Die USA werfen wieder Bomben auf Libyen

Libyen. US-amerikanische Luftwaffe fliegt Angriffe auf den IS in Sirte

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Das Pentagon gab am Montag bekannt, dass es erstmals Luftangriffe gegen den IS in Sirte geflogen hat. Dies stellt eine bedeutende Ausweitung des amerikanischen Militäreinsatzes in Libyen dar. Der Pressesprecher des Pentagon, Peter Cook, erklärte, dass die von Sarradsch geführte ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis um diese Luftunterstützung gebeten hätte.

Dies bestätigte Sarradsch in einer Fernseherklärung. Er hätte die USA um Hilfe gebeten, um den lokalen Milizen in Sirte zu helfen. Ausländische Militäreinsätze würden ausschließlich auf den Kampf gegen den IS begrenzt bleiben.

Sowohl der britische als auch der US-amerikanische Vertreter für Libyen äußerten sich positiv über die Luftschläge der ‚internationalen Koalition gegen den IS‘, und auch Italien begrüßte das militärische Vorgehen.

Bei den Luftschlägen, ausgeführt von Flugzeugen und Drohnen, sollen bewaffnete Fahrzeuge des IS einschließlich eines Panzers getroffen worden sein.

Man erinnere sich: Als vor kurzem die Libysche Nationalarmee Luftangriffe auf die dschihadistischen Milizen in Derna flog, bezeichnete Martin Kobler es als Kriegsverbrechen, falls dabei Zivilisten getötet werden sollten. Man darf gespannt sein, ob er dies im Falle Sirte genauso sieht, oder ob es sich dann plötzlich nur um bedauerliche Kolateralschäden handelt.

Die andere große Frage ist, ob Sarradsch überhaupt legitimiert ist, ausländische Truppen ins Land zu holen und fremde Mächte um Luftangriffe zu bitten. Die sogenannte 'Einheitsregierung' ist keine legale Regierung. Sie würde dies erst sein, wenn sie vom Parlament in Tobruk anerkannt wäre, so wie es im Skhirat-Abkommen (Marokko, Dezember 2015) vereinbart war. Da das Tobruk-Parlament die Sarradsch-Regierung aber nicht anerkannt hat, dürften somit die Lufteinsätze der USA völkerrechtlich keine Legitimation besitzen. Auch wenn das die sogenannte ‚internationale Gemeinschaft‘ anders sieht.

Seit Mai dieses Jahres bemühen sich Misrata-Milizen, Sirte vom IS zurückzuerobern. Alle drei Landseiten der Stadt werden im Moment ebenso wie die Seeseite blockiert, um eine Flucht der IS-Kämpfer zu verhindern. Obwohl sich der IS mit Autobomben, Scharfschützen und Sprengfallen zur Wehr setzte, konnten große Teile der Stadt bereits eingenommen werden. Gegenwärtig halten sich vermutlich noch ein paar hundert Kämpfer in der Stadt verschanzt. Sind in dieser Situation US-amerikanische Bomben auf Sirte wirklich das richtige Mittel der Wahl?

Sollten die USA ihre Luftangriffe in Libyen ausweiten, würde dies bedeuten, Obama schlägt ein neues Kapitel im Kampf gegen den IS auf, den die USA seit zwei Jahren im Irak, in Syrien und seit neuestem auch in Afghanistan führen. Bis zum Eingreifen Russlands in Syrien waren dessen Ergebnisse allerdings alles andere als erfolgversprechend. Ob sich der IS mit Luftangriffen überhaupt sinnvoll bekämpfen lässt, darf sehr bezweifelt werden. Und ob die USA wirklich immer nur den IS bombardieren und nicht auch mal andere unliebsame Gegenspieler, ebenfalls.

Die libysche Bevölkerung wird – auch wenn sie dem IS alles andere als positiv gegenübersteht – Bombardierungen durch die amerikanische Luftwaffe kritisch sehen – nach den NATO-Bombenangriffen des Jahres 2011 und dem Elend, das diese über das Land brachten, kein Wunder. Als im Juli nach dem Absturz eines Militärhubschraubers der Libyschen Nationalarmee, bei dem drei französische Soldaten ums Leben kamen, die Militärpräsenz ausländischer Soldaten im Land nicht mehr zu leugnen war, kam es in vielen Städten des Landes zu Demonstrationen gegen die ausländische Truppenpräsenz und die Sarradsch-Einheitsregierung.

Ist dies der wahre Grund für das militärische Vorgehen der USA in Libyen? Wollten die USA noch schnell ins Land, bevor die ‚Sarradsch-Regierung‘ nicht mehr zu halten ist, und somit auch kein Hilfsgesuch um ausländische Militärhilfe mehr erfolgen kann? Allerdings könnte sich der Niedergang der Sarradsch-Regierung durch diesen Schritt noch beschleunigen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

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