Der zunehmend sichtbare Faschismus in der AFD

Analyse Teilen der AFD geht es nicht länger mehr nur um Zuwanderungs- und Europolitik, sondern um die ethnische Zusammensetzung der deutschen Gesellschaft. Der Vorhang fällt

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Der zunehmend sichtbare Faschismus in der AFD

Bild: Sean Gallup/Getty Images

Die AFD – eine Partei, mit faschistischen Elementen, die möglicherweise gar im Geiste des Nationalsozialismus steht? Man könnte meinen: Soweit nichts Neues. Doch tatsächlich lässt sich ein Wandel erkennen. Stand die AFD zunächst für wirtschaftsliberale Ideen und für den Kampf gegen den Euro, ist sie mittlerweile geprägt durch deutlich darüber hinausgehende nationalistische und fremdenfeindliche Tendenzen. Kritiker der AFD konstatierten das schon vor Jahren. Indes: Die Äußerungen von Anhängerinnen und Anhängern etwa von PEGIDA, aber auch die Äußerungen von vereinzelten Mitgliedern der AFD lassen sich nicht ohne Weiteres auf einen Kernbestand einer Partei übertragen. Weder die Ablehnung des Euro noch der Europäischen Union sind automatisch gleichbedeutend mit Fremdenfeindlichkeit und rassistischem Gedankengut. Aber es geht der AFD schon lange nicht mehr nur um bloße Wirtschaftspolitik oder um die Verhandlung der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik. Auch diese Positionen sind freilich bereits dem rechten Spektrum zuzurechnen, aber das, was neuerdings sichtbar wird, geht noch viel weiter.

Nunmehr geht es nicht mehr um vereinzelte Äußerungen von einem Björn Höcke oder dessen – lediglich vermutete – Autorenschaft in Zeitschriften des NPD-Umfeldes. Nein, es geht um absolute Schlüsselfiguren der AFD, die insbesondere im Zusammenhang mit der Fußball-Europameisterschaft zu erkennen gegeben haben, was sie wirklich wollen. Es geht ihnen um die genetische, also ethnische Zusammensetzung der deutschen Gesellschaft. Die Bombe ist geplatzt: Die AFD scheint in wesentlichen Teilen eine Isolation von angeblichen Nichtdeutschen zu fordern. Hierfür zwei aktuelle Belege:

Dönerliebhaberin von Storch auf Twitter

Nach der 0:2 Niederlage im Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft twittert Döner-Liebhaberin Beatrix von Storch: „Vielleicht sollte nächstes mal dann wieder die deutsche NATIONALMANNSCHAFT spielen?“. Das Tweet erschien kurz nach Abpfiff der Halbfinalniederlage in einen wohl emotional leicht aufgeladenen Moment. Es dürfte kein Zufall sein, dass von Storch ausgerechnet bei einem Spiel der deutschen Nationalelf plötzlich Gefühle für Fußball entwickelt. Viel wichtiger aber ist: Dieser Tweet kann sinnvollerweise nur so verstanden werden, dass aufgrund der Niederlage der deutschen Elf gegen Frankreich im nächsten Turnier nur noch solche Spieler für Deutschland auflaufen sollen, die „deutschen Ursprungs“ sind – also in den Augen von Storchs wohl „wahre Deutsche“ sind. Die Klassifizierung von Menschen nach ethnischer Herkunft ist in den Denkmustern von Storchs fest verankert. Es kommt ihr nicht darauf an, wo eine Person aufgewachsen ist. Es kommt ihr nicht auf die Staatsbürgerschaft oder auf einen Rechtsstatus an. Nein – es geht ihr um ein wie auch immer geartetes Deutsch sein basierend auf der an der Genetik abzulesenden Herkunft der Vorfahren. Leute wie Boateng, Özil und Gündogan, die allesamt in Deutschland aufgewachsen sind und mit denen viele von „uns“ wohl mehr gemeinsam haben als mit von Storch, sollen nicht für Deutschland spielen – vermutlich, weil sie auch noch für die Niederlage gegen die französische Nationalmannschaft schuld sein sollen. Konsequenz zu Ende gedacht sollen diese Spieler offensichtlich einen anderen Rechtsstatus haben als – wie könnte man sagen? – „echte Kartoffeln“. Anderer Status, andere Rechte. Genauer: Weniger Rechte für die Özils dieser Gesellschaft. Fremdenfeindlichkeit und völkische Denkmuster lassen sich an dieser Stelle kaum noch leugnen. Dagegen erscheint die Äußerung von Gauland, die Leute fänden Boateng als Fußballspieler gut, wollten ihn aber nicht als Nachbarn haben, fast als harmlos, schließlich könnte Gauland mit seiner Äußerung sogar Recht haben, wenn es um seine Freunde und Bekannte geht. Wenn man immer die gleichen Leute trifft und immer die gleichen Meinungen hört, dann kommen manche tatsächlich auf die Idee, dass die ganze Gesellschaft so denkt.

By the way: Bei von Storch handelt es sich um die stellvertretende Bundesvorsitzende der AFD, die zudem für die AFD im europäischen Parlament sitzt. Jetzt ließe sich natürlich sagen: Dieser Tweet ist von Storch in dem Ärger über die Niederlage herausgerutscht – so ähnlich schon wie mit der weggerutschten Maus. Gerade aber in dem Moment der emotionalen Erregtheit neigen Menschen aber wie wir alle wissen besonders zur Ehrlichkeit. Von Storch hat also vielmehr ihre Hüllen fallengelassen und unter Beweis gestellt, dass sie politisch auf einer Linie steht mit den Faschisten dieses Landes. Denn wer in Deutschland aufgewachsene Menschen – zudem deutscher Staatsangehörigkeit – entrechten und aus der Gesellschaft ausschließen will, der nimmt zumindest billigend in Kauf, dass eine solche vom Rassismus geprägte politische Stoßrichtung in Exzessen endet, die dieses Land schon einmal erlebt hat. Mit Blick auf Äußerungen wie der von Storch ahnt man, in welches politische Spektrum sich die meisten AFD’ler in den 20er und 30er Jahren einsortiert hätten. „Wegen Leuten wie Dir …“ – ach, lassen wir das.

Gescheiterte Abgrenzungsversuche in der AFD-Fraktion in Baden-Württemberg

Ein weiterer Beleg der nicht unbedeutenden faschistischen Strömungen liefern die neusten Ereignisse rund um die AFD-Fraktion in Baden-Württemberg. 13 der 23 dortigen AFD-Fraktionsmitglieder haben ihren Austritt aus der AFD Fraktion erklärt, weil eine zwei-Drittel Mehrheit für einen Fraktionsausschluss von Wolfgang Gedeon, der in Schriften eine jüdische Weltverschwörung konstruierte und Holocaust-Leugner als „Dissidenten“ bezeichnete, nicht zustande gekommen ist. Dass Gedeon letztlich als Faschist der alten Schule zu sehen ist, dürfte kaum zu bestreiten sein. Der Clou ist aber: 10 der 23 Mitglieder der AFD-Fraktion in Baden-Württemberg ist das ganz egal. Fast die Hälfte der AFD-Fraktion hat also kein Problem mit einem Antisemiten in ihren eigenen Reihen. Das lässt auf die Geisteshaltung dieser Leute schließen und macht deutlich: Ein nicht unerheblicher Teil der deutschen Gesellschaft ist offensichtlich bereit, Leute in die Parlamente zu wählen, die dem Nationalsozialismus programmatisch gefährlich nahekommen. Man ahnt, wen diese Wählerinnen und Wähler in den 20er und 30er Jahren ihre Stimmen gegeben hätten. Und es geht nicht nur um Länder wie Sachsen, in denen es offensichtlich ohnehin mittlerweile zum Alltag gehört, dass etwa das politische Establishment als Volksverräter beschimpft wird.

Fremdenfeindliche Strömungen der AFD wagen sich immer weiter aus der Deckung

Dass Teile der deutschen Gesellschaft nach wie vor von fremdenfeindlichen Einstellungen durchzogen sind – nichts Neues. Dass die AFD rassistische Ressentiments bedient und zumindest mit zum Teil mit völkischen Ideen kokettiert – auch nichts Neues. Eine neue Qualität aber kommt den neuerlichen Ereignissen zu, die den in der AFD ohne Zweifel vorhandenen Faschismus sichtbarer macht als jemals zuvor. Während sich die AFD in den letzten Jahren noch Mühe gemacht hat, diese Tendenzen jedenfalls nicht mit offenem Visier preiszugeben, so lässt sich heute kaum noch leugnen, dass sich nicht unerhebliche Teile der AFD ideologisch mit dem Nationalsozialismus auf einer Linie befinden. Diese fremdenfeindlichen Strömungen in der AFD scheinen sich immer weiter aus der Deckung herauszutrauen, möglicherweise in dem Bestreben, eine wie auch immer geartete öffentliche Hemmschwelle für ihre völkischen Ideen stetig herabzusenken. Dabei mag es sich insgesamt um eine Minderheit innerhalb der AFD handeln. Die Ereignisse rund um die AFD-Fraktion in Baden-Württemberg belegen jedoch, dass es für Abgrenzungsversuche längst zu spät ist. Dass hinter dem Hass der vielen Wählerinnen und Wähler der AFD insbesondere im Osten oft genug soziale Missstände stehen, ist grotesk und macht ratlos, wenn man sich vergegenwärtigt, dass es die AFD ist, die das soziale Sicherungsnetz mehr als alle anderen durchschneiden wollen und letztlich eine Politik verfolgt, die den Wohlhabenden dieses Landes zugute kommt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Gedankenprotokolle

Blogger aus dem linksliberalen Spektrum

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden