Interview mit Anwalt v. Saif al-Islam Gaddafi

Libyen. Professor al-Zaidi äußert sich zu der Freilassung des Gaddafi Sohns, berichtigt kursierende Gerüchte und gibt eine Einschätzung der Situation

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Nachdem Behörden der Stadt Zinten die Bestätigung verweigert haben, dass Saif al-Islam aus der Gefangenschaft entlassen worden ist, veröffentlich JamahiryaNewsAgency ein Interview mit Professor Khaled al-Zaidi, einem Rechtsbeistand Saif al-Islams.[1]

Darin sagt Prof. al-Zaidi, dass sich Saif al-Islam Gaddafi an einem sicheren Ort innerhalb Libyens befinde, der aber nicht genannt werden könne, um das Leben Saif al-Islams nicht zu gefährden. Die Freilassung sei am 12. April 2016 auf der Grundlage des Gesetzes für eine Generalamnestie durch das Repräsentantenhaus (vom 7. September 2015) vollzogen worden.

Es werde beim Internationalen Strafgerichtshof beantragt, die Strafverfolgung gegen Saif al-Islam einzustellen. Denn es entspreche weder den internationalen Übereinkünften noch den Menschenrechten, eine Person zweimal für die gleiche Sache zu verurteilen. Außerdem handle es sich um eine politische Anschuldigung, die keinerlei rechtliche Grundlage habe. Sie stütze sich auf eine Rede Saif al-Islams, die dieser im Februar 2011 hielt und in der er davor warnte, dass der Sturz seines Vaters das Land ins Chaos und in die Rechtlosigkeit stürzen und dem Terrorismus Tür und Tor öffnen würde. Diese Einschätzung hätte sich als richtig erwiesen.

Des Weiteren berichtigt al-Zaidi einige Gerüchte, die sich in Zusammenhang mit der Gefangennahme von Saif al-Islam im Umlauf befinden. So sei es falsch, dass Saif al-Islam in Zinten geheiratet und eine dreijährige Tochter habe.

Auch sei es falsch, dass Saif al-Islam durch Folterungen durch Zinten-Milizen drei Finger verloren habe, ebenso wie es unrichtig sei, dass er bei seiner Gefangennahme 2011 auf den Weg in den Niger gewesen wäre. Richtig dagegen sei, dass sein Autokorso sich von Bali Walid auf den Weg gemacht hätte und am 17. Oktober 2011 bei Sonnenuntergang während des Gebets im Gebiet des Wadi Zamzam durch NATO-Flugzeuge angegriffen worden sei. Bei den fortgesetzten Luftschlägen hätte ein Schrapnell seine rechte Hand getroffen, was zur Amputation von drei Fingern geführt habe. Daneben habe er sich durch den Beschuss der NATO-Flugzeuge zahlreiche Fleischwunden zugezogen.
Al-Zaidi betont, Saif al-Islam hätte nicht vorgehabt, Libyen zu verlassen, sondern sei auf dem Weg in den Süden des Landes gewesen.

In dem Gespräch, das al-Zaidi mit Saif al-Islam führte, habe dieser betont, dass es ihm nicht um Rache gehe. Stattdessen verspüre er große Traurigkeit über die Vorgänge im Land. Das Blutvergießen müsse beendet und ein Waffenstillstand erreicht werden, damit im Land endlich wieder Friede einkehre.

Auf die Frage an al-Zaidi, ob Saif al-Islam für das Präsidentenamt in Libyen nominiert werden solle, meinte dieser: In einem Land, das ohne Wasser- und Stromversorgung ist und keine Gehälter bezahlt werden, müssten die Bürger um ihre Existenz bangen. Seiner Meinung nach komme Saif al-Islam eine herausragende Rolle bei einer umfassenden nationalen Aussöhnung zu, denn es gehe ihm nicht um Rache, sondern um Frieden und Sicherheit für das libysche Volk.

Al-Zaidi bestreitet, dass es zwischen Saif al-Islam und anderen politischen Parteien in Libyen Absprachen gegeben habe, die zu seiner Freilassung geführt hätten, sondern diese wäre allein auf der Grundlage des Amnestiegesetzes erfolgt.

Und auf die Frage, wie Saif al-Islam die Situation in Libyen beurteile, sagte al-Zaidi, Saif al-Islam halte die politische Lage in Libyen aufgrund der Intervention verschiedener ausländischer Staaten für sehr kompliziert. Diese hätten die Libyer gegeneinander aufgewiegelt und die Ausbreitung von Terrorismus und Extremismus befördert. Terroristen aus der ganzen Welt gäben sich jetzt in Libyen ein Stelldichein.

Auf die Frage, ob in naher Zukunft mit einer Videobotschaft oder ähnlichem von Saif al-Islam zu rechnen sei, antwortete al-Zaidi, dass dies von den jeweiligen Umständen abhänge.


Die libysche Zeitung ‚LibyaHerald‘ schreibt, dass der Oberkommandierende von Zintens Abu-Bakr-al-Siddik-Bataillon, Oberst al-Ateiri, die Freilassung von Saif al-Islam Gaddafi bestätigt hat. Dem Bataillon Abu Bakr oblag die Bewachung Saif al-Islams.

Der Präsidialrat in Tripolis hat in einer Stellungnahme verlauten lassen, dass es für solche Anschuldigungen wie sie gegen Saif al-Islam erhoben wurden, keine Amnestie geben könne. Er dürfe seiner Bestrafung nicht entkommen.
[Das also ist der Standpunkt der ‚Abu-Sita-Regierung‘, einer sogenannten ‚Einheitsregierung‘, die angeblich „niemanden von den Friedensverhandlungen“ ausschließen wolle und daher auch dschihadistische und terroristische Milizen unterstützt und mit al-Kaida kungelt. Wenn es allerdings um den Großteil der Bevölkerung geht, der nicht die westliche ‚Abu-Sita-Marionettenregierung‘ unterstützt, dann ist keine Rede mehr von Aussöhnung oder Einheit. Besser könnte sich die Marionettenregierung gar nicht selbst demaskieren.]


[1] https://vivalibya.wordpress.com/2016/07/10/new-interview-with-khaled-al-zaidi-legal-counsel-to-saif-al-islam-gaddafi/

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

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