Journalistin beschuldigt libyschen Funktionär

Libyen. In einem Interview erklärt Vanesso Tomassini, 2018 von einem libyschen Sicherheitsbeamten vergewaltigt worden zu sein und verteidigt ihr Interview mit Mohamed al-Gali.

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SpecialeLibia berichtet über ein Interview, dass die italienische Journalistin Vanesso Tomassini dem libyschen Sender 218 News gab. Sie beschuldigt darin einen hochrangigen Sicherheitsbeamten der 'Einheitsregierung' in Tripolis, sie 2018 vergewaltigt zu haben.

Vanessa Tomassini reiste nach Libyen, um für das Nachrichtenportal SpecialeLibia über die Situation in Libyen zu berichten. Sie hält sich seit fast zwei Monaten in West- und Ostlibyen auf, ein Land mit dessen Politik sie sich seit Jahren intensiv beschäftigt.

Nachdem sie zunächst im April über den Vorstoß der Libyschen Nationalarmee (LNA) auf Tripolis und die dortigen Kämpfe berichtet hatte, reiste sie weiter nach Bengasi, Derna und al-Beida. Vorher wurde sie von der italienischen Botschaft in Tripolis gewarnt. Sie sei in Gefahr und solle das Land umgehend verlassen. Diese Warnung schlug Tomassini in den Wind, blieb bis 22. April in Tripolis und reiste dann in den Osten Libyens.

Sie erzählt, dass die gleiche Miliz der ‚Einheitsregierung‘ unter Sarradsch, die ihr Begleitschutz an die Front gegeben hatte, sie auch darüber informiert habe, dass in Tripolis Kämpfer von Ansar al-Scharia, Tarik al-Matar und Ain Zara an der Seite der Milizen der ‚Einheitsregierung‘ im Einsatz sind. Tomassini benannte einige dieser dschihadistischen Kämpfer namentlich. Bereits vorher hatte SpecialeLibia wie auch andere Medien ausführlich über die Anwesenheit von al-Kaida- und anderen terroristischen Gruppen in Tripolis berichtet und diesbezügliche Fotos und Videos veröffentlicht.

Erst auf drängende Fragen gab Tomassini zu, dass die Reisen nach Libyen immer mit großen Schwierigkeiten verbunden waren. So sei sie am 27. November 2018 im Concord Hotel in Tunis von einem hochrangigen Sicherheitsbeamten der ‚Einheitsregierung‘ vergewaltigt worden. Vanessa Tomassini fiel es sichtlich schwer, weiter auf diesen Vorfall einzugehen. Sie fügte aber noch hinzu, dass sie mit dem Betreffenden vorher wegen eines Interviews Kontakt gehabt habe und er die Möglichkeit nutzen wollte, von ihr bei der Erteilung eines Visums durch die italienischen Behörden in Rom Hilfe zu erhalten. Tomassini sagte in dem Interview: „Er kam in mein Zimmer, machte das Licht aus und nahm die Telefone weg, um sicherzugehen, dass ich nichts aufzeichnen konnte.“

Zuletzt wurde auf diesem Block über Tomassinis Interviews mit Parlamentspräsidenten Aguila Saleh[1] und dem Ministerpräsidenten der Übergangsregierung in Tobruk, Abdullah Al-Thani,[2] berichtet.

Als vor etwa drei Wochen ein Interview von Vanessa Tomassini mit Mohamed al Gali auf SpecialeLibia erschien, in dem dieser ein Video rechtfertigt, das ihn zusammen mit Mahmoud al Werfalli zeigt[3], sperrte Twitter den Account von Vanessa Tomassini.

Mahmoud al-Werfalli wird wegen angeblicher außergerichtlicher Erschießung von Gefangenen vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) gesucht. Mohamed al-Gali wird verdächtigt, bei diesen Erschießungen anwesend gewesen zu sein. Die Journalistin erklärte, dass sie „nur die Aussagen von al-Gali und die Berichte von Menschen veröffentlicht habe, die sie in Bengasi getroffen hat“. Sie fügte hinzu, dass sich in Bengasi Autos mit Werfalli-Plakaten schmückten. Viele bewunderten Werfalli für seinen Kampf gegen den IS und al-Kaida als Nationalhelden. Dann stellt Vanessa Tomassini die Frage: „Können Menschenrechte bei der Bekämpfung des Terrorismus berücksichtigt werden oder müssen sie zur Seite geschoben werden?“

Diese Frage kann nur eine eindeutige Antwort im Sinne von: „Menschenrechte sind Menschenrechte und gelten deshalb für jeden Menschen“ beantwortet werden. Für Tomassini scheint diese Antwort allerdings nicht so eindeutig zu sein. Sie verwies auf die Situation in Großbritannien nach den Anschlägen in Manchester.

Tomassini sagte: „Wenn Mahmoud al-Werfalli für mich ein Held ist, muss ich das auch sagen dürfen. Das bedeutet nicht, dass ich für Massenhinrichtungen bin.“

Dazu muss angemerkt werden, dass der IStGH in diesen Fällen grundsätzlich mit zweierlei Maß misst. Bestens dokumentierte Verbrechen von Milizen der ‚Einheitsregierung‘, die sich internationaler Anerkennung erfreut, werden nicht verfolgt. Erwähnt sei als nur eines von vielen Beispielen das Brak al-Shati-Massaker am 18. Mai vor zwei Jahren, bei dem über 150 Menschen getötet wurden und wo der Premierminister der ‚Einheitsregierung‘ Sarradsch sich bis jetzt weigert, die Untersuchungsergebnisse bekannt zu geben.

Laut Tomassini sind die Umstände in Tripolis und Bengasi sehr unterschiedlich. Dies sei bereits bei der Ankunft am Flughafen offensichtlich. „Jedes Mal, wenn ich am Flughafen Mitiga [Tripolis] ankam, hatte ich solche Angst, wegen der vielen jungen Männer mit langen Bärten. Dagegen handelt es sich in Benina [Bengasi] um einen internationalen Flughafen. Man kann dort etwas trinken, eine Zigarette rauchen.“ Sie beklagte die große Unfreiheit, die in Tripolis herrsche und die allgemeinen Zustände in der Hauptstadt. Bewaffnete, die zur Sarradsch-Regierung gehörten, seien maskiert und trügen Kapuzen über dem Kopf. Sie fragt. „Warum versteckt ein Polizist sein Gesicht?“

https://specialelibia.it/2019/06/25/tomassini-a-218-news-sono-stata-violentata-da-un-alto-funzionario-di-serraj-werfalli-un-eroe/

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[1] https://www.freitag.de/autoren/gela/parlamentspraesident-aguila-saleh-im-interview

[2] https://www.freitag.de/autoren/gela/ministerpraesident-al-thani-tobruk-zur-lage

[3] https://specialelibia.it/2019/06/06/esclusiva-mohamed-al-gali-parla-dei-video-con-mahmoud-al-werfalli-e-sfida-la-cpi-collabora-con-i-terroristi/

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

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