Endloser Krieg oder dritter Kandidat?

Libyen/Krieg. Unter dem Titel "Wird Libyens Bürgerkrieg nie enden ... oder wird er es doch?" zeigt ein Artikel in "TheDuran" einen Ausweg aus der libyschen Krise: Der dritte Kandidat.

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Im Vorspann des Artikels von Richard Galustian heißt es:
- „Dieser Krieg kann niemals enden, solange nicht die Muslimbruderschaft von der politischen Szene Libyens verbannt ist“
- „Um den Konflikt endgültig zu beenden, muss sofort ein dritter Konsenskandidat gesucht werden, egal ob Mann oder Frau, der sowohl für Sarradsch als auch für Haftar akzeptabel ist und dem sich beide fügen.“

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Letzte Woche begann der UN-Sondergesandte für Libyen, Ghassan Salamé, seinen Bericht vor den Vereinten Nationen mit der Feststellung, dass der bewaffnete Konflikt in Libyen nicht an Intensität verliere. Er fügte hinzu: „Der Krieg um Tripolis hat bisher fast 1100 Tote gefordert, darunter 106 Zivilisten. Hunderttausende Menschen sind infolge der Kämpfe aus ihren Häusern in der Hauptstadt und den angrenzenden Bezirken geflohen. Zehntausende überqueren die Grenze nach Tunesien auf der Suche nach Sicherheit für ihre Familien. “

Weiter konstatierte Salamé, dass mehr als 100.000 Männer, Frauen und Kinder unmittelbar den Kämpfen ausgesetzt und mehr als 400.000 in Gebieten leben, die ebenfalls vom Kampfgeschehen betroffen waren. Der Bürgerkrieg habe die Lebensbedingungen verschlechtert und den Zugang zu Nahrungsmitteln, medizinischer Versorgung und anderen lebensrettenden Diensten behindert.

Die beiden sich bekämpfenden Parteien hätten Aufrufe zur Deeskalation ignoriert und den Einsatz von bewaffneten Drohnen für präzise Luftangriffe intensiviert. Waffenhilfe erhielten in fast gleichem Umfang inzwischen beide Kampfparteien. Während Sarradsch in Tripolis, unterstützt von der Moslembruderschaft, von der Türkei Hilfe erhält, wird Feldmarschall Khalifa Haftar und die LNA im Osten von den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten und Frankreich unterstützt.

Der Westen scheine bewusst eine Politik zu betreiben, in der das militärische Gleichgewicht beider Seiten aufrechterhalten und so der Konflikt verlängert wird. Warum das so sei? Dies sei anderweitig zu erörtern.

Das gewaltsame Vorgehen greife auf immer mehr Gebiete über. Am 26. Juli griffen die Streitkräfte der Sarradsch-Regierung den Hauptstützpunkt der Haftar-LNA in der Region Dschufra an. Als Vergeltungsmaßnahme flogen Haftars Streitkräfte am 27. Juli Luftangriffe auf einen Luftwaffenstützpunkt der ‚Einheitsregierung‘ in Misrata.

Beide Seiten rekrutierten vermehrt ausländische Söldner, setzten aber auch schwere Waffen ein und führten Bodenangriffe durch. Die Streitkräfte beider Seiten verstießen gegen das humanitäre Völkerrecht.

Ein besonders tragisches Beispiel sei der Luftangriff am 2. Juli auf ein Internierungslager für Migranten in Tadschura gewesen, bei dem 53 Menschen getötet und mindestens 87 verletzt wurden, darunter auch Kinder. Kaum fassbar, dass dieser Angriff erfolgte, nachdem die Vereinten Nationen nach einem früheren Zwischenfall im Mai die genauen Koordinaten des Tadschura-Migrantenlagers und anderer solcher Lager den Kriegsparteien mitgeteilt hatten. Zwar sei die Mehrheit der Todesfälle auf den Luftangriff zurückzuführen, ein Teil der Opfer wurde aber von Bewachern des Lagers erschossen, als sie versuchten, vor den Bomben zu fliehen. Und obwohl sich die Vereinten Nationen bemühten, die Behörden bei der Unterbringung der Migranten an anderen Orten zu unterstützen, wurden mehr als 200 Migranten in eben jene bombardierte Einrichtung zurückgebracht.

Salamé erklärte: "Die Tragödie vom 25. Juli, als bis zu 150 Migranten im Meer starben, zeigt erneut die dringende Notwendigkeit, sich mit den Hauptursachen des Migrantenproblems und dem damit verbundenen Leid zu befassen."

Haftars LNA behaupte, dass sie ihre Angriffe nicht stoppen werden, bis Tripolis erobert ist, während Sarradschs ‚Einheitsregierung‘ darauf besteht, dass ihre Streitkräfte die LNA nach Ostlibyen zurückdrängen werde.

Doch Libyens Gegenwart und Zukunft dürften von den beiden Kriegsparteien nicht als Geiseln genommen werden.

Libyen sei heute ein Land, in dem der Westen neue militärische Technologien erprobt und alte Waffen recycelt. Alleine das sei schon ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Bewaffnete Drohnen, gepanzerte Fahrzeuge und mit schweren Maschinengewehren ausgerüstete Pick-ups, rückstoßfreie Gewehre, Mörser und Raketenwerfer seien erst vor kurzem von skrupellosen Staaten aus reinem Eigeninteresse nach Libyen gebracht worden.

Ohne die bedingungslose Zusammenarbeit aller UN-Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des über Libyen verhängten Waffenembargos gemäß Resolution 2473 des UN-Sicherheitsrats werden die Waffenlieferungen nach Libyen diesen unnötigen Konflikt weiter anheizen.

Der IS könne das Sicherheitsvakuum, das durch den Konflikt in und um Tripolis entstanden ist, in den abgelegenen zentralen und südlichen Regionen des Landes zu seinen Gunsten nutzen.

Noch besorgniserregender seien Anzeichen, dass Waffenarsenale, die aus dem Ausland an die eine oder andere Seite geliefert wurden, in die Hände terroristischer Gruppen fallen oder an diese verkauft werden. Indem sie sich an den Kämpfen beteiligten, versuchten extremistische Gruppen sich für den Erhalt von Waffen zu legitimieren. Dies könne nicht nur für die Sicherheitsinteressen der Libyer, sondern auch für Libyens Nachbarn und sogar für den internationalen Frieden verheerende Folgen haben.

Die Existenz zweier paralleler Ölfirmen, eine im Osten und eine im Westen, die beide unter dem Namen National Oil Corporations (NOC) firmieren und Öl verkaufen, führe zu erheblichen Verwirrungen. Es bestehe die dringende Gefahr, dass Öl zur Waffe wird, eine Entwicklung, die für die libysche Wirtschaft katastrophal wäre.

Seit Beginn der Feindseligkeiten werde eine Zunahme bei Entführungen und willkürlichen Verhaftungen verzeichnet. Am 17. Juli wurde die gewählte Parlamentarierin Siham Sergewa von einer unbekannten Gruppe, die Haftar nahestehen soll, gewaltsam aus ihrem Haus in Bengasi entführt. Ein großer PR-Fehler, auch wenn es Haftar nicht persönlich trifft. Siham Sergewa müsse sofort freigelassen werden und die für ihre Entführung Verantwortlichen müssten von Haftar zur Rechenschaft gezogen werden. Nur so könne Haftar den Eindruck vermeiden, er befürworte diese Tat.

Laut Salamé tragen die Vereinten Nationen eine besondere Verantwortung, dass Libyen der seit 1951 vereinte Staat bleibe, und nicht in schwache und instabile Teile zerfalle. Allerdings machten Salamé und die Vereinten Nationen einen großen Fehler. Ihre unzähligen Lösungsversuche, die den Bürgerkrieg beenden sollten, funktionierten allesamt nicht und würden auch nie funktionieren. Wann würden sie das endlich einsehen? Notwendig sei eine pragmatische Sicht auf die wahre Situation in Libyen, und keine Plattitüden oder „diplomatischen Sätze“, allesamt eine bedeutungs- und sinnlose UN-Sprache.

Anders ausgedrückt: Die beiden Seiten hätten sich in eine Sackgasse verrannt, aus der sie nicht mehr herauskommen, sollte kein dritter Weg gefunden werden.

Es müsse ein neuer Kandidat gesucht werden, der sowohl für Haftar als auch für Sarradsch akzeptabel sei. In Libyen kursierten viele Gerüchte, wonach allen Konfliktparteien ein akzeptabler dritter „Kandidat“ bekannt ist. Über diesen dritten Weg werde sowohl in Tripolis und Tobruk als auch in London, Washington und Moskau diskutiert und laut bestimmten Quellen befinde sich der Kandidat in Wartestellung. Warum er oder sie nicht aus der Deckung kommt, sei unklar; eventuell auf Betreiben einer der Großmächte oder der UNO selbst oder aus Sicherheitsgründen werde sein/ihr Erscheinen noch verzögert.

Sollte diese Person tatsächlich existieren und sollte sie auf den Rückhalt bei der libyschen Bevölkerung zählen können, sei es an der Zeit, die diplomatische Etikette beiseite zu legen und alle Anstrengungen zu unternehmen, um diese Alternative zu unterstützen ... dann wird der Krieg enden und das libysche Volk endlich wieder Frieden finden.

https://theduran.com/libyas-never-ending-civil-war-or-is-it/

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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