Die Menschenrechtslage in Libyen

Tripolis. Laut einem Bericht von Human Right Watch (HRW) werden in Libyen tausende Menschen länger als ein Jahr ohne Anklage gefangen gehalten.

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Diese weitverbreiteten und systematisch angewandten, willkürlichen Gefangennahmen seien Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Eine vom HRW im September 2015 in vier Gefängnissen in Tripolis und Misrata durchgeführte Untersuchung ergab, dass seit 2011 tausende Personen arrestiert sind, ohne dass Anklage erhoben worden wäre oder die Gefangenen einem Haftrichter vorgeführt worden sind. Die Gefängnisse stehen unter der Kontrolle des Justizministeriums der GNC-Regierung in Tripolis.

Das Ergebnis einer Befragung von 120 Gefangenen erbrachte, dass die Häftlinge Folter, gesundheitsgefährdenden Praktiken und langer Einzelhaft ausgesetzt waren. Unter den Gefangenen befanden sich auch Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.
Die Häftlinge gaben an, mit Plastikstangen, Elektrokabeln, Stöcken und Fäusten geschlagen worden zu sein. Manche sagten aus, man hätte sie stundenlang an Türen und an Decken aufgehängt oder ihnen Elektroschocks verabreicht. Viele der Befragten gaben an, sie seien verdächtigt, Muammar al-Gaddafi unterstützt zu haben. Daneben gab es auch gewöhnliche Kriminelle und Gefangene, die des Terrorismus beschuldigt wurden.

Bereits im Juni diesen Jahres hatte HRW über willkürliche Verhaftungen und den weitverbreiteten Einsatz von Folter in den Gefängnissen berichtet, die im Osten Libyens unter der Kontrolle der international anerkannten Regierung mit Sitz in Tobruk stehen und die Behörden dazu aufgefordert, dem ein Ende zu setzen. Den Verhafteten stünden alle gesetzlichen Rechte zu, einschließlich eines schnellen, fairen und öffentlichen Prozesses.

HRW forderte vom Generalstaatsanwalt in Tripolis die sofortige Freilassung aller Gefangenen, die länger als ein Jahr ohne Anklage festgehalten werden oder deren Gefangenschaft vom Gericht nicht bestätigt wurde. Die Gefängnisse in West-Libyen sollen die dort übliche Folter sofort beenden sowie alle gesundheitsgefährdenden Praktiken einstellen. Der UN-Sicherheitsrat wurde aufgefordert, Druck bezüglich der Einhaltung seiner Libyen-Resolutionen auszuüben. Der Internationale Gerichtshof soll die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen zum Gegenstand einer Untersuchung machen.

Fatou Bensouda ist als Staatsanwältin beim Internationalen Gerichtshofs seit Februar 2011 zuständig für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord in Libyen. Bisher hat sie keine neuen Untersuchungen über die anhaltenden schweren Verbrechen angeordnet. Als Gründe nannte sie die instabile Lage in Libyen und fehlende Ressourcen.

Der UN-Sicherheitsrat nahm im August 2014 die Resolution 2174 an, die die für schlimme Verbrechen in Libyen Verantwortlichen mit Sanktionen wie Reiseverbote und Einfrieren der Guthaben belegt. Tatsächlich aber können die Verantwortlichen mit Straflosigkeit rechnen. Laut HRD sollte der Sicherheitsrat die Realisierung dieser Resolution dringend beschleunigen, da dies dazu beitragen könne, dass sich die Situation in Libyen nicht noch weiter verschlechtert.

Im März 2015 setzte der UN-Menschenrechtsrat eine Kommission ein (Resolution 28/30), die schlimme Menschenrechtsverletzungen und Missbrauchsfälle untersuchen soll. Die im Juli eingesetzte Untersuchungskommission sollte in diese Untersuchung willkürliche Verhaftungen, Folter und gesundheitsgefährdende Maßnahmen in libyschen Gefängnissen miteinbeziehen.
Allerdings ignorieren die in Libyen Verantwortlichen weiterhin die Rechte der Gefangenen. Dazu meint die HRW-Libyen-Expertin Hanan Salah: „Die Behörden, die den Westen Libyens kontrollieren, tun nichts dagegen, dass tausenden Gefangenen seit vier Jahren ihre grundlegenden Rechte verwehrt werden.“

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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