Kampf um Tripolis beendet

Libyen. Seit dem 25. 09. wird der von der UN-Sondermission vermittelte sog. Zawia-Waffenstillstand eingehalten. Stämme und Städte können sich mit ihren Forderungen durchsetzen.

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Eine Tripolis-Miliz unter Führung von Abdelghani al-Kikli (alias Ghnewa), die dem Präsidialrat und Sarradsch zuzurechnen ist, hat im Süden von Tripolis die Naqliya-Kasernen wieder übernommen, die von einer Misrata-Miliz gehalten worden war. Ihr soll die Munition ausgegangen sein, worauf sie abzog. Auch die 7. Brigade von Tarhouna hat sich aus den Kampfgebieten in die Innenstadt zurückgezogen.

Im ganzen Gebiet um und in Tripolis werden zwischen den Milizen zur Beruhigung der Lage verschiedene Abkommen geschlossen. Die aus den umkämpften Gebieten geflohene Bevölkerung kann in ihre Häuser zurückkehren.

In einem Kommentar von LibyaHerald1 heißt es am 26.09. zum Rückzug der Anti-Tripolis-Milizen: „Tatsächlich könnte er eher einem politischen Gewinn entsprechen und darf nicht als Rückzug oder Niederlage gesehen werden.“ Es dürfe sich weniger um eine Beendigung der Kämpfe in Tripolis handeln als um eine Gnadenfrist, die die Anti-Tripolis-Milizen der UN-Sondermission unter Ghassan Salamé, der 'internationalen Gemeinschaft' und dem erfolglosen Faiez Sarradsch gewähren. Salamé solle damit Zeit erhalten, die Rede ist von drei Monaten, eine neue Sicherheitsstruktur für Tripolis umzusetzen. Daneben sei eine Friedensvereinbarung mit dem Tadschura-Rat ausgehandelt worden, um die Spannungen mit den mit Sarradsch verbündeten Milizen (Abdelrauf Kara, die Special Deterrence Force/auch RADA-Miliz und die 33. Infanteriebrigade von Baschir Khalfalla, auch Bugra genannt) zu verringern.

Tatsache scheine zu sein, dass die Städte und Stämme Tripolis wieder zur Hauptstadt von ganz Libyen und aller Libyer machen wollen. Die Stadt solle nicht mehr nur von wenigen, starken Milizen beherrscht werden. Wie es aussähe, sei die momentane Waffenruhe nicht auf die Schwäche der gegen die Tripolis-Milizen vereinigten Stämme und Städte zurückzuführen, sondern auf eine Veränderung des gesamten Status quo.

Die Stämme und Städte wollten eine Umsetzung der kürzlich angekündigten Wirtschaftsreformen und eine Umsetzung der neuen Tripolis-Sicherheitsarchitektur, die eine Zerschlagung der Tripolis-Milizen und den Abzug aller Waffen aus der Hauptstadt vorsieht. Statt dessen sollen in Tripolis wieder Polizei und Militär für die Sicherheit zuständig sein.
Der Kommentar endet mit den Worten: „Die UN-Sondermission für Libyen könnte jetzt dazu gezwungen sein, sich dem rosa Elefanten in Form der Milizen in Tripolis und Libyen endlich zu stellen.“


Die weiteren Geschehnisse dieser Woche geben dem Kommentator von
LibyaHerald Recht. So hatte der Präsidialrat entschieden, dass alle ohne Rechtsverfahren festgehaltenen Gefangenen unverzüglich freizulassen sind, mit Ausnahme jener, die gemäß Resolution 1304 von 2018 des Terrorismus, Mordes, bewaffneten Raubüberfalls und Drogenhandels beschuldigt werden. Diese Anordnung wurde inzwischen ausgeführt. 83 Inhaftierte konnten das Mitiga-Gefängnis verlassen.

Des Weiteren riefen die Kriegsparteien gemeinsam in Abstimmung mit dem Innenministerium zur Bildung von Sicherheitskräften zur Sicherung der Stadtgebiete auf. Sie sollen sich aus Streitkräften von Tarhouna, Tripolis und Qasir Bengasir zusammensetzen.
Und es wird eine Versöhnungskommission gebildet, die zusammen mit den Sicherheitskräften den Abzug der bewaffneten Formationen überwacht.

Bereits am Mittwoch wurden rund um Tripolis und in der Hauptstadt Barrieren abgebaut und
die Straßen für den Verkehr wieder befahrbar gemacht. Der Mitiga-Flughafen soll in Kürze wieder öffnen.

Der französische Außenministers Jean Yves Le Drian, Vertreter von Libyen, Tunesien, Algerien, Ägypten, Marokko, Niger, Italien, den USA, Großbritanniens, China, Russland, der EU, die Afrikanischen Union und der Arabischen Liga versammelten sich am Dienstag in New York zu Gesprächen mit dem Vorsitzenden des Präsidialrates, Faiez al-Sarradsch, und dem Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen, Ghassan Salamé.

In einer gemeinsamen Erklärung forderten die Teilnehmer alle führenden Politiker Libyens dazu auf, sich konstruktiv mit den Vorschlägen Salamés im Geiste eines echten Kompromisses zu befassen. Es soll auf eine Vereinigung der militärischen und wirtschaftlichen Institutionen Libyens hingearbeitet und ein gangbarer Weg zur Annahme einer Verfassung gefunden werden, um so schnell wie möglich ehrliche, friedliche und gut vorbereitete Wahlen abhalten zu können.
Die Teilnehmer bekräftigten auch ihre Unterstützung für den Erhalt der Souveränität, der territorialen Integrität, der Einheit und des nationalen Zusammenhalts des libyschen Volkes. Die gemeinsame Erklärung schloss mit den Worten: „Die Libyer sollten über ihre Zukunft ohne ausländische Einmischung entscheiden. Die internationale Gemeinschaft muss mit einer Stimme sprechen, um Salamé zu unterstützen, der mit allen Libyern zusammenarbeitet, um eine stabile, einheitliche und reiche Zukunft für ihr Land herbeizuführen."


Diese neuen Töne der 'internationalen Gemeinschaft' lassen erahnen, welche Kraft und Stärke hinter dem Zusammenschluss der libyschen Städte und Stämme steckt und wer in Libyen zukünftig das Sagen haben wird.


https://www.libyaherald.com/2018/09/26/tripoli-militia-war-a-lull-in-fighting-or-a-permanent-ceasefire-analysis/
https://www.libyaobserver.ly/news/calm-prevails-libyas-capital-security-directorate-unblocks-war-hit-roads
https://www.libyaobserver.ly/news/southern-tripoli-war-over
https://www.libyaobserver.ly/news/joint-statement-international-stakeholders-threatens-impose-sanctions-tripoli-ceasefire

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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