Kurznachrichten – 08.03.2020

Libyen. Libysche Stämme – Militärische Situation – Übergangsregierung (Tobruk) – ‚Einheitsregierung‘ (Tripolis) – International – Verschiedenes

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Libysche Stämme

+ Die libyschen Stämme gründeten am 5. März im Gebiet von Harawa, das etwa 50 Kilometer östlich von Sirte liegt, einen neuen Stammesrat. In einer anschließend veröffentlichten Erklärung heißt es, dass aufgrund des Erfolges und der großen Resonanz, die das Tarhuna-Stammestreffen innerhalb der libyschen Bevölkerung gefunden hat, ein neues Gremium geschaffen wird, das alle libyschen Stämme umfasst. Das Ziel des Stammesrates sei Aussöhnung, Wiedervereinigung und die Suche nach einer Lösung der libyschen Probleme. „Die Mitglieder des Rates wurden einberufen und wählten ihren neuen Vorsitzenden. Sie einigten sich auf eine Reihe organisatorischer und koordinierender Maßnahmen im Zusammenhang mit ihrer Arbeit. Der nationale Eid wurde von allen Sitzungsteilnehmern geleistet“.
Die Mitglieder betonten ihre Verpflichtung, sich an alle in Tarhuna getroffenen Beschlüssen der Stämme zu halten und sich für deren Umsetzung einzusetzen, um den kolonialen Bestrebungen und dem Zustrom extremistischer Kräfte aus dem Ausland entgegenzutreten.
Der Rat möchte konstruktiv zur Lösung der libyschen Probleme beitragen. Die Situation sei kritisch, da die Stimme der libyschen Stämme, die vor Ort einen bedeutenden Einfluss hat, international missachtet werde.
https://almarsad.co/en/2020/03/07/libyan-tribal-council-we-will-back-efforts-to-resolve-the-libyan-crisis-and-achieve-reconciliation/

+ Die Schließung der Ölanlagen durch die libyschen Stämme führt zu Einnahmeverlusten in Höhe von etwa 2,708 Milliarden US-$. Der Druck auf die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis werde so immens erhöht.

Militärische Situation

+ Am 7. März griff die LNA den Mitiga-Flughafen in Tripolis mit Artillerie an. Laut LNA wurde ein türkisches Einsatzzentrum, verantwortlich für den Einsatz türkischer Drohnen, zerstört.
Die türkische Luftabwehr im Mitiga-Flughafen ging in Flammen auf.
Bereits vorher hatten die türkischen Militärs den Flughafen verlassen und sich nach Misrata abgesetzt.

+ Die LNA schoss südlich von Tripolis wieder eine türkische Drohne ab, die vorher noch vom Mitiga-Flughafen gestartet war.

+ In den Städten Aziziya und al-Hirah kommt es zu Kämpfen zwischen Milizen der ‚Einheitsregierung‘ und der LNA.

+ Am 7. März kam es zu Zusammenstößen zwischen der LNA und Milizen der ‚Einheitsregierung‘ im Südosten von Misrata. Die LNA gibt an, den Angriff der Milizen zurückgeschlagen zu haben.

+ Es kam zu schweren Zusammenstößen zwischen der LNA und Milizen der ‚Einheitsregierung, unterstützt von syrischen Söldnern, südlich von Abu Slim.

+ Bisher sollen 117 syrischen Söldnern in Libyen ums Leben gekommen sein. Laut Angaben der LNA soll es 150 syrische Söldner zwischenzeitlich gelungen sein, sich nach Europa abzusetzen.

Übergangsregierung (Tobruk)

+ Der Premierminister der Übergangsregierung (Tobruk), al-Thani, hat als erster Premierminister seit 2011 die Stadt Kufra im Süden des Landes besucht. Er sprach dort mit lokalen Politikern und Militärs.

+ Der libysche Außenminister Abdulhadi al-Huwaidsch (Tobruk) traf sich in Rabat mit seinem marokkanischen Amtskollegen.

+ Der libysche Außenminister al-Huwaidsch (Tobruk) traf sich in Algier zu Gesprächen mit dem algerischen Außenminister Sabri Boukadoum.

+ Libyen hat seine Botschaft in Damaskus (Syrien) am 3. März offiziell wiedereröffnet. An der Eröffnungszeremonie nahm der libysche Außenminister al-Huwaidsch (Tobruk) teil.

‚Einheitsregierung‘ (Tripolis)

+ Der Innenminister der ‚Einheitsregierung‘, Fathi Bashagha, hat bei einem Treffen mit dem US-Botschafter Richard Norland darüber gesprochen, wie er die Tripolis-Milizen in den Griff bekommen will.
Die Tripolis Protection Force wurde im Dezember 2018 aus verschiedenen Milizen gebildet und soll nominell unter dem Innenminister operieren. Zu ihr gehören die Tripoli Revolutionaries Brigade, die Nawasi Brigade und die Deterrence Force (Rada).
Letzte Woche hatte Bashagha die Tripolis-Milizen öffentlich beschuldigt, für Entführungen und Erpressungen verantwortlich zu sein und staatliche Institutionen einschließlich der Geheimdienste zu kontrollieren. Darauf wurde Bashagha von der Tripoli Protection Force auf Twitter angegriffen. Es wurde ihm vorgeworfen, die Voraussetzungen für die Errichtung einer US-Militärbasis in Libyen zu schaffen.
Bashagha scheint sich der ‚internationalen Gemeinschaft‘ und insbesondere den USA als neuer starker Mann in Tripolis anzudienen, der mit den Milizen aufräumt. Dies führt zu Machtkämpfen in Tripolis, da sich die Milizen von Bashagha abserviert fühlen.

Die beiden folgenden Vorfälle scheinen damit in Zusammenhang zu stehen:
In Tripolis wurde die Leiche eines Kommandanten der Misrata-Milizen, Mohammed Erfaida, aufgefunden. Erfaida stand in enger Verbindung zu Fathi Bashagha. Erfaida befehligte die von der Türkei ins Land gebrachten syrischen Söldner. Seine Ermordung scheint mit Streitigkeiten zwischen Tripolis-Milizen und Misrata-Milizen zusammenzuhängen.
Der Generaldirektor von Afriqyah Airways, Ali Milad Daw, soll von der islamistischen RADA-Miliz in Tripolis entführt worden sein.

International

+ In Kairo forderte der Präsident des arabischen Parlaments, Meshaal as-Salami, die internationale Gemeinschaft auf, entschlossen die türkische Einmischung in die inneren Angelegenheiten der arabischen Länder zu stoppen. Diese Einmischungen stellten eine direkte Bedrohung der nationalen Sicherheit der Araber und des internationalen Friedens und der Sicherheit sowie der Grundsätze einer guten Nachbarschaft dar. Die Einmischungen verletzten das Völkerrecht, die UN-Charta und Resolutionen des UN-Sicherheitsrats.

+ In Tunis verübten zwei Selbstmordattentäter einen Anschlag auf die US-Botschaft. Dabei wurde nach offiziellen Angaben ein Polizist getötet, vier weitere wurden verletzt. Die Attentäter näherten sich auf einem Motorrad der Botschaft, wo sie sich in die Luft sprengten.

+ Bei einem Telefongespräch am 3. März betonten Angela Merkel und der russische Präsident Putin die Notwendigkeit, dass die libyschen Kriegsparteien an einem Waffenstillstand festhalten müssen. Es müssten die Ergebnisse der Berliner Libyen-Konferenz ungesetzt werden.

+ Eine hochrangige Delegation aus französischen, italienischen und deutschen Diplomaten traf mit dem Oberkommandierenden der LNA, Khalifa Haftar, in dessen Hauptquartier bei Bengasi zusammen, um die aktuelle Lage in Libyen zu besprechen.

Verschiedenes

+ Am 5. März versammelten sich im tunesischen Hammamet mehr als hundert junge Menschen aus allen libyschen Städten im Rahmen der Initiative „Libysche Jugendkonferenz für Frieden und Aufbau“. Der Präsident der Konferenz, Ahmed al-Khatib, sagte in seiner Eröffnungsrede, man wolle „der Welt eine Botschaft der Liebe und des Friedens senden und unseren Willen und unsere Entschlossenheit ausdrücken, Libyen und seine Jugend in eine bessere Zukunft zu führen“.

Bashir Sheik, der Leiter der Organisation The Fezzan's Anger (Wut des Fessan) sagte, die libysche Krise betreffe Politiker, nicht die normalen Menschen. Trotz aller Differenzen könne man miteinander reden, um die Probleme zu lösen. Es wurde darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, die Integrität und Einzigartigkeit Libyens zu bewahren.
https://specialelibia.it/2020/03/06/libyan-youth-conference-for-peace-and-construction-i-giovani-libici-esempio-di-pace-e-dialogo/

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

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