Die Rückkehr der Barbaren

Libyen. Das Land wird von den USA in eine neue heiße Phase des Krieges gegen Neokolonialismus und die Vormacht der USA gerissen. Ein Land im Widerstand.

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Nachdem in den letzten Tagen die USA eine Welle von Luftangriffen auf die libysche Hafenstadt Sirte geflogen haben,veröffentlichte RussiaToday einen Beitrag zu der momentanen politischen Situation. Darin wird auch US-Präsident Obama mit seiner Aussage zitiert, dass der Westen es versäumt habe, nach dem Sturz Gaddafis für Stabilität im Land zu sorgen.[1] Es wurde erklärt, die neuen US-Militäroperationen seien der Beginn eines langen Prozesses zum Aufbau einer funktionierenden Regierung und eines Sicherheitssystems. Auf die Nachfrage einer Reporterin von RT beim US-Außenministerium nach den Strategien der USA in Libyen, sagte deren Sprecher John Kirby, das Ziel der neuerlichen Operationen sei es, die libysche Einheitsregierung zu stärken.

Andere Regierungsvertreter erklärten gegenüber Reuters, die Angriffe seien keine isolierten Luftschläge, sondern bildeten den Auftakt eines längeren Krieges.

All diese Aussagen sind Anlass zu größter Besorgnis. Es ist nicht mehr die Rede vom Kampf gegen den IS, sondern plötzlich soll die ‚libysche Einheitsregierung‘ gestärkt werden. Doch wie stellen sich die USA das vor? Die ‚international anerkannte‘ Sarradsch-Regierung hat keine Hausmacht hinter sich. Ihr Herrschaftsgebiet beschränkt sich auf wenige Quadratkilometer in der Hauptstadt Tripolis. Die dschihadistischen Milizen, ihr ihr nach außen Loyalität zusagten, nutzen die Nähe zur ‚Sarradsch-Regierung‘ einzig, um ihre eigene Macht zu stärken und auszubauen. Die Marionette des Westens Sarradsch ist im Volk mehr als unbeliebt. Libyen versinkt im Chaos und die einfachsten Grundbedürfnisse der Bevölkerung können nicht mehr befriedigt werden. Stromausfälle und Bargeldmangel sowie ausstehende Gehaltszahlungen sind alltäglich.

Dagegen sitzt die Regierung im Osten mit ihrem Präsidenten Agila Saleh und der Libyschen Nationalarmee unter Führung von General Hefter recht fest im Sattel. General Hefter ließ auf einer Pressekonferenz seinen Pressesprecher verkünden, die Luftschläge der USA seien illegal und dienten Wahlkampfzwecken zur Unterstützung von Hillary Clinton. Doch es wären nicht die USA, sondern die Libysche Nationalarmee, die Sirte befreien würde. Washington sei nicht erlaubt, Luftangriffe in Libyen zu fliegen, auch nicht unter dem Vorwand, gegen den IS zu kämpfen.

Dem Grünen Widerstand ist es gelungen, seine Kräfte im Land zu sammeln und neue Allianzen zu schmieden. Seif al-Gaddafi befindet sich in Freiheit. So hat es auch hohen Symbolwert, wenn wieder die Geburtsstadt Gaddafis Ziel der US-amerikanischen Bomben ist, deren Zivilbevölkerung aus Angehörigen seines Stammes besteht. JamahiriyaNewsAgency rief unter der Überschrift „US-UN gestützte ‚Einheitsregierung‘ ist eine kriminelle Vereinigung, die Libyen betrügen will“ zu landesweiten Protesten am Freitag, den 5. August auf. Die Textseite selbst war gestern gesperrt und nicht mehr erreichbar.

Es ist eine freche Verdrehung der Tatsachen, wenn behauptet wird, die USA und der Westen hätten es versäumt, nach dem Sturz Gaddafis für Stabilität im Land zu sorgen. Sie haben mit ihren Bombardements das Land total zerstört, mit der Verfolgung aller Sicherheitskräfte aus Militär und Polizei und der Säuberung aller Verwaltungseinheiten von Gaddafisten den anschließenden totalen Zusammenbruch des Landes herbeigeführt, nebenher wurde al-Kaida im ganzen Land an die Macht gebracht und dem IS Tür und Tor geöffnet. Dies alles wurde mutwillig und bewusst inszeniert!

2011 wurde zunächst mit der Idee gespielt, wieder eine Monarchie zu installieren, die exilierte Königsfamilie stand Gewehr bei Fuß. Allerdings war das den Menschen in Libyen nicht zu vermitteln. Alles, was sie mit der Monarchie verbanden, war Ausbeutung des Landes durch den Westen sowie Armut und Not der Bevölkerung. Ein weiteres Szenario sah eine Dreiteilung des Landes vor. Doch auch wenn Libyen eine Stammesgesellschaft ist, verstehen sich die Libyer in erster Linie ihrer Familie, in zweiter ihrem Stamm, in dritter aber immer noch ihrer Nation verpflichtet und fühlen sich dementsprechend als Libyer, die zusammenstehen und wünschen, dass der Reichtum ihres Landes gerecht auf alle verteilt wird.

Doch von Anfang an gab es einen Plan der USA für Libyen, der um jeden Preis erfüllt werden sollte: Ein souveräner libyscher Staat musste mit allen Mitteln verhindert werden, um die Kontrolle über die Ressourcen zu erlangen und geostrategisch günstige Militärstützpunkte zu errichten.

Dem Westen und seinen Helfershelfern ist es 2014 gelungen, das Wahlergebnis auszuhebeln, indem statt der gewählten säkularen Regierung mit Waffengewalt eine islamistische Moslembruderschaft mit Hilfe von al-Kaida-Milizen im Westen des Landes an die Macht gebracht und so das Land künstlich gespalten wurde. Doch insgesamt sind die Kräfte, die separatistische Wünsche hegen, verschwindend gering gegenüber den nationalen Kräften, die das Land wieder vereinen möchten.

Die jetzt vom Westen installierte sogenannte ‚Einheitsregierung‘ ist der neueste Versuch, die Kontrolle über Libyen zu erlangen. Als Vorbild dient der Irak: Verschanzt hinter Betonmauern soll in einer Green Zone eine Marionettenregierung installiert werden, die durch die westliche Militärpräsenz im Land künstlich an der Macht gehalten wird. Mit Hilfe dieser ‚Regierung‘ soll endlich die Kriegsbeute, sprich Bodenschätze, eingefahren werden. Sind Aufstände des Volkes zu befürchten, ruft die ‚Regierung‘ ausländische Mächte zu Hilfe, die dann wieder ein bisschen bomben und ihre Militärstützpunkte im Land weiter ausbauen dürfen.

Doch eines muss den USA klar sein: Mit den arabischen und islamischen Ländern und deren Menschen haben sie es sich für immer verschissen, egal, welcher politischen Ausrichtung oder islamischen Glaubensrichtung sie angehören. Auch wenn aus nationalen Interessen kurzzeitige Bündnisse geschlossen werden oder die USA in arabischen Ländern wie Libyen vereinzelte Politiker finden, die bereit sind, mit ihnen zu kollaborieren, wissen die Menschen ganz genau, dass dieser Neokolonialismus eine besonders abscheuliche Abart des Rassismus und der Menschenverachtung ist, der die gesamte arabische Welt und mit ihr die Umma al-Islamiya trifft.

Die USA sind nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Sie wissen nicht, was die Stunde geschlagen hat. Dass sich die Völker und die Menschen nach zwei Weltkriegen und der Masse an ungelösten Umwelt- und enormen anderen Problemen danach sehnen, in Frieden und Freundschaft miteinander zu leben, in einem fairen Austausch zu kooperieren und Konflikte auf zivilisierte Art durch Gespräche und Verhandlungen zu lösen.


[1] https://deutsch.rt.com/afrika/39812-neue-us-angriffe-wer-in/

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

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