Flugzeugabsturz in Mali: War es ein Abschuss?

Flug AH 51017 - Könnte es sich bei dem Flugzeugabsturz einer algerischen Linienmaschine in Nordmali um einen Abschuss durch Rebellen gehandelt haben?

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Alle Welt spricht vom Flugzeug-Absturz über der Ostukraine. Es werden ebenso abstruse wie plausible Thesen über den Hergang und die Ursache des Absturzes aufgestellt und erbittert diskutiert. Doch merkwürdigerweise interessiert sich kaum jemand dafür, was mit Flug Nr. AH 5017 der Air Algérie auf dem Weg von Ouagadougou in Burkina Faso nach Algier geschah. An Bord befanden sich 116 Insassen, unter ihnen die Nichte von Fidel Castro. Keiner der Insassen hat überlebt. Der Absturz dieser Maschine, die Air Algérie von der spanischen Swift-Air für den Flug AH 5017 geleaest hatte, wirft erhebliche Fragen auf. Das Desinteresse der Medien liegt sicher hauptsächlich daran, dass sich dieser Absturz nicht politisch ausschlachten lässt wie es in der Ostukraine der Fall ist. Daneben handelt es sich bei dem Absturzgebiet um eine recht unwirtliche Gegend, die kaum von Fremden bereist wird, wobei sich nach Ausbruch der Kämpfe zwischen Tuareg beziehungsweise Islamisten und der malischen Zentralregierung beziehungsweise Frankreich wohl überhaupt keine Touristen mehr in Nordmali aufhalten. Da wir einige der wenigen Personen sein dürften, die Nordmali und das Absturzgebiet vor einiger Zeit bereisten und wir dadurch unter anderem mit den geografischen Gegebenheiten gut vertraut sind, fielen uns bei der gegenwärtigen Berichterstattung beträchtliche Ungereimtheiten auf.

Zum Ersten stellt sich die Frage, warum erst nach etwa 24 Stunden bekannt gegeben wurde, dass Flug AH 5017 vermisst wird. Gemeldet wurde der Absturz am 24. Juli durch den Commander der UN-Mission in Mali, Brigadegeneral Koko Essien (Spiegel-Online, 24.7.2014). Brigadegeneral Essien gab an, die Absturzstelle läge zwischen Gao und Tessalit, also inmitten des Rebellengebietes von Nordmali. Ebenfalls meldete sich der algerische Ministerpräsident zu Wort und ortete das Verschwinden des Flugzeugs etwa 500 Kilometer von der algerischen Grenze entfernt, also in einem saharischen Dünengebiet. Des Weiteren wurde ein Mitarbeiter von Air Algérie zitiert, der angab, dass die Piloten der abgestürzten Maschine kurz vor dem Abbruch des Kontakts aufgefordert worden seien, ihren Kurs zu ändern, um eine Kollision mit einem anderen Flugzeug wegen schlechter Sicht zu vermeiden. (Spiegel-Online 24.7.2014).

Und nun beginnen die Ungereimtheiten: Wie ist es möglich, bei einem Nachtflug (Start in Ouagadougou um 0:45 Uhr, vorgesehene Ankunftszeit in Algier 4:40 Uhr, vermisst ab etwa 1:35 Uhr) von schlechter Sicht zu sprechen? In der Dunkelheit der Nacht kann von Sicht überhaupt keine Rede sein. Möglich – wenn auch um diese Jahreszeit unwahrscheinlich – wäre es, dass es in dieser Wüstenregion einen Sandsturm gegeben hat. Darüber müssten Satellitenbilder und Wetteraufzeichnungen Aufschluss geben. Sehr unwahrscheinlich scheint es zu sein, dass in diesen Wüstengegenden so starke Gewitter und Regenfälle herrschten, dass diese einen Flugzeugabsturz verursachen konnten. Gleich nach den ersten Pressemeldungen über das Verschwinden der Maschine meldeten sich Piloten zu Wort, die es als extrem unwahrscheinlich bezeichneten, dass heutzutage schlechte Wetterbedingungen zu einem Flugzeugabsturz führen könnten.

Und gleich die nächste Ungereimtheit: Als Absturzstelle wurde zwei Tage nach den ersten Meldungen nicht mehr als ein Wüstengebiet zwischen Gao und Tessalit etwa 500 Kilometer von der algerischen Grenze entfernt bezeichnet, sondern plötzlich wird als Fundort der Maschine die Region Gourma angegeben: Die Maschine soll bei dem Ort Gossi abgestürzt sein. Bei der weit südlicher in Mali gelegenen Gourma-Region handelt es sich nun aber keineswegs um ein Wüsten-, sondern um ein Sahelgebiet, d.h. es ist der Übergangsgürtel zwischen Wüsten- und fruchtbarem Gebiet, in dem Savannenlandschaft mit Baum- und Strauchbewuchs vorherrscht und Hirse angebaut wird. Wir lernten dieses Gebiet kennen als wir uns vor einigen Jahren bei einer Safari auf die Suche nach den letzten wirklich frei, das heißt außerhalb von Nationalparks, lebenden Elefantenherden machten. Aus einem Sahelgebiet scheinen auch die verwackelten Fotos von verschmorten Metallteilen zu stammen, die augenblicklich in den Medien präsentiert werden. Doch handelt es sich hierbei wirklich um Reste der Maschine von Flug AH 5017? Größere Flugzeugteile wie bei einem durch Unwetter verursachten Absturz zu erwarten wären, wenn die gesamte Maschine am Boden aufschlägt, sind nicht erkennbar. Stammen die Bilder vielleicht von Wrackteilen, die in dieser Gegend nach den letzt jährigen Kämpfen zwischen Rebellen und Militär übrig geblieben sind? Auch sieht auf den präsentierten Bildern das Gebiet trocken aus, das heißt keine Regenpfützen oder sonstige Hinweise auf starke Gewitter, Unwetter oder Regenfälle, die zu dem Absturz geführt haben sollen, sind erkennbar.

Und weiter mit den Ungereimtheiten: Der angegebene Fundort des Flugzeugs bei Gossi ist nur etwa 400 Kilometer von Ouagadougou entfernt. Das Flugzeug soll aber erst nach 50 Minuten von der Bildfläche verschwunden sein. Geht man davon aus, dass die Gesamtflugzeit in das knapp 3000 Kilometer entfernten Algier etwa vier Stunden betragen hätte, dann dürfte Flug AH 5017 nach fünfzig Minuten etwa 650 Kilometer zurückgelegt haben und keineswegs erst 400 Kilometer – und hierbei ist noch nicht einmal der zeitintensive Landeanflug in Algier berücksichtigt. Hätte die Maschine aber tatsächlich 650 Kilometer oder auch etwas mehr zurückgelegt, würde durchaus eine Absturzstelle wie zuerst angegeben zwischen Gao und Tessalit im nördlichen Wüstengebiet Malis, 500 Kilometer von der algerischen Grenze entfernt, in Frage kommen.

Es stellt sich nun die Frage, warum die Absturzstelle des Fluges um etwa 250 bis 300 Kilometer von Norden nach Süden verlegt wurde. Könnte es sein, dass es die Wettergegebenheiten in den trockenen Wüstengebieten des Nordes einfach nicht hergeben, dass man als Grund für den Absturz starke Unwetter angibt? Wollte man damit gleichzeitig vermeiden, dass sich die Unglücksstelle als mitten in den Rebellengebieten von Tuareg und Islamisten verorten lässt? Könnte es sich um einen Zusammenstoß des Zivilflugzeugs mit einer in diesem Gebiet operierenden französischen Militärmaschine gehandelt haben? Sollte erst gar nicht die Vermutung aufkommen, dass auch ein Abschuss des Flugzeugs durch diese Rebellengruppen als Absturzursache in Frage kommt? Es ist bekannt, dass beim Sturz Gaddafis von den in Gaddafis Armee dienenden Tuareg Flugabwehrraketen in den Norden Malis gebracht wurden. Wäre es denkbar, dass die Rebellen auf eine französische Militärmaschine zielten und versehentlich das zivile Flugzeug der algerischen Airline trafen? Oder hatten es Rebellen sogar auf ein ziviles algerisches Verkehrsflugzeug abgesehen? Schon lange wird über den Krieg im Norden Malis der Mantel des Schweigens gehüllt. Doch so weit man durchsickernden Informationen glauben kann, ist das französische Militär weit davon entfernt, die Situation dort unter Kontrolle zu haben. Und nicht zuletzt die Frage: Wieso konnte die Absturzursache so schnell ermittelt und in den Medien verbreitet werden – noch bevor Wrackteile gesichert und die Flugschreiber ausgewertet wurden?

Woran liegt es, dass solche Fragen, die in der Ostukraine den Konflikt zwischen Rebellen und Kiew immer weiter aufheizen, bei dem Flugzeugabsturz in Mali nicht einmal gestellt werden?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

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