aber so was noch nie. Angeblich ist die Luftwaffe verwickelt. Und dann kann der Präsident mitten im Putsch nach Istanbul fliegen?"

Er sei gegen Machtergreifungen des Militärs, betont er. Doch sein Verdacht lautet: Das hier ist eine Inszenierung. "Erdogan hatte keine Mehrheit für das Präsidialsystem. Und mit seiner Ankündigung, Syrer einzubürgern, hat er auch seine eigenen Anhänger verprellt. Jetzt ist er für alle Zeiten der Held.
Ich fürchte, der eigentliche Putsch beginnt jetzt erst."
Welt

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Geschrieben von

Fro

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