Hoffen auf die libysche Nationalarmee

Libyen/Tripolis. Eine kriegsmüde Bevölkerung, ein gespaltener UN-Sicherheitsrat und Drohungen von extremistischen Mitgliedern der ‚Einheitsregierung‘.

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Am Donnerstag gab die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bekannt, dass seit Beginn der militärischen Auseinandersetzungen in Tripolis 205 Menschen getötet und 913 verletzt wurden.

Der tunesische Innenminister Hichem Fourati sagte am Mittwoch, dass die Grenzkontrollen erhöht werden. Am Grenzübergang Ras Dschedir werde jedes Fahrzeug kontrolliert und Pässe auf ihre Echtheit geprüft.
Der tunesische Verteidigungsminister Abdelkareem Zubaidi sagte, dass am Dienstag 13 französische Staatsbürger, die bewaffnet waren, am Grenzübergang Ras Dschedir nach Tunesien eingereist sind. Die französische Botschaft in Tunesien erklärte, es handle sich dabei um Sicherheitsbeamte, die für den Schutz der Botschaft zuständig seien.
Zubaidi sagte auch, zwei Schlauchboote mit elf bewaffneten Europäern verschiedener Nationen, ausgestattet mit diplomatischen Pässen, hätten am Mittwoch versucht, Libyen über das Mittelmeer in Richtung Tunesien zu verlassen. Sie seien festgesetzt worden.

Der italienische Innenminister Matteo Salvini sagte, es sei seine Pflicht zu verhindern, dass Boote aus Libyen in italienischen Häfen anlegen. Die Kämpfe in Libyen ermöglichen es Terroristen, sich in den Flüchtlingsbooten unter die Migranten zu mischen.

Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian rief am Mittwoch zu einem Waffenstillstand in Libyen auf. Ein Dialog sollte rasch wieder aufgenommen werden, um eine politische Lösung des Konflikts zu erreichen.

In der Nacht zum Mittwoch schlugen Treffer in den Stadtviertel Abu Salim und al-Intisar ein. Dabei wurden auch Zivilisten getötet und verwundet. Die ‚Einheitsregierung‘ beschuldigte die libysche Armee (LNA) dafür verantwortlich zu sein.
Daraufhin erklärte der Armeesprecher al-Mismari, die Armee habe keine Luftschläge auf Gebiete innerhalb Tripolis durchgeführt. „Unser Ziel ist nicht, Zivilisten zu töten oder zu terrorisieren", sagte er am Mittwochabend auf einer Pressekonferenz. „Wer die Raketen gestern abgefeuert hat, wollte die öffentliche Meinung gegen das Generalkommando der LNA aufbringen.“ Man wüsste, dass terroristische Milizen der Hauptstadt für das Abfeuern von Grad-Raketen und RPGs vom Stadtrand aus verantwortlich sind. Die Täter seien bekannt und würden zur Verantwortung gezogen.
Er sagte auch: „Wir wissen, dass eine große und entscheidende Schlacht bevorsteht. Daher ergreifen wir alle Maßnahmen, um diese Aufgabe erfolgreich zu erfüllen, genauso wie wir alles dafür tun, um das Leben von Zivilisten sowie öffentliches und privates Eigentum zu schützen.“

Die libysche Armee (LNA) gibt bekannt, dass Flugzeuge aus Misrata „Bombenanschläge auf Zivilisten in der Stadt Gharian geflogen haben“.

Laut Arab Weekly erklärte die libysche Armee, dass sie sich auf südliche und südöstliche Gebiete von Tripolis konzentriere. Dies gehöre zu einer Strategie, die Kämpfe aus den Wohngegenden von Tripolis heraushalten soll. Wichtig sei es, die Straße zwischen Tripolis und Misrata zu schließen, um den Zustrom von Waffen und Kämpfern aus Misrata zu stoppen.“

Nachdem der Tamanhint-Luftwaffenstützpunkt, der unter Kontrolle der libyschen Armee (LNA) steht, am Donnerstag von Bewaffneten angegriffen worden war, hat die libysche Armee (LNA) die Luftwaffenbasis wieder komplett unter ihrer Kontrolle gebracht.
Bei dem Angriff wurden mindestens zwei Menschen getötet und mehrere verletzt. Der Luftwaffenstützpunkt, der in der Nähe der Stadt Sebha (750 km südlich von Tripolis) liegt, ist der größte in Südlibyen. Lokale Medien berichteten, bei den Angreifern habe es sich um Milizen der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis gehandelt, während sich zwischenzeitlich der IS zu dem Angriff bekannte.
Wobei das eine das andere nicht ausschließt. Die Extremisten schließen ihre Reihen.

Die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis droht mit der Freilassung von Gefangenen. In Gefängnissen zwischen Tripolis und Misrata seien etwa 400 Terroristen des IS gefangen, die fliehen könnten.
Es geht dabei vor allem um das Gefängnis auf dem Mitiga-Flughafen, in dem tausende Gefangene festgehalten werden, viele davon ohne jemals einen Anwalt gesehen oder einem Gericht vorgeführt worden zu sein. Das Gefängnis wird von der islamistischen Abschreckungsmiliz Rada bewacht, die mit dem ‚Innenministerium‘ der ‚Einheitsregierung‘ verbündet ist.

Der stellvertretende Ministerpräsident der ‚Einheitsregierung‘, Ahmed Miitik (Maitiiq), droht mit einem 30-jährigen Bürgerkrieg, dem Wiedererstarken des IS und der Zerstörung des Landes. Die ‚internationale Gemeinschaft‘ dürfe keine Verhandlungen mit General Hafter, Oberkommandierenden der libyschen Armee (LNA), aufnehmen.
Miitik, der als extremistischer Moslembruder gilt und sich 2011 in Misrata beim Kampf gegen die libysche Armee hervor tat, demaskiert sich mit solchen Aussagen selbst und zeigt, welch Geistes Kind er ist.

Gerade wurde bekannt, dass Miitig den Milizenführer Haithem Tadschouri in einem Krankenhaus in Tunis besuchte, wohin Tadschouri nach einer Schussverletzung, die er sich bei den Kämpfen in Tripolis zugezogen hatte, behandelt wird. Tadschouri befehligte die islamistische Miliz Tripoli Revolutionaries‘ Brigade, eine der stärksten Milizen der Stadt, die auch dem radikal-islamistischen Bündnis des Libya Dawn angehörte. Von Heise.de wurde Tadschouri als „ gangsterähnliche Figur“ bezeichnet.

Der UN-Sicherheitsrat, bei dem Deutschland derzeit den Vorsitz innehat, ist über die Libyen-Krise zerstritten. Großbritannien hatte einen Resolutionsentwurf vorgelegt, in dem eine sofortige Waffenruhe gefordert wird. Der Entwurf stieß aber bei Russland auf Ablehnung, da er General Hafters Offensive als Bedrohung für die Stabilität Libyens bezeichnete.
Großbritannien legte daraufhin eine entschärfte Version des Entwurfs vor. Dieser wurde aber von den drei afrikanischen Staaten im Sicherheitsrat - Äquatorialguinea, Elfenbeinküste und Südafrika - blockiert. Die drei afrikanischen Länder bestanden darauf, dass auf eine Erklärung der Afrikanischen Union verwiesen wird, die besagt, dass alle in Tripolis kämpfenden Parteien Zivilisten, einschließlich Migranten und Flüchtlinge, gemäß den von der AFP vorgelegten Dokumenten schützen müssen.
Endlich zeigen auch einmal die afrikanischen Staaten Zähne, während Großbritannien mit seiner derzeitigen Politik in der Beliebtheitsskala der Libyer auf einen der letzten Plätze gerückt sein dürfte.

In einem Bericht von MiddleEastEye heißt es, die Einwohner von Tripolis hätten Angst, dass die Tripolis-Milizen mit Hilfe der Misrata-Milizen gewinnen könnten und die Misrata-Milizen anschließend in der Stadt verbleiben. Nicht vergessen ist, welche Schreckensherrschaft die Misrata-Milizen in Tripolis ausübten. Zum Beispiel eröffneten in Tripolis im November 2013 Misrata-Milizen das Feuer auf friedliche Demonstranten, die gegen die Gewaltherrschaft der Milizen demonstrierten. Es wurden 47 Zivilisten getötet und über 460 Menschen verletzt.
Auch nicht vergessen sind die Vorgänge im Bürgerkrieg 2014 als Misrata-Milizen den internationalen Flughafen von Tripolis einnahmen. Dabei wurde ein riesiger Öltank in Brand geschlossen, was zu einer Umweltkatastrophe führte. Damals posierte der Misrata-Milizenführer vor dem brennenden Flughafen und dankte Allah. Fotos zeigten Misrata-Kämpfer auf dem Flughafengelände und einen nagelneuen Airbus, dessen Tragflächen von Schüssen durchlöchert waren. Bei den Bewohnern von Tripolis kamen diese Bilder nicht gut an, ebenso wenig die Beteiligung der Misrata-Milizen bei der Installation des sogenannten National Salvation Government (2014-2016) in Tripolis, nachdem das gewählte Parlament in den Osten geflohen war.

Die Misrata-Milizen wissen, wie verhasst sie in Tripolis sind. Diese Miliz nun wieder in der Stadt zu wissen, wird die große Mehrheit der Bewohner, die mit hartgesottenen Islamisten und dschihadistischen Milizen überhaupt nichts am Hut hat, noch mehr dazu veranlassen, die libysche Armee mit offenen Armen zu empfangen, besonders in den Gegenden, wo die Einheitsregierung 2015 Aufstände gnadenlos niederschlagen ließ. Auch wenn sich das heute noch nicht jeder offen zu sagen traut.

Es wird darauf gehofft, dass wieder eine Zeit einkehrt, in der die Institutionen in Tripolis vereint sind und in Sicherheit ihrer Arbeit nachgehen können. Die Zeit, wie es unter Gaddafi war, ist nicht vergessen, und viele hoffen, dass nicht nur Frieden einkehrt, sondern das Land wieder aufgebaut und in eine gute Zukunft geleitet wird.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

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