Dabei eröffnete die Offenlegung des Twitter-Accounts von Martin Kobler, UN-Sonderbeauftragter für Libyen, wichtige Einblicke in die Zusammenarbeit Koblers mit kriminellen islamistischen Milizenführern.
Nach dem Treffen mit dschihadistischen Anführern in Istanbul twitterte Koblers am 31.3.2016: „Istanbul: Good discussion w/ Abdelhakim Belhaj, Hafed Gaddour, Abdallah Rufadi, Jamal Ashour, Abdelmonah Fageeh to broaden the basis of LPA“ (Gute Diskussion mit Abdelhakim Belhadsch, Hafed Gaddour, Abdallah Rufadi, Dschamal Ashour, Abdelmonah Fagih wegen der Verbreiterung der Basis des LPA / Libyan Political Agreeement: Abkommen, das im Dezember in Skhirat unterzeichnet wurde.)
Und später: „Constructive meeting with abdel hakim belhaj and others in istanbul: urged for peaceful handover of power to the gna.“ (Konstruktive Gespräche mit Abdel Hakim Belhadsch und anderen in Istanbul: Dringlichkeit einer friedlichen Machtübergabe an die gna / Government of National Accord / „Einheitsregierung“).
Neben dem einstigen al-Kaida-Befehlshaber und Kämpfer der LIFG (Libyan Islamic Fighting Group) Abdel Hakim Belhadsch nahmen an dem Treffen in Istanbul folgende islamistische Milizenführer teil: Hafed Gaddour (Koalition der liberalen Kräfte), Rufadi Abdallah (Nationale Front), Dschamal Ashur (Nationale Partei) und Abdel Mona Fageh (Moslembruderschaft). Auch Ali Salabi wurde erwartet, der als führender Kopf der libyschen Moslembrüder gilt.
Wenig überraschend dürfte auch die Ortswahl sein: Das Treffen fand unter den Fittichen des türkischen Präsidenten Erdogan in Istanbul statt.
Hätte sich Kobler nicht dazu hinreißen lassen, auf Twitter mit seinen Gesprächserfolgen zu protzen, wäre das Treffen nicht publik geworden. Doch nun ist offensichtlich, dass es einen geheimen Deal gibt, der den Einfluss der türkisch-katarischen Achse in Libyen mittels der neuen GNA-„Einheitsregierung“ stärken soll.
Einen wichtigen Beitrag dazu leisten die aus dem Ausland eingereisten IS-Kämpfer, die als vorgeschobene Begründung für den Einsatz westlicher Kampftruppen in Libyen herhalten müssen. Völkerrechtlich ist dieser Einsatz aber nur halbwegs akzeptabel, wenn er von einer anerkannten libyschen GNA-„Einheitsregierung“ – der UN-Sicherheitsrat wird dem Einsatz westlicher Truppen in Libyen dank Russland und wohl auch China sicherlich nicht zustimmen – angefordert wird. Bisher fehlt dieser GNA-„Einheitsregierung“ jedoch die Legitimation durch die Anerkennung der Tobruk-Regierung.
Der Oberbefehlshaber des amerikanischen Afrika-Kommandos (Africom), David Rodriguez, erklärte am 8.4.16, dass sich die Zahl der IS-Kämpfer in Libyen im letzten Jahr auf 4.000 bis 6.000 verdoppelt hätte. Er sagte, beim Kampf gegen den IS hänge alles davon ab, wie gut und effektiv libysche Milizen die GNA-„Regierung“ unterstützen. Die USA würden weiterhin Angriffe auf IS-Ziele in Libyen fortsetzen, um ihre US-Einrichtungen und ihr „Personal“ in Libyen zu schützen.
Welche libyschen Milizen zur Unterstützung der GNA-„Regierung“ herangezogen werden, weiß man spätestens seit dem Treffen in Istanbul. So kann mit der Rückenstärkung durch die UN die Moslembruderschaft ungehindert ihre Macht in Libyen weiter ausbauen.
Die USA treiben entschlossen ihr Projekt eines „Neuen Nahen Ostens“ voran, bei dem „kreative Zerstörung als revolutionäre Kraft“ – ein Schlüsselbegriff der „neoliberalen Modernisierer und Neokonservativen“[1] – eingesetzt wird: „Hemmendes soll kaputt gemacht, Hindernisse sollen gesprengt werden, um den US-Einfluss vom Nahen Osten aus über Afghanistan, Pakistan in den südlichen Gürtel Zentralasiens entlang der ehemaligen Sowjetrepubliken auszudehnen. Die USA wollen den Nahen und Mittleren Osten beherrschen, Russland im Süden an seiner empfindlichsten Flanke einkreisen und in den Fernen Osten nach China vorstoßen. Das ist ein globales Projekt.“[2]
Dabei haben die USA ihre Strategie insofern geändert, als dass der Islam nicht mehr bekämpft, sondern mit den Eliten des Islams, sprich Moslembrüder, diese neue Ordnung durchgesetzt werden soll. Sind diese an die Macht gebracht, sollen sie im Gegenzug eine neoliberale Wirtschaftspolitik durchsetzen, dem Westen die Märkte und den Zugang zu den natürlichen Ressourcen öffnen. Dieser mittels innerer islamistischer Kräfte herbeigeführte Regime-Change soll die neokolonialistische Inbesitznahme des Landes verschleiern. Sind die innerstaatlichen islamistischen Kräfte zu schwach, greift der Westen mit Bomben, militärischen Sonderkommandos, privaten Sicherheitsdiensten und Truppen ein, um einen ständisch-feudalistischen, religiös-fundamentalistischen Staat zu implementieren. In Libyen wird zu diesem Zwecke mit einer Monarchie geliebäugelt, unterstützt von der Auflösung des Staates Libyen durch die Dreiteilung des Landes.
Und wenn die Milliarden Dollar an Öleinnahmen auf Privatkonten verschwinden – nun, irgendwie müssen die neuen islamistischen Machthaber ja gekauft werden. Der Westen macht sich wie in so vielen Ländern mit einer von ihr installierten und kontrollierten, korrupten Elite gemein, um seine wirtschaftlichen und globalpolitischen Interessen durchzusetzen.
Kommentare 9
Noch einmal kurz zur Erinnerung: 2014 fanden in Libyen Wahlen statt, bei denen die islamistischen Kräfte eine empfindliche Niederlage erlitten. Statt diese einzugestehen, brachen sie in Tripolis einen blutigen Bürgerkrieg vom Zaun, der die gewählte und international anerkannte Regierung zur Flucht zwang. Heute residiert das gewählte Parlament in Tobruk, während die islamistischen Kräfte des GNC, vom Westen gestützt und hofiert, eine sogenannte „Gegenregierung“ in Tripolis gebildet haben und nun mit Hilfe des UN-Beamten Martin Kobler, dessen Marionettenregierung GNA und ihrer Milizen die politische Macht in Libyen übernehmen wollen.
Vielen Dank, auch hier wieder die Rolle Erdogans und Kobler als deutscher UN Vertreter hat offensichtlich keine Hemmungen alles zu tun, eine IRGENDWIE-Lösung ohne Nachhaltigkeit zu erreichen. .
Die offiziellen Medien bringen leider sehr wenig zu Libyen.
Nach der 'Syrischen Exilregierung' in Istambul jetzt auch eine Libysche? Ja, es gibt da unterschiedliche Perspektiven
http://eurasianews.de/blog/syrien-nur-die-rueckbesinnung-auf-die-aera-des-osmanischen-reiches-kann-dem-land-frieden-bringen/
Das Osmanische Reich oder 'Groß- Ostrom'
Die westliche Strategie ist überall in der Region gescheitert, das einzige Resultat ist der totale Glaubwürdigkeitsverlust der NATO-Staaten. Ohne bzw. gegen Russland und Iran geht im Mittleren Osten nichts mehr, und ich sehe nicht inwiefern das anders sein sollte in Libyen. Würden Moskau und Beijing danebenstehen und zuschauen, wenn tatsächlich Dschihadisten als neue libysche Regierung eingesetzt würden? Wohl kaum.
Könnte es sein, dass es da einen kleinen Deal gibt? Syrien gegen Libyen? Wäre nur eine Vermutung. Vielleicht zieht der Deal auch nicht richtig, das wird die nächste Zukunft zeigen.
An die Möglichkeit hatte ich auch gedacht, glaube aber nicht recht daran, weil Ankara und Co. in Syrien kein nennenswertes Druckmittel mehr haben. Außerdem würden die Europäer dabei trotz Flüchtlingsdeal m.E. nicht mitspielen.
Für Libyen kann man nur hoffen, dass es Gegenkräfte gibt. Allerdings sollte man Macht und Einflussmöglichkeiten Russlands nicht überschätzen. Und auch Russland wird zuerst an sich selber denken.
Sollte sich Syrien stabilisieren können, käme dies sicher Libyen zugute. Das wäre noch ein Staat in der Region, der keine dschihadistischen Einflüsse wünscht.
Das mag sein, dass so ein Deal zwischen Obama|Kerry|Putin ausgehandelt wurde, nur taugt der nur so weit wie der Einfluss der Erstgenannten. Die Obama-Regierung hat zumindest den aufmerksamen Beobachtern offenbart, wie wenig Einfluss eine gewählte US-Regierung auf ihre Außenpolitik hat & wie tief im Sattel die Hard-Core-Freaks sich regierungsunabhängig etabliert haben & ihr eigenes Süppchen kochen.
Die russische Regierung wird sich in Libyen nicht so weit aus dem Fenster lehnen wie in Syrien, kann sie auch nicht. Gaddafis Fehleinschätzung war, den Europäern & insbesondere der französischen Regierung zu ´vertrauen´ bzw. deren Gewaltpotential zu unterschätzen, gleichzeitig eine in deren Interessen konträre Finanz-Politik zu betreiben. Das Tragische ist, dass die knallharte Reaktion darauf sämtliche Terrorkräfte im Nahen Osten stärkte & in Folge so viele Menschen in Tod, Leid & Elend stürzen ließ.
Es wäre sehr wünschenswert, dass die europäischen als auch us-amerikanischen Bürger umfassend über die Hintergründe dieser sog. Revolutionen informiert werden. Danke für Ihre Beiträge in diese Richtung!
Bitte. Gern geschehen. Wir haben Libyen ein paar Mal bereist - vor dem Krieg. Die Menschen dort waren sehr liebenswürdig und wir hatten nur gute Erinnerungen mit nach Hause genommen. Deshalb sind wir über die dortigen Entwicklungen ganz besonders empört und persönlich betroffen.