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Ich möchte eine kleine historische Begebenheit beitragen, die symptomatisch und charakteristisch ist für das Menschenbild, in dem der Mensch nur noch als ein Maschinen ähnliches Prinzip angesehen wird, sozusagen als eine Art Evolutionsvorstufe hin zum Maschinenmenschen.

'In einem großen Eisenwerke sollten Zehntausende von Tonnen Gußeisen verladen werden in Eisenbahnzüge. Dazu wurde selbstverständlich eine bestimmte Anzahl von Arbeitern angestellt. Fünfundsiebzig Mann sollten an die Arbeit gehen, und es stellte sich heraus, daß jeder zwölfeinhalb Tonnen am Tage verladen konnte; also von fünfundsiebzig Mann je zwölfeinhalb Tonnen am Tage.

Ein Mann, der mehr auf den Durchschnitt eines Menschen gab als auf dasjenige, was das Wesen und die Würde eines jeden individuellen Manschen ausmacht, dieser Mann ist Taylor.* Dieser Mann fragte zunächst die Fabrikanten, ob sie nicht glaubten, daß ein einzelner Mann viel mehr verladen könne als zwölfeinhalb Tonnen am Tag? Die Fabrikanten meinten, daß ein Arbeiter höchstens achtzehn Tonnen verladen könnte. Da sagte Taylor: Dann machen wir Experimente; wir wollen einmal experimentieren.

Taylor ging daran, mit den Menschen zu experimentieren. Das Maschinenmäßige wurde dadurch in das menschliche soziale Leben übertragen. Er probierte, ob das wirklich so wäre, wie die praktischsten Fabrikanten sagten, daß ein Mann nur höchstens achtzehn Tonnen am Tag verladen kann. Er richtete Pausen ein, die er nach der Physiologie so berechnete, daß die Menschen in diesen Pausen gerade so viel Kräfte wiederum sammelten, als sie vorher ausgegeben hatten.

Es stellte sich natürlich heraus, daß es unter Umständen beim einen so, beim andern so war. Da nahm er - Sie wissen, im Mechanismus kommt dabei nichts darauf an, da nimmt man das arithmetische Mittel, beim Menschen kann man nicht das arithmetische Mittel nehmen, weil jeder Mensch seine Berechtigung zum Dasein hat -, aber Taylor nahm arithmetische Mittel, das heißt, er wählte diejenigen Arbeiter heraus, welche in ihrer Gesamtheit rationelle Pausen abwarfen, und diese rationellen Pausen gestattete er ihnen. Die andern, die nicht in diesen Pausen ihre Kräfte wiederherstellen konnten, wurden einfach herausgeworfen.

Da stellte sich denn heraus, wenn man in dieser Weise experimentierte mit den Menschen, daß die Ausgewählten, die durch Selektion Ausgewählten, wenn sie in den Pausen sich wieder vollständig erholten, jeder siebenundvierzigeinhalb(!) Tonnen verladen könne.

Sie haben den Mechanismus der Darwinschen Theorie auf das Arbeiterleben angewendet: die Unpassenden weg, die Passenden durch Selektion ausgewählt.

Die Passenden sind diejenigen, die mit entsprechender Ausnützung der Pausen, nicht, wie man früher angenommen hat, als Maximum achtzehn Tonnen, sondern siebenundvierzigeinhalb Tonnen verladen können. Dadurch können aber auch die Arbeiter zufriedengestellt werden; denn man erspart ungeheuer viel dabei, und man konnte dadurch den Lohn jener Arbeiter um sechzig Prozent erhöhen. Also man macht die Ausgewählten, die im Kampfe ums Dasein Passendsten, die man auf diese Weise herausgewählt hat durch Selektion, außerdem zu sehr zufriedenen Leuten.'

Aber - die Unpassenden mögen verhungern!

Das war der Anfang eines Prinzips, welches heute bis ins Feinste ausgetüftelt wird!

Frage: Da Taylor ja nun der Erfinder der Zeitstudien war, die man in Deutschland ja auch als „REFA“ kennt (ursprünglich hieß REFA = Reichsausschuß für Arbeitszeitermittlung), ohne die heutzutage keine Kalkulation mehr denkbar ist, und womit im Grunde eine wahrhafte Revolution des Kapitalismus in der Welt vonstatten gegangen ist, - hätte man Taylor nicht als Gegenleistung dafür 99% allen Geldes in der Welt geben müssen?

*) Frederick Winslow Taylor, 1856-1915, amerikanischer Ingenieur. Urheber der Zeitstudien in Industriebetrieben, Begründer der wissenschaftlichen Betriebsführung (Taylor-System). «The Principles of Scientific Management», 1912; deutsch: München und Berlin 1913.

Siehe auch hier zu Taylor:

de.wikipedia.org/wiki/Frederick_Winslow_Taylor

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Zuerst als Kommentar zu einem Blog von Ismene eingestellt:

www.freitag.de/community/blogs/ismene/ueber-geld-redet-man-nicht

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Geschrieben von

GEBE

Von der Gewalt, die alle Wesen bindet, befreit sich der Mensch, der sich überwindet.

GEBE

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