Craig Murray zu Gefängnis verurteilt

Craig Murray/Alex Salmond Autor, Menschenrechtsaktivist und ehemaliger britischer Botschafter Craig Murray wurde zu acht Monaten Gefängnis verurteilt – Ankläger war ehemaliger Lockerbie-Ankläger

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die Verurteilung von Craig Murray wegen Missachtung des Gerichts erfolgte am 11. Mai 2021. Murray wurde aufgefordert, sich innerhalb 48 Stunden zu stellen. Es geht dabei um einen Artikel auf Murrays Blog, in dem er über den Alex-Salmond-Prozess berichtete. Murray wurde vorgeworfen, durch Äußerungen in seinen Artikeln, die mit anderen Informationen puzzlemäßig kombiniert hätten werden können, die Identifikation der Klägerinnen in einem Prozess wegen sexueller Nötigungen ermöglicht zu haben. Murray habe damit das Gericht missachtet.

Wie Murray ausführt, ist die Argumentation der Anklage an den Haaren herbeigezogen. Mit dieser harten Verurteilung solle er zum Schweigen gebracht werden, damit die Verschwörung gegen den ehemaligen Chef der Schottischen Nationalpartei, Alex Salmond, aufrechterhalten werden kann. Dazu heißt es auf IntelToday: „Das ist keine Gerechtigkeit. Das ist staatliche Vendetta“.[1]

Einer der drei Ankläger in der Sache Craig Murray heißt Lord Turnbull. Es handelt sich dabei um denselben Turnbell, der einer der Hauptankläger gegen den Libyern Abdelbasit Megrahi im Lockerbie-Prozess 2001 war. Dieses Urteil sah Murray als spektakulären Justizirrtum.

Murray ist es jetzt auch nicht mehr möglich, als Zeuge in einem Hacker-Prozess in Spanien aufzutreten, in dem Julian Assange eine Rolle spielt, denn er wurde aufgefordert, seinen Reisepass abzugeben. Dazu meint Murray: „Was ich daran eigentlich am Schockierendsten fand, war die sonderbare Entschlossenheit der Richter, dafür zu sorgen, dass ich während der drei Wochen, die wir für die Einlegung der Berufung haben, nicht nach Spanien reisen darf, um in der Strafsache gegen Assanges Anwaltsteam in Sachen CIA-Spionage auszusagen.“ [2]

Die Alex-Salmond-Affäre

In der Prozessberichterstattung, die Murray jetzt zur Last gelegt wird, ging es um Alex Salmond. Salmond war schottischer Ministerpräsident und Vorsitzender der Schottischen Nationalpartei (SNP), die 2014 das Unabhängigkeitsreferendum verlor. Salmond trat anschließend von beiden Ämtern zurück und die gerade mit großer Mehrheit wiedergewählte schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon übernahm seine Ämter.

Im November 2017 moderierte Salmond eine eigene Sendung bei Russia Today (RT) und machte sich damit beim Polit-Establishment mehr als unbeliebt. Die Mainstream-Presse reagierte empört und die Times verstieg sich zu Aussagen wie: „Diese Entscheidung ist eine Beleidigung für die Opfer einer mörderischen Kleptokratie.“[3]

Als ein Strafverfahren wegen sexueller Belästigung gegen Salmond eingeleitet wurde und sich Sturgeon gegen ihn positionierte, erklärte er im August 2018 seinen Austritt aus der SNP. Im März 2020 wurde Salmond vor dem Hohen Gericht in Edinburgh in allen Anklagepunkten freigesprochen.

Im Frühjahr 2020 setzte das schottische Parlament einen Ausschuss ein, der den Umgang der schottischen Regierung mit den Vorwürfen gegen Salmond untersuchen sollte. Sturgeon wurde vorgeworfen, das schottische Parlament über Missbrauchsvorwürfe gegen Alex Salmond getäuscht zu haben. Salmond ist überzeugt, es habe einen „absichtlichen, andauernden, heimtückischen und abgestimmten Versuch seitens einer Reihe von Personen in der schottischen Regierung und der SNP“[4] gegeben. Ziel sei es gewesen, seinem Ruf zu schaden und ihn sogar ins Gefängnis zu bringen. Sturgeon wies alle Vorwürfe von sich. Der Bericht eines Ausschusses des schottischen Parlaments kam jedoch zu dem Schluss, dass die Regierung ‚ernsthafte Fehler‘ begangen habe. Sturgeon selbst habe das Parlament ‚getäuscht‘.[5]

Laut Murray stinkt die gesamte Alex-Salmond-Affaire zum Himmel. Genauso zum Himmel stinkt nun auch das Urteil gegen Craig Murray selbst. Hier soll ein missliebiger Autor und Blogger, der mit seinen kritischen Artikeln eine große Leserschaft erreicht, zum Schweigen gebracht und andere von kritischer Berichterstattung abgeschreckt werden. Acht Monate Knast sind keine Kleinigkeit. Murray, der von sich behaupten kann, der meistgelesene Journalist Schottlands zu sein und dessen Blog immer wieder mehr Leser erreicht als die schottischen Tageszeitungen, will nun in Berufung gehen.

Von Lockerbie bis zur Skripal-Affäre und von Wikipedia bis zum Russland-Bashing hat Murray die Geheimdienste und jene, für die sie arbeiten, aufgebracht. Zum Lockerbie-Prozess hatte sich Craig wie folgt geäußert: „Ich kann bestätigen, dass das FCO (British Foreign & Commonwealth Office) und der MI6 wussten, dass al-Megrahi nicht der Lockerbie-Bomber war.“

Auch seine Stellungnahme zum E-Mail-Skandal von Hillary Clinton dürfte den Geheimdiensten sauer aufgestoßen sein: „Ich weiß, wer sie durchsichern ließ [die Clinton-Emails]. Ich habe die Person getroffen, die sie weitergab. Und es sind sicherlich keine Russen, sondern es ist ein Insider. Es ist ein Leck, nicht ein Hack. Das sind zwei unterschiedliche Dinge“.

Stimmen zu Murrays Verurteilung

Noam Chomsky: „Craig Murray hat eine bemerkenswerte Menge an Mut und Integrität bei der Aufdeckung von Staatsverbrechen an den Tage gelegt, ebenso hart hat er daran gearbeitet, sie zu unterbinden. Er hat unseren tiefen Respekt und unsere Unterstützung für seine Leistungen voll und ganz verdient.“

John Pilger: „In diesen dunklen Zeiten ist Craig Murrays Wahrheitserzählung ein Leuchtfeuer. Ihm gebührt unsere Dankbarkeit, nicht die Parodie einer Gefängnisstrafe, die, wie die Verfolgung von Julian Assange, eine allgemeine Warnung ist.“

Roddy Dunlop, Verteidiger: „Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Feststellung der Missachtung des Gerichts gerechtfertigt ist, stellt sich die Frage, ob dies angesichts aller Umstände so weit gehen darf, dass eine Inhaftierung gebilligt wird, dass ein pensionierter Diplomat mit einem vorbildlichen Hintergrund von seiner Frau, seinem 11-jährigen Sohn und seinem Baby getrennt wird. Zu welchem Zweck? Die Antwort könnte lauten: pour decourager les autres (um andere zu entmutigen). Wenn das der Zweck ist, dann ist der Job erledigt. Selbst das Bloggen von Herrn Murray wird unweigerlich durch das Urteil, das weithin bekannt gemacht wurde, gelähmt.“

Jonathan Cook: „Ex-Botschafter Craig Murray bekommt acht Monate, nachdem er über den Fall der Verteidigung berichtete, der zu einem Freispruch der Jury für Alex Salmond führte. Es ist ein weiterer Angriff auf das Recht auf unabhängigen Journalismus - und wieder einmal werden es die Konzernmedien entweder verschleiern oder als Gerechtigkeit bejubeln.“

Mark Hirst: „Ihn ins Gefängnis zu schicken, weil er das Establishment verärgert hat - wieder einmal - beweist nichts weiter, als dass das Gesetz am Arsch ist. Dies ist ein trauriger Tag für die schottische Justiz.“

https://inteltoday.org/2021/05/11/breaking-news-lockerbie-prosecutor-turned-judge-sends-blogger-to-jail-craig-murray/

https://www.craigmurray.org.uk/archives/2020/04/craig-murray-defence-fund-launched/

https://www.craigmurray.org.uk/?s=lockerbie

https://www.craigmurray.org.uk/?s=libya

https://www.craigmurray.org.uk/?s=Alex+Salmond

“Lockerbie prosecutor-turned-judge sends blogger to jail” [Craig Murray]

---

[1] https://inteltoday.org/2021/05/11/breaking-news-lockerbie-prosecutor-turned-judge-sends-blogger-to-jail-craig-murray/

[2] ebd.

[3] https://www.thetimes.co.uk/article/putin-s-propaganda-v9k5xftn3

[4] https://www.spiegel.de/ausland/schottland-nicola-sturgeon-und-alex-salmond-sind-zerstritten-was-droht-der-snp-a-91a1a4bd-7177-4fa6-9701-3929e818ab74

[5] https://www.spiegel.de/ausland/schottland-nicola-sturgeon-in-salmond-affaere-entlastet-a-8c8e9a20-a02c-4e84-a041-642aef817f15

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden