Die Krokodilstränen der Vereinten Nationen

Libyen Die UN prangert schwere Menschenrechtsverletzungen an... und weitere Nachrichten aus Libyen.

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Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen und die UN-Mission in Libyen (UNSMIL) warnten letzte Woche aufgrund neu entflammter Kämpfe vor vielen Toten sowie vor der Ausführung schwerer Kriegsverbrechen. Es sei bereits zu Folterungen und Exekutionen gekommen, tausende seien auf der Flucht. So schrecklich das Leiden der libyschen Bevölkerung ist, so kann das jetzige Anprangern von Menschenrechtsverletzungen durch die UN doch nur als Heuchelei bezeichnet werden. Denn bereits seit Beginn des Nato-Kriegs 2011 waren und sind schwere Menschenrechtsverletzungen in Libyen an der Tagesordnung, die jedoch von der Weltöffentlichkeit nicht zur Kenntnis genommen werden.

Weiter führt der UN-Bericht aus, dass Libyen von Milizen und Waffen überschwemmt wird. Allein in den letzten zwei Monaten seien in Bengasi mehr 450 Menschen getötet worden (was der durchschnittlichen Todesrate entsprechen dürfte), 90.000 seien auf der Flucht, weitere 9.000 suchten Schutz in öffentlichen Gebäuden und Parks. Auch hier geht der UN-Bericht nicht darauf ein, dass bei den Nato-Bombardements des Jahres 2011 über eine halbe Million Zivilisten den Tod fanden, über drei Millionen Libyer, d.h. fast die Hälfte der Bevölkerung, vertrieben wurde oder ins Exil gehen mussten und dass immer noch 70.000 Gefangene an unbekannten Orten festgehalten werden, die meisten davon in Misrata, Derma und Bengasi. Warum ging im Jahre 2011 kein Aufschrei durch die Medien angesichts dieser Kriegsverbrechen? Gibt es gute Opfer und schlechte Opfer? Und warum fand es in den internationalen Medien keinen Niederschlag, dass seit 2011 Folter, Vergewaltigung und Mord zum Alltag in Libyen gehören?

In dem UN-Bericht steht auch, dass aufgrund von Kämpfen in der westlichen Warshafana-Region eine humanitäre Katastrophe droht. In dieser Region seien mindestens 120.000 Menschen auf der Flucht, die weder ausreichend mit Lebensmitteln noch medizinisch versorgt werden können. Nicht erwähnt wird, dass die „libysche Fadschr“ (Morgenröte), eine islamistische Brigade aus Misrata, den Warshafana-Stamm angegriffen hat, der sich gegen diesen Angriff zu verteidigen versucht. Es sei daran erinnert, dass diese Fadschr-Brigade, die von der vorherigen islamistischen Regierung unterstützt wurde, auch schon für die Vertreibung der schwarzen Bevölkerung aus Tawerga verantwortlich war.

Auch in den Nafusa-Bergen sind 170 Menschen ums Leben gekommen und 5700 Familien befinden sich auf der Flucht. Ihre Gehöfte, Häuser und Geschäfte wurden von der libyschen Fadschr (Morgenröte) zerstört.

Während der UN-Berichts zwar eine insgesamt verbesserte Lage in Tripolis begrüßt, aber weiterhin Journalisten, Aktivisten und Personen des öffentlichen Lebens bedroht, verfolgt und misshandelt sieht, geht der Bericht nicht darauf ein, dass all diese Bedrohungen vom GNC (General National Congress) ausgehen, der von der Moslembruderschaft, Al Sharia, Al Quaida, Isis, LIFG, Libysche Fadschr und sie sonst noch heißen mögen, unterstützt wird. All diesen Kräften hat erst der Westen das Tor nach Libyen geöffnet.

Am 5. Oktober wurde der Leichnam von Al-Tayeb-Isa, dem Gründer des Tuareg Tumsat Fernsehsenders, von Kugel durchsiebt aufgefunden. Sein Auto war in Brand gesteckt worden. Wie er fanden schon zahlreiche Journalisten in Libyen den Tod. Zu den alltäglichen Schikanen und Grausamkeiten gehört auch die Gewalt gegen Menschen, die einen Check-point passieren müssen, sowie Drohungen gegen diese Menschen, bei lebendigem Leibe verbrannt zu werden.

Die Warnungen des UN-Hochkommissars für Menschenrechte an die verantwortlichen Kommandeure und Beamte, für die begangenen oder angeordneten Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen zu werden, da keine Maßnahmen ergriffen würden, diese zu verhindern oder zu bestrafen, sprechen der Tatsache Hohn, dass eben diese Leute, die heute Verantwortung tragen, wegen keiner der vorher von ihnen selbst begangenen Verbrechen einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt waren. Man denke nur an die bestialische Ermordung Muamar Gaddafis und seines Sohnes.

Letztendlich stellt sich die Frage, inwieweit die Vereinten Nationen wirklich willens und fähig sind, bedrohten und leidenden Ländern wie Syrien, Irak, Palästina, Afghanistan oder vielen Staaten Afrikas zu helfen. Es darf auch gefragt werden, wo die großen Gelder des Welternährungsprogramms landen, die nur zu einem Teil bei den Hungernden der Welt ankommen.

Wenn der Westen von Werten spricht, meint er seine Interessen. Doch sollte es wirklich um Werte gehen, müsste heute Gaddafi in Libyen an der Macht sein: Er war noch im Jahre 2011 der Gewinner des von Amnesty International ausgeschriebenen Preises „Held der Menschenrechte“.

Weitere Nachrichten aus Libyen:

Mitte Dezember: In Misrata landete eine Linienmaschine der Turkish Airlines , obwohl alle Flüge aus europäischen Ländern nach Libyen aus Sicherheitsgründen eingestellt wurden. Es stellt sich die Frage, was diese Maschine an Bord hatte. Waffen und Kämpfer lassen sich sicher mit einer Linienmaschine unauffällig transportieren.

15.12.: Heute.de meldet, dass in Libyen heftige Kämpfe um die wichtigsten Ölhäfen des Landes, Al-Sidra und Ras Lanuf, entbrannt sind. Die islamistische „Libysche Fadschr“ (Morgenröte) hätte Angriffe auf die Hafenanlagen gestartet, sei aber durch Angriffe der libyschen Luftwaffe zurückgeschlagen worden.

21.12.: Bernard-Henri Lévy, französischer "Philosoph" und maßgeblicher Kriegstreiber des Jahres 2011, ist heimlich nach Libyen gereist. Er hat sich zunächst in Tripolis mit Khalid al-Sharif, einem islamistischen hardcore Miliz-Kommandeur und anschließend in der Nähe von Sabratha mit Führern der extremistisch-islamistischen Milizen getroffen. Da diese inzwischen große Probleme haben, ihre Stellungen in Libyen zu behaupten, scheinen sie weitere Anweisungen für ihr Vorgehen sowie finanzielle und sonstige Unterstützung durch Levý erhalten zu haben.

26.12.: ZDF, heute.de, meldet, dass nach einem Raketentreffer das größte Öllager des Landes in Al-Sidra in Flammen steht. Die Rakete sei von der islamistischen Miliz „Libysche Fadschr“ (Morgenröte) abgefeuert worden.

27.12.: Das Feuer im größten Öllager Libyens, Al-Sidra, breitet sich immer weiter aus und hat inzwischen fünf von insgesamt 17 Tanks erfasst. Die Löscharbeiten sollen noch eine Woche dauern. Das Personal wurde in Sicherheit gebracht. Durch den Brand sind schwere Umweltschäden zu befürchten. Die Ölfördermenge in Libyen ist aufgrund der Kämpfe auf 352.000 Barrel pro Tag gefallen. Im Oktober waren es noch über 850.000 Barrel. (lt. Dt. Wirtschaftsnachrichten vom 26.12.14) Ein Nebeneffekt: Der Verfall des Ölpreises wurde gestoppt.

30.12.: Mehrere Öltanks von Al-Sidra sind eingestürzt, die UN-Mission in Libyen warnt vor Konsequenzen für Wirtschaft und Umwelt. Mit der Zerstörung dieser wichtigsten Ölhäfen und –lager sind Libyen große Bereiche seiner ökonomischen Grundlagen entzogen.

(Mit Dank an Mohamed Al-Fatah)

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

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