Kalkül der LNA scheint aufzugehen

Libyen/Tripolis. Zermürbungstaktik der LNA schwächt zunehmend Milizen der 'Einheitsregierung'.

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Laut militärischen Beobachtern hat die Libysche Nationalarmee (LNA) im Kampf gegen die Milizen der 'Einheitsregierung' an allen Fronten Erfolge erzielt. Die LNA hat in der letzen Zeit ihre Präzisionsluftangriffe auf Checkpoints, Munitionsdepots und bewaffnete Fahrzeuge intensiviert, um Tripolis, Gharyan und Aziziya einzunehmen. Die Kampfgruppen würden zunehmend in ihre kleinen bewaffneten Milizen zerfallen und durch die mangelnde Koordination geschwächt sein, während die LNA immer mehr Militär in Tarhuna und Aziziya zusammenzieht. Allgemein ist die LNA bedeutend besser organisiert als die Milizen der 'Einheitsregierung' und stimmt ihren Vormarsch mit vorangegangenen Luftangriffen auf allen Fronten exakt ab.

Für die 'Einheitsregierung' verschlechtert sich die militärische Lage zusehends. So hat sich die Tripolis Revolutionary Brigade von der Front zurückgezogen, die Abu-Slim-Brigade von Ghnewa einen Großteil ihrer Streitmacht sowie ihre Ausrüstung durch LNA-Luftangriffe verloren. An der Tripolis-Front kämpfen jetzt vor allem die al-Rada-Miliz und Milizen aus Misrata. Sollte sich ihre Niederlage unmissverständlich abzeichnen, würden sie sich gegen Amnestiezusagen und finanzielle Anreize wohl von der Front zurückziehen. Misrata würde Tripolis aufgeben und sich auf den Schutz der eigenen Stadt konzentrieren. Militärische Beobachter gehen davon aus, dass weder die Tripolis- noch die Misrata-Milizen zu Guerilla-Taktiken übergehen werden.

Insgesamt ist nicht ersichtlich, welche politische Gesamtstrategie die Tripolis-Regierung und ihre Milizen angesichts der aktuellen Lage verfolgen, außer der, die eigenen Pfründe nicht aufgeben zu wollen.

Auch Misrata zeigt sich geschwächt und hat bereits jetzt einen Teil seiner Streitkräfte aus Tripolis abgezogen und nach Misrata und Sirte verlegt. Aufhorchen lässt die Nachricht, dass innerhalb der Misrata-Milizen Uneinigkeit über das weitere Vorgehen besteht. Es kam zum ersten Mal sowohl in Sirte als sogar in Misrata selbst zu Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Misrata-Milizen.

Erst am Montag hatte die LNA erklärt, dass ihre Luftwaffe ein Waffen- und Munitionsdepot sowie eine größere Anzahl gepanzerter Fahrzeuge in Misrata zerstört habe. Diese Fahrzeuge seien mit einem türkischen Schiff im Hafen von Misrata angekommen. Selbstbewusst wies die LNA darauf hin, sie sei in der Lage, alle militärischen Lieferungen für die Tripolis-Regierung aufzuspüren und zu vernichten. Auch heute hat die LNA eine türkische Drohne in Tarhuna abgeschossen, die von Misrata aus gestartet war.

Das Generalkommando der LNA warnte vor der anhaltenden Unterstützung türkischen Militärs für die bewaffneten Gruppen und forderte, dass die Stadt Misrata nicht mehr für militärische Zwecke genutzt wird, um die Sicherheit ihrer Bewohner und Einrichtungen zu gewährleisten.

Eine Gefahr bilden allerdings die radikal-islamistischen Kämpfer, die aus der Libya Islamic Fighting Group (LIFG) hervorgingen und die bei den Kämpfen um Tripolis immer mehr Bedeutung erlangten. Um politisch zu überleben, müssen sie zu immer radikaleren und gewalttätigen Mitteln greifen. Es wird befürchtet, dass sie nach ihrer Niederlage Bombenanschläge und Selbstmordattentate durchführen werden. Unterstützt werden die radikalen Islamisten von Politikern der 'Einheitsregierung', insbesondere vom neu ernannten Bildungsminister Ammari, der sich für die Freilassung von etwa 150 islamistischen Extremisten stark macht, die im Mitiga-Gefängnis einsitzen. Mitglieder der Moslembruderschaft stehen in offener Feindschaft zu Teilen der 'Einheitsregierung' in Tripolis, so zum Außenminister Siala.

Obwohl die LNA zunehmend unter Druck gerät, endlich ihre militärischen Operationen erfolgreich abzuschließen, will sie sich das Tempo nicht vorschreiben lassen. Ihr liegt mehr daran, Tripolis ohne größere Zerstörungen als schnell einzunehmen. Straßenkämpfe, die auch viele Tote und Verwundete nach sich ziehen würden, sollen vermieden werden. Außerdem scheint die LNA und die sie in Libyen unterstützenden politischen Kräfte an einer Nachrkriegsordnung zu arbeiten, die nach dem Sieg der LNA in Kraft treten und den Wiederaufbau des Staates garantieren kann.

Obwohl von etlichen innerlibyschen und ausländischen politischen Akteuren immer noch öffentlich beteuert wird, dass die 'Einheitsregierung' und deren Chef Fayez as-Sarradsch unterstützt werden, dürfte inzwischen allen Mitspielern klar geworden sein, dass es den Milizen der Tripolis-Regierung nicht gelingen wird, ihre Position zu halten. Die mediale Berichterstattung trägt der Realität vor Ort keine Rechnung.

https://www.addresslibya.co/en/archives/51890
https://www.addresslibya.co/en/archives/51910
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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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