Ein eigener Friedhof

RIO Die jüdische Halbwelt war besser organisiert als die etablierte Gesellschaft
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Für die Polin Ester Waisman hatte es gerade noch so gereicht: Als vierte wurde sie 73-jährig auf dem jüdischen Friedhof im Stadtteil Inhaúma in Rio de Janeiro beerdigt. Damit erfüllte sich für die ehemalige jüdische Prostituierte ein Herzenswunsch: im Tod in der Fremde einen eigenen, würdigen »Ort« mit jüdischen Glaubensschwestern und -brüdern zu teilen. Auf einem städtischen Friedhof wäre das unmöglich gewesen, auf einem »normalen« jüdischen Friedhof hätte man sie als Hure zusammen mit Selbstmördern an der Mauer verscharrt.

Erst sechs Wochen zuvor, am 1. Oktober 1916, hatten die in der Israelitischen Vereinigung für Wohltätigkeit, Beerdigungen und Religion (ABFRI) zusammengeschloss