Ernennung eines UN-Sondergesandten überfällig

Libyen. Sputnik-Interview mit dem Sondergesandten des libyschen Parlaments Aref Ali Nayed zur aktuellen Situation in Libyen.

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Der Posten des UN-Sondergesandten für Libyen ist seit dem Rücktritt des frustrierten Ghassan Salamé im März 2020 unbesetzt und wird von der ehemaligen Salamé-Stellvertreterin, der US-Diplomatin Stephanie Williams, stellvertretend ausgeübt.

Der Sondergesandte des libyschen Parlaments bei den USA, Großbritannien, der EU und der Afrikanischen Union, Aref Ali Nayed, meinte dazu in einem Sputnik-Interview, dass die Verzögerung bei der Ernennung eines neuen UN-Sondergesandten für Libyen die Aussichten auf Frieden in dem vom Krieg zerrissenen Landes zunehmend gefährde.

Nayed: „Diese Ernennung sollte eine rein professionelle und technokratische Entscheidung des [UN-] Generalsekretärs [Antonio Guterres] sein. Leider wurde sie zum Spielball internationaler Politik und zum Inhalt von Intrigen“. Die Libyer würden als Afrikaner einen Afrika-Experten als neuen Sondergesandten begrüßen. Libyen brauche mehr afrikanisches Engagement, um den blutigen Bürgerkrieg zu beenden und Frieden zu schaffen. „Auch glauben wir, dass die Arabische Liga und die gegenseitigen arabischen Verteidigungsabkommen dringend zum Einsatz kommen sollten. Vielleicht wird die Entscheidung des ägyptischen Parlaments, für die Souveränität und Unabhängigkeit Libyens einzutreten, zu mehr arabischem und afrikanischem Engagement führen“.

Nayed weiter: „Tatsache ist, dass die Türkei, die auf illegale Art und Weise, d.h. ohne Zustimmung des Parlaments, von der ‚Einheitsregierung‘ ins Land geholt wurde, zwei existenzbedrohende Dinge tat. Erstens brachte die Türkei fast 16.000 Kämpfer, von denen viele al-Kaida- und IS-Mitglieder sind, nach Libyen. Zweitens beanspruchte die Türkei in sehr arroganten Bekanntmachungen und Reden ihres Verteidigungsministers und anderer Beamter die totale Hegemonie über Libyen und seine Ressourcen.“

Seitdem die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis Ende 2019 während des Machtkampfes mit dem libyschen Parlament und der LNA die Türkei um Hilfe ersuchte, werde sie von der Türkei umfassend militärisch unterstützt. Berichten zufolge plane Ankara auch die Einrichtung von zwei ständigen Militärstützpunkten in Libyen. Dem libyschen Parlament sei daher keine andere Wahl geblieben, als Ägypten um Hilfe zu rufen.

Nayed: „Die Aussichten auf einen größeren Konflikt zwischen Ägypten und der Türkei auf libyschem Boden sind keine Kleinigkeit und inzwischen greifbar nahe. Das libysche Parlament und unsere angesehensten Stammesältesten und sozialen Führer haben in Ägypten um eine direkte Intervention gebeten, nicht weil sie Krieg, sondern weil sie Frieden wollen.“

Die Rede des türkischen Verteidigungsministers Hulusi Akar Anfang des Monats in Tripolis, werde als Beweis dafür gewertet, dass man es mit „einer neuerlichen osmanischen Besatzung“ zu tun hat.

„Deshalb sind sich das libysche Parlament und die sozialen Führer einig in ihrer Bitte um eine direkte ägyptische Intervention, die sich gegen die türkische Besatzung richtet. Das ist natürlich sehr gefährlich, aber die arrogante türkische Aggression ließ uns keine andere Wahl“, so Nayed.

Letzte Woche erteilte das in Tobruk ansässige libysche Parlament den ägyptischen Streitkräften die Erlaubnis, in Libyen zu intervenieren, sollte eine unmittelbare Bedrohung der nationalen Sicherheit beider Staaten gegeben sein. Das ägyptische Parlament gab am Montag grünes Licht für einen möglichen Auslandseinsatz seiner Streitkräfte.

https://sputniknews.com/africa/202007221079951060-delay-in-appointment-of-un-envoy-hurts-libyas-peace-prospects---tobruk-parliament-envoy/

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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