Geheilt?

LEBEN MIT BRUSTKREBS Ein Buch über Therapien und andere Hilfen

Setzen wir einmal voraus, der erste Schock über die Erkrankung an Brustkrebs ist notdürftig verarbeitet, die lebensrettenden Maßnahmen haben gegriffen und die Patientin macht vorsichtig erste Schritte in Richtung Normalität. Sie merkt schnell, dass weder sie selbst, noch ihre Ärzte, noch ihre nähere und weitere Umgebung eine Vorstellung davon haben, wie das gehen soll. Sie lebt von nun an mit dem Risiko, Metastasen zu bekommen. Auch wenn es ihr möglich ist, die Irritation darüber zu zeigen und um Hilfe zu bitten, es bleibt dabei, sie muss sich völlig neu in das einfinden, was ihr "normales" Leben war. Wie erträgt sie sich selbst? Wie kann sie ihren Mitmenschen einerseits einen angstfreien Zugang zu sich ermöglichen und andererseits in aller Klarheit definieren und auch einfordern, was ihr jetzt Not tut? Je nach Temperament, Intensität der Erkrankung und Sozialisation gehen Frauen sehr differenziert an diese Fragen heran. Manche packt eine große Wut. Andere erleben sich fatalistisch.

Ursula Goldmann-Posch ist Wissenschaftsjournalistin, die gerne ausgiebig recherchiert und diese Fähigkeit zur Bewältigung ihres Schocks mit eingesetzt hat. Sie lässt uns in ihre Geschichte schauen, sie berührt Fragen, die teilweise noch ungelöst und unlösbar sind, sie erzählt davon, was sie im Kampf gegen ihren Krebs unternommen hat. Private Geschichten wechseln mit Beobachtungen der heutigen Brustkrebsforschung und -therapie.

Besonders wichtig sind in diesem so persönlichen wie allgemeingültigen Buch jene Passagen, wo die Autorin aus den Notizen ihres Mannes und den Berichten über die Schicksale ihrer ebenfalls erkrankten Freundinnen zitiert. Sie halfen mir bei der Lektüre über die Teile hinweg, wo die Autorin ihrem Krebs eine Kampfansage in Briefform schreibt, sich ihrer verbliebenen Brust liebevoll widmet und dann doch zu dem Schluss kommt: "Es gibt Momente, da komme ich mir auch ganz schön bescheuert vor. Aber es hilft mir. Ich nehme es so, wie es kommt. Aus meinem Innersten. Und muss darüber manchmal sogar lachen."

Sie beschreibt in ihrem Buch aber auch eine wichtige Phase in ihrer sich verändernden Selbstwahrnehmung, als sie fähig wird, sich gegenüber ihrem Sohn zurückzunehmen. Es geht um das Loslassen, ein lebensbegleitendes Thema.

Wie ist es ihrem Mann ergangen? Er hat es zunächst nicht fassen können, tödliche Bedrohung kam in seiner Vorstellungswelt nicht vor. Er betont, dass er das nicht etwa verdrängt habe, es sei ihm einfach nicht eingefallen. Später dann, als er seine Frau zur Kur bringt und sie traurig erlebt, kommt die Verlustangst. Als er den Schmerz schließlich herauslassen kann, eröffnet sich ihm eine neue Sicht, auch auf vertraut Schönes. Er kann nach einer Zeit des liebevollen, aber hilflosen Begleitens sagen: "Es geht weiter, es wird auch mit uns weitergehen ... auch wenn die Krankheit weitergehen sollte."

"Ich weiss nicht, ob ich geheilt bin, aber: ich bin von Vielem geheilt", sagt die Autorin. Wie viele Frauen, die ihr Schicksal teilen, lebt sie mit dem Bewusstsein, am Krebs auch sterben zu können. Doch dieses Bewusstsein soll die Aktivität nicht permanent hemmen. Darum setzt sie auf sachliche Informationen, die jede betroffene Frau haben sollte; ein ausführliches Quellenverzeichnis, ein verständlicher Glossar sowie eine Checkliste für die Tage zwischen Diagnose und Operation ergänzen das Buch.

Ursula Goldmann-Posch. Der Knoten über meinem Herzen, Brustkrebs darf kein Todesurteil sein: Therapien und andere Hilfen. Karl-Blessing-Verlag, München 2000, 416 Seiten, DM 39,90.

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