Mit "liberalem" und "christlichem" Beistand soll es für die 1500 Steuer-"Sünder" diesmal bei einem "Ave-Maria" bleiben. Sie sollen ihre hinterzogenen vierstelligen Millionenbeträge auf Schweizer Konten behalten können. Dazu schreibt die Frankfurter Rundschau:
Kaufen oder nicht kaufen? Die Opposition will, dass Finanzminister Schäuble Informationen über die Schweizer Konten von 1500 Steuersündern erwirbt. Union, FDP und die Schweiz wollen nicht. Offenbar wird diesmal - anders als im Fall Zumwinkel - ein lukrativer Deal im Voraus zerredet.
(Siehe "CD aus der Schweiz - Die große Feigheit vor dem Steuersünder", fr-online.de, 30..2010.)
Vorbei also die Zeiten, als die Zumwinkels noch mit einer Millionen Euro hinterzogener Steuern ganz knapp an einer Gefängnisstrafe vorbeikommen konnten? (Sh. www.rossaepfel-theorie.de/Steuer-Parasitismus.htm). Endlich können die "Christlichen" ihre "geistig-moralische Wende" zu Ende bringen, und ihre "liberalen" Kompagnons können so die Steuern - zumindest für ihre reichste Kundschaft – fast auf null senken. FDP- und CSU-Großspender Finck ist diesmal wohl nicht betroffen, weil er ohnehin 1999 in die Schweiz umgezogen ist (sh. "’Alle Staatsgewalt geht vom…’ (Art. 20 GG?) Kapital aus!", freitag.de, 31.1.2010).
Zum Umfang des Steuerbetrugs konnte man vor Jahren selbst im FOCUS lesen: "Rund 900 Milliarden Euro horten die Deutschen laut Bundesregierung im Ausland" (sh. "Steueramnestie – Neue Koalition", focus.de, 1.8.2002). Der größte Teil dieser Gelder lagert in Luxemburg, Liechtenstein und in der Schweiz. Allein 1.300 Milliarden Euro weltweiter Gelder sollen bei Schweizer Banken versteckt sein (sh. nachdenkseiten.de vom 24.5.2004 mit Bezug auf die Frankfurter Rundschau) - in harmonischer Eintracht von Steuerbetrügern, Drogenhändlern, Waffenschiebern, Frauenhändlern und den Kleptokraten der Dritten Welt, die dorthin ihre Entwicklungsgelder verschieben.
Da ertönt wieder einmal der moralische Aufschrei der Schweizer Groß-Profiteure gegen einen Handel mit "Diebesgut". Damit werde das angebliche "Vertrauensverhältnis" zu Deutschland belastet. Sie erfinden sogar "einen neuen Beruf – den 'Datenklauer'" (sh. "Schweiz warnt Bundesregierung vor Datenkauf", tagesspiegel.de, 31.1.2010). Auch CDU-Wirtschaftslobbyist Michael Fuchs stellt ganz ungewohnte hohe moralische Ansprüche: "Das ist ein gestohlenes Gut. Da würde man Diebe belohnen," sagte Fuchs der "FAS" (sh. "Fall Schweiz – Steuersünder-Daten entzweien Parteien", focus.de, 30.1.2010). Und der alpennahe Millionärsfreund Freiherr zu Guttenberg (CSU) ist "guter Dinge, dass es nicht zu Verwerfungen (mit der Schweiz) kommt" (ebd.).
Unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls würde ein solcher außergewöhnlicher "Datenklauer" das Bundesverdienstkreuz mit größerem Recht tragen als viele andere, denn alle wirksamen legalen Maßnahmen gegen Steuerflüchtlinge werden durch die Schweizer Hehler blockiert (sh. www.rossaepfel-theorie.de/Steuer-Parasitismus.htm).
Kommentare 2
Lieber Geierschreck,
das ist mir zu einfach argumentiert. Sie haben etwas gegen Steuersünder und darum sind Ihnen auch illegale Mittel recht, sie dingfest zu machen. Entschuldigen Sie die banale Frage: Aber wo fängt das an und wo hört das auf? Ihr Steuersünder, der durch kriminelle Deals entlarvt werden soll ist vielleicht mein linker Professor, der durch Denunziation ins Fadenkreuz repressiver Maßnahmen durch Polizei oder Geheimdienste kommt. Es hat schon Vorteile, wenn der Rechtsstaat für alle gilt.
Das ist das eine. Das andere ist das Schweiz-Bashing.
Die Schweiz ist ein souveräner Staat. Die haben da eigene Gesetze und Maßstäbe und Wertvorstellungen. In der Tat kommt es in einer Welt zunehmend offener Grenzen zu Konflikten zwischen Wertvorstellungen. Wir haben das Problem ja nicht nur mit der Schweiz. Auch der Iran teilt unsere Werte nicht. Oder China. Oder Israel. Oder die USA. Ehrlich gesagt gibt es auf der Welt mehr Länder, die unsere Werte nicht teilen als unmgekehrt. Was tun? Ich glaube, für dieses Problem wurden die rechtsförmigen Verfahren erfunden. Um ein gewisses Maß an Berechenbarkeit hineinzubekommen. Man sollte das nicht leichtfertig über Bord werfen, nur weil man eine CD zum Kauf angeboten bekommen hat und 100 oder 200 Millionen an zusätzlichen Steuereinnahmen winken. Es ist ein vergiftetes Geschenk. Es untergräbt unsere Ordnung und unsere Rechtskultur. (Und bitte entgegnen Sie nicht, dass dies die Steuersünder auch tun. Ja. Das ist so. Aber der Staat ist der Staat.)
Ihr JA
Lieber Jakob Augstein,
Sie erwarten mit Recht, dass ich es mir nicht zu einfach mache. Ich habe viel Verständnis für Ihren Standpunkt, weil er nicht von Seiten der Großbetrüger-Lobbyisten kommt. Auch meine Kritik an Minister zu Guttenberg ist sehr zurückhaltend, da er noch nicht lange Verantwortung trägt. Sie werden vielleicht entgegnen, dass es egal ist, vom wem dieser Standpunkt vorgetragen wird. Tatsächlich habe ich ihn selbst probehalber angenommen, bevor ich den Artikel geschrieben habe.
Der verfassungsmäßige Rechtsstaat soll ja nicht nur zugunsten der Betrogenen, sondern auch zugunsten der Betrüger gelten. Aber bei verfassungsmäßigen Konflikten wird stets nach dem höheren Gut gefragt. Und in diesem Fall ist bei meiner Güterabwägung völlig klar, dass der Staat nicht auf seinen Steueranspruch verzichten darf und seine Funktionsfähigkeit beeinträchtigen lässt, um vor allem Rechte der Großbetrüger zu schützen. Hier geht es ja nicht um die alltägliche Steuervermeidung im Kleinen. Die genannten Zahlen sprechen für sich. Ganz treffend argumentierte die Juristin Renate Künast:
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte der "Frankfurter Rundschau", wer Krokodilstränen darüber vergieße, dass der Staat sich mit Kriminellen auf einen Handel einlasse, dem gehe es in Wahrheit nur darum, Rücksicht auf seine Wählerklientel zu nehmen.
(Sh. Schweizer Konten – Gabriel fordert Kauf der Steuersünder-CD, spiegel.de, 31.1.2010). Aber auch Sigmar Gabriel und vor allem der völlig unverdächtige Chef der Steuer-Gewerkschaft, Dieter Ondracek, wenden sich gegen die Klientelpolitik der zögernden schwarz-gelben Koalitionäre (sh. ebd.). Für frühere Koalitionen waren solche Ankäufe im übrigen kein wirkliches Problem.
Aber es ist für mich auch eine ökonomische und philosophische Frage nach Kants Motto: Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde. Die Maxime betrifft hier die Handlungen des Staates. Auch er darf nicht willkürlich handeln. Ich bin durchaus der Meinung, dass das Recht des Staates zum Ankauf von Großbetrüger-Daten ein allgemeines Gesetz werde, ganz gleich wie diese Daten erlangt wurden, wobei ich Folter natürlich ausschließe. Dieser Ankauf gilt zumindest in solchen Fällen dem Gemeinwohl. Privatpersonen würde ich ein solches Recht bei gestohlenen Daten jedenfalls dann nicht zubilligen, wenn es zur eigenen Bereicherung dient (§ 259 StGB, Hehlerei). Sie würden im übrigen keine Eigentumsrechte erlangen und auch bestraft, insbesondere bei Missbrauch. Inwieweit sich Journalisten solche Daten zur Aufdeckung von Regierungskriminalität verschaffen können, wäre gesondert zu prüfen.
Zum philosophischen Teil gehört auch die ganz ähnlich gedachte Goldene Regel nach dem schlichten Sprichwort Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu. Darauf berufe ich mich schon in meinem Profil, so dass ich hier ein explizites Beispiel dafür liefern konnte. Ich würde nicht wollen, dass man mir eine Daten-CD klaut. Wenn ich aber ein Großbetrüger oder Steuerhehler wäre, dann hätte ich schon Verständnis dafür, dass der Staat mir durch den Ankauf einer geklauten CD auf die Schliche käme, denn wenn ein allgemeines Gesetz dem Staat so etwas verbieten würde, dann wären dem
Parasitismus an der Gemeinschaft Tür und Tor geöffnet.
Auch ohne Steuerbetrug legen die Einkommensmillionäre einen viel größeren Teil ihrer Einnahmen am internationalen Finanzmarkt an als die Klein- und Normalverdiener. Wenn sie nun für ihr Einkommen aus Deutschland und die Erträge daraus nicht einmal Steuern bezahlen, dann wäre die ökonomische Folge, dass Klein- und Normalverdiener noch mehr mit Steuern, Abgaben und Gebühren belastet würden, dass ihre Konsumkraft und die Binnennachfrage noch mehr abgedrosselt würden, dass dadurch noch mehr Arbeitplätze vernichtet würden und noch mehr reguläre Arbeitsverhältnisse durch Lohndrückerei in prekäre Beschäftigung umgewandelt würden.
Was das Schweiz-Bashing betrifft, so finden Sie in meinen zitierten Quellen durchaus etliche Schweizer, die diesen Parasitismus ebenso ablehnen wie ich. Auch den Profiteuren im Iran, in Israel oder China billige ich nicht zu, dass sie ihre Handlungen und Gesetze gegen die Goldene Regel richten.