„Frauennetzwerk für Veränderung“

Int. Initiative Wir müssen einräumen, dass die Idee eines Frauennetzwerks für Veränderung aus den Ländern kommt, wo die Frauen am meisten bedroht sind.

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Am Samstag, dem 13. Juni findet in Paris eine große Versammlung von Menschen statt, die sich für eine Lösung der schwelenden und heute weithin brennenden Krise des Mittleren Ostens einsetzen. Gastgeber der Veranstaltung ist u. a. der Nationale Widerstand Iran (NWRI), eine große Organisation, die sich das Ende des religiösen Fundamentalismus und die Errichtung eines demokratischen und toleranten iranischen Staates zum Ziel gesetzt hat. Zehntausende Exiliranerinnen und -iraner werden zu der Veranstaltung erwartet, mit ihnen ebenso viele Unterstützer und Freunde, die der iranische Widerstand in jahrzehntelanger beharrlicher Öffentlichkeitsarbeit in Europa, den nordamerikanischen Staaten und auf den anderen Kontinenten für seine Sache hat gewinnen können. Nicht zum ersten Mal liegt, dem Wesen des NWRI entsprechend, ein besonderer Akzent im Programm auf dem mutigen Eintreten von Frauen gegen die geistlose, brutale Männerherrschaft im Iran und anderswo.

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Berlin – Eine Exil-Iranerin protestiert gegen Frauenfeindlichkeit im Iran

In langer theoretischer Arbeit und gesellschaftlicher Praxis hat der iranische Widerstand herausgestellt: Das Haupthindernis der Entwicklung im Nahen- und Mittleren Osten ist der islamistische Fundamentalismus. Es ist die Ideologie des iranischen Regimes, bestimmt von einem Patriarchalismus, der absurd ist und lächerlich wäre, wenn in seinem Namen nicht ungezählte Morde von Staats wegen und die Menschheit beleidigende Menschenrechtsverletzungen begangen worden wären und immer noch begangen würden. Diesem das menschliche Gesicht verzerrenden Wahn der Männerherrschaft entspricht ein bis in die Wurzeln reichender Frauenhass, der den im Iran Herrschenden den Wahn eingibt, Frauen seien zu gefährlich, als dass man sie in Freiheit leben und sich entfalten lassen könnte. Drittens ist ein absurder Begriff von Vergeltung als Gerechtigkeit charakteristisch für den islamischen Fundamentalismus: wer sich mit der Hand an einem anderen vergeht, dem muss die Hand abgehackt werden. Einer Frau, die sich in ihrer Schönheit zeigt, muss das Gesicht entstellt werden usw. Ein viertes Merkmal dieser Ideologie: Die Herrschaft liegt total in der Hand von Männern, die mit solchen Wahnvorstellungen geschlagen sind; von Demokratie kann keine Rede sein. Gerade des wahnhaften und gewalttätigen Frauenhasses wegen, der für die Mullahs in allem leitend ist, sind es zu allererst Frauen, die sich innerhalb der iranischen Opposition zu Veränderungen im Iran aufgerufen fühlen.

Dass unsere Öffentlichkeit auf dieses üble Phänomen endlich aufmerksamer wird, liegt nicht nur an der geduldigen Arbeit der Oppositionsgruppen, sondern auch daran, dass die Aggressivität der Fundamentalisten in jüngster Zeit bedrohliche, auch für uns gefährliche Formen angenommen hat. In dieser Situation sind solche Initiativen zutiefst anzuerkennen und verdienen unsere Unterstützung nicht nur in Bezug auf den Iran, sondern auch im Hinblick auf die Entwicklung des Mittleren Ostens und schließlich hinsichtlich unserer eigenen Gesellschaften.

Dass nun aus dieser ganzen Erfahrung heraus die Frau Maryam Rajavi den iranischen Widerstand führt, spricht für eine in der Praxis als notwendig erkannte Voraussetzung, dass Frauen in Führungspositionen Garantinnen für mehr Demokratie und somit eine Herausforderung für den Fundamentalismus sind. Das darf nicht unterschätzt werden. Das war Haupttenor einer riesigen Veranstaltung, die am 7. März im Berliner Velodrom unter dem Motto „Für Toleranz und Gleichstellung, gegen Fundamentalismus und Frauenfeindlichkeit“ durchgeführt wurde. Dort machte die renommierte Frauenrechtlerin Dr. Ranjani Kumari, Leiterin des indischen Zentrums für Sozialforschung, den Vorschlag, ein weltweites Frauennetzwerk für Veränderung zu gründen, das die Energien möglichst vieler Frauenrechtsorganisationen bündeln und eine enge Zusammenarbeit in Gang setzen soll. Inzwischen liegt ein Manifest für ein solches Netzwerk vor. Viele Persönlichkeiten und Organisationen, die sich der Gleichstellung von Mann und Frau widmen, sind aufgerufen worden, sich der Initiative anzuschließen. Am 13. Juni wird auf der Pariser Veranstaltung die Gründung des Frauennetzwerks für Veränderung verkündet werden. Frau Dr. Kumari ist übrigens kürzlich in New York für ihre lebenslangen Bemühungen um eine menschliche, auf Gleichberechtigung der Geschlechter beruhende Gesellschaft in Indien mit dem Preis der Asia Foundation und des dieser NGO angeschlossenen Freundeskreises Lotus Circle ausgezeichnet worden.

Während wir Deutschen und Europäer mit Recht für höhere Frauenquoten eintreten und die bisherigen Errungenschaften feiern, müssen wir einräumen, dass die Idee eines Frauennetzwerks für Veränderung aus den Ländern kommt, wo die Frauen am meisten bedroht sind. Das ist natürlich eine Bereicherung auch unserer auf dem Gedanken der Menschenwürde beruhenden Gesellschaft. Das Zusammenwirken von Menschen aus vielen Ländern für die Verwirklichung der egalitären Gesellschaft wird auf der Veranstaltung exemplarisch dargestellt werden. Gewiss werden viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer von diesem Beispiel ermutigt in ihre Länder heimkehren.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

G. Tuellmann

Dr. Greta Tüllmann ist Publizistin in Berlin, Chefredakteurin der Frauenzeitschrift „go40 – Frauen gestalten Zukunftskultur“

G. Tuellmann

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