Empörung über Erdogan-Rede

Libyen/Türkei. Erdogan stellt sich in einer Rede gegen die Souveränität Libyens.

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Anlässlich der Eröffnung des türkischen TRT World Broadcaster Forums am 21. Oktober 2019 in Istanbul sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in einer Rede, die Türkei strebe danach, in Libyen und Syrien die gleichen Rechte wiederzuerlangen, die es während der Zeit des Osmanischen Reiches in diesen Ländern ausübte.

Das Osmanische Reich beherrschte Libyen über Jahrhunderte, von Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1912. Libyen war zu einer Provinz des Osmanischen Reiches geworden, gegen das sich die libyschen Stämme immer wieder in Aufständen erhoben.[1] Erst mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches ging auch dessen Herrschaft über Libyen zu Ende, allerdings wurde der türkische Kolonialismus nur vom italienischen abgelöst.

Die Aussage Erdogans bedeutet nichts anderes, als dass sich Erdogan zu einem neuen ‚Sultan‘ aufschwingen möchte, der Libyen und Syrien zu Provinzen eines neuen türkischen Großreiches macht. Und dies mit Unterstützung weiter Teile der EU.

Doch das politische Blatt hat sich gewendet. Die Türkei steht auf der Verliererseite. Der Regimechange in Syrien ist gescheitert. In Libyen steht die von der Moslembruderschaft mit ihren engsten Verbindungen zu Erdogan getragene ‚Einheitsregierung‘ kurz vor dem Aus.

Der Frust bei Erdogan dürfte beachtlich sein, hatte die Türkei doch sehr viel in den ‚Umbau‘, besser gesagt in die Zerstörung Libyens und Syriens investiert. Seit 2011 kamen Waffen und Kämpfer über die Türkei nach Syrien und Libyen, insbesondere al-Kaida geschulte Milizionäre. In Libyen dienten vor allem der Hafen und Flughafen der Stadt Misrata auf Grund ihrer Bevölkerungsstruktur als Anlaufstationen. In Misrata leben viele Nachkommen der ehemaligen osmanischen Besatzer. Bei den Kämpfen um Tripolis im Jahre 2014 taten sich Misrata-Milizen als besonders blutrünstig und brutal hervor und zogen den Hass der Bevölkerung auf sich.

Außerdem diente die Türkei als wichtiger Treffpunkt für Konferenzen mit Islamisten wie Abdelhakim Belhadsch, wurden dort Pläne geschmiedet, auch für die Ausschaltung und Ermordung von libyschen Offizieren der Gaddafi-Zeit. Der dabei auch anwesende ehemalige deutsche UN-Sondergesandte Martin Kobler war sich nicht zu schade, auf Twitter diese ‚guten Diskussionen‘ zu rühmen, die zum Ziel hatten, die Moslembruderschaft in Libyen an die Macht zu bringen.[2]

Die Türkei war und ist ein sicherer Unterschlupf für Dschihadisten, deren verwundete Kämpfer hier auch medizinisch behandelt werden. Hinter allem steht das Geld aus Katar. Es muss die Türkei sehr schmerzen, dass all diese jahrelangen Bemühungen umsonst gewesen sind und die Träume eines neuerlichen türkischen Großreiches begraben werden müssen.

In einer Pressemitteilung verurteilte die Nationale Bewegung für Libyen (National Movement for Libya/NML) schärfstens die Aussagen Erdogans, dessen Rede sich gegen die Souveränität Libyens gerichtet habe und die abscheulichen Kolonialzeiten wiederbeleben wolle. Die Türkei habe keinerlei Rechte in Libyen. Eine Welle empörten Protestes ging durch ganz Libyen, denen sich hochrangige Vertreter des libyschen Volkes und viele Institutionen anschlossen. Es wurde an den Zusammenhalt aller Libyer appelliert.

Ein Protestbrief erreichte zwischenzeitlich auch den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres.

Der Plan, nachdem die Moslembrüder die politische Macht in Libyen erhalten sollten, um dafür dem Westen genehme Wirtschaftsverträge abzuschließen, darf als gescheitert angesehen werden. Es wird keine neokolonialistische Inbesitznahme Libyens geben. Wir schreiben bald das Jahr 2020.

[1] https://www.freitag.de/autoren/gela/osmanische-herrschaft-in-libyen

[2] https://www.freitag.de/autoren/gela/dschihadisten-sollen-in-libyen-an-die-macht

https://almarsad.co/en/2019/10/23/national-movement-for-libya-erdogans-speech-violates-libyas-sovereignty/

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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