Militärische Lage
Nachdem die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ mit einem Sturmangriff auf Sirte gescheitert sind und sich wieder auf eine Entfernung von 90 km zurückziehen mussten, herrscht bis auf einzelne Luftangriffe der LNA eine relative Waffenruhe.
+ 13.06.: Die LNA gibt an, im Wadi Dscharif (westlich von Sirte) bewaffnete Fahrzeuge der ‚Einheitsregierung‘ zerstört zu haben.
+ 12.06.: Die LNA gibt die Zerstörung eines Konvoys aus 15 bewaffneten Fahrzeugen mit Rebellen aus dem Tschad im Südwesten Libyens bekannt.
+ 12.06.: Die LNA fliegt im Osten von Abu Grain Luftangriffe auf Stellungen der Milizen.
+ Es erfolgte ein Luftangriff auf eine Einsatzzentrale der ‘Einheitsregierung’ in Misrata.
Libysches Parlament
+ Parlamentspräsident Aguila Saleh ist am 13.06. zu Gesprächen mit dem algerischen Parlamentspräsidenten und dem algerischen Außenminister nach Algerien gereist. Die algerische Regierung bemüht sich um eine Mittlerrolle in Libyen und will dabei mit Ägypten und Tunesien kooperieren.
Der algerische Außenminister hatte einen Tag zuvor die Lage in Libyen mit dem spanischen, dem italienischen und dem irischen Außenminister erörtert.
Dabei hat Algerien mehr als genug Probleme im eigenen Land, die von einer Lösung meilenweit entfernt sind.
‚Einheitsregierung‘/Milizen/Türkei
+ Auf Twitter ist ein Video zu sehen, das zeigt, wie in Tarhuna verhaftete ägyptische Arbeiter von Misrata-Milizen gedemütigt werden. Dies scheint im Rahmen der vom Innenministerium der ‚Einheitsregierung‘ ausgerufenen Operation „Sichere Stadt – Vulkan der Wut“ stattzufinden.
Die Arbeiter sollen nach Misrata verschleppt worden sein.
https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1272053910954541057
+ Ebenfalls wird am 14.06. berichtet, dass eine Olivenbaumplantage in Tarhuna in Flammen aufgegangen ist.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1272106625424392193
+ Es gibt auch Berichte über die Ermordung von Schwarzafrikanern in Tripolis durch die Milizen.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1272131755873652740
+ 12.06.: Es wird berichtet, dass eine pro-türkische Dschihadistengruppe einen 400 Jahre alten Sufi-Schrein in Tarhuna sprengte.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1271214199230824448
+ 11.06.: Ein Milizenkämpfer zündet ein Haus in der westlibyschen Stadt Tarhuna an und sagt: „Wir werden alle Häuser hier niederbrennen.“
https://twitter.com/LibyaReview/status/1271030540930625536
+ Auf Twitter wird am 12.06. berichtet, dass die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ in Tarhuna drei schwarzafrikanische Arbeiter entführt und ermordet haben, um anschließend ihre Leichen in einem brennenden Haus zu entsorgen. Auch die Brandstiftungen halten weiter an.
https://twitter.com/LNA2019M/status/1271425612629053441
+ Am 12.06. wurden drei türkische militärische Frachtflugzeuge und ein mit Waffen beladenes Schiff gesichtet, die sich dem Luftraum und den Hoheitsgewässern von Westlibyen näherten. Auf der italienischen Website Flight Radar, die den weltweiten Flugverkehr überwacht, hieß es, dass zwei der türkischen Flugzeuge vom Flughafen Istanbul und das dritte vom Militärstützpunkt Konya in der Türkei gestartet seien.
https://libyareview.com/?p=3667
+ Lobbyisten des Unternehmens Mercury, die für die libysche ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis tätig sind, promoten den deutschen Libyenspezialisten Wolfram Lacher. Dies geht aus Unterlagen hervor, die bei Foreign Agents Registration Act (FARA) eingereicht wurden. Als in Libyen „hoch geachtete Persönlichkeit“ soll mit seiner Hilfe der Einfluss der Moslembruderschaft auf die ‚Einheitsregierung‘ geleugnet werden.
https://almarsad.co/en/2020/06/12/fara-document-reveals-how-gnas-lobbying-firm-promotes-wolfram-lacher/
+ 12.06.: Das türkische Militär führte am Donnerstag eine 8-stündige Luftübung an der libyschen Küste durch, „um zu zeigen, dass es im Bedarfsfall schnell und einfach mehrere F-16 und Frühwarnflugzeuge in das Land entsenden kann, sagte ein türkischer Beamter gegenüber MiddleEastEye.
+ Am Mittwoch erklärte der stellvertretende griechische Verteidigungsminister Alkiviadis Stefanis, dass Griechenland für das „Worst-Case-Szenario“ mit der Türkei bereit sei. Dies bezieht sich auf die jüngste Eskalation der Spannungen zwischen den beiden Ländern wegen der Hoheitsgewässer im Mittelmeer.
https://libyareview.com/?p=3655
+ HeiseOnline berichtet, über tausende Trolle, die im Dienste der AKP-Regierung stehen und auch in Deutschland unterwegs sind.
Das Auswärtige Amt warnt bei Reisen in die Türkei: „Seien Sie sich bewusst, dass regierungskritische Äußerungen in sozialen Medien, auch wenn sie länger zurückliegen, aber auch das Teilen oder Liken eines fremden Beitrags, Anlass für strafrechtliche Maßnahmen der türkischen Sicherheitsbehörden sein können“.
https://www.heise.de/tp/features/Tuerkei-Schlag-gegen-Erdogans-Trollarmee-4782750.html
Europäische Union
+ Am 12.06. erklärte die EU, dass türkische Fregatten die Inspektion eines türkischen Frachtschiffes verhindert haben, von dem angenommen wurde, dass es Waffen für die ‚Einheitsregierung‘ in Libyen an Bord hat. Die EU fügte hinzu, dass die Türkei weiterhin gegen das UN-Waffenembargo gegen Libyen verstoße. Dies werde von der EU als eine Bedrohung ihrer Sicherheit angesehen. Griechenland hatte beantragt, das Verhalten der Türkei im östlichen Mittelmeer auf die Tagesordnung beim EU-Außenministertreffen am 15.06. zu setzen. Es soll auch darüber diskutiert werden, Sanktionen gegen die Türkei zu verhängen.
https://libyareview.com/?p=3674
Die Mission Irini wird immer mehr zur Lachnummer.
Verschiedenes
+ Zunächst hieß es, dass der russische Außenminister und der russische Verteidigungsminister am 15.06. zu Konsultationen mit ihren türkischen Amtskollegen in der Türkei erwartet werden. Nun ließ das türkische Außenministerium verlauten, die beiden russischen Minister werden nicht wie geplant in die Türkei reisen. Die Verhandlungen Libyen und Syrien betreffend sind verschoben und sollen in den kommenden Tagen von den stellvertretenden Außenministern weitergeführt werden. An den Gesprächen wollte auch der iranische Außenminister teilnehmen.
+ Nachdem sich der deutsche Botschafter Oliver Owcza mit General Haftar und Parlamentspräsident Saleh getroffen hatte, stand ein Treffen mit dem Premierminister der ‚Einheitsregierung‘ Sarradsch auf dem Programm. Laut Owcza sei Deutschland bemüht, die Ergebnisse der Berliner Konferenz im Einklang mit den von der UNO festgelegten militärischen, politischen und wirtschaftlichen Richtlinien umzusetzen. Sarradsch erklärte, dass er kein ernsthaftes Treffen mit echten Partnern, die sich um die Errichtung eines zivilen und demokratischen Staates bemühten, verzögern werde.
https://libyareview.com/?p=3672
D.h. er will keine Verhandlungen, denn Saleh und Haftar sieht er bestimmt nicht als „echte Partner“ an.
+ Laut LibyanReview heißt es aus informierten Kreisen, dass die europäische und die US-amerikanische Position zur aktuellen Lage in Libyen identisch seien, insbesondere bezüglich der Notwendigkeit eines umfassenden Waffenstillstands, der Einhaltung der UN-Resolution zum Waffenembargo und zur Wiederaufnahme von Verhandlungen gemäß den Beschlüssen der Berliner Konferenz und unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen“.
Am 12.06. hatten US-Außenminister Mike Pompeo und der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell die jüngsten Entwicklungen der Libyen-Krise besprochen. Es wurde die Dringlichkeit betont, den anhaltenden Konflikt im Land zu beenden.
https://libyareview.com/?p=3729
+ Der Stellvertretende Generalsekretär der Arabischen Liga (AL), Hossam Zaki, wies Berichte zurück, nach denen sich die Position der AL zur türkischen Intervention in Libyen geändert habe. Es gebe eine klare Entscheidung des Arabischen Außenministerrates, der die türkische Einmischung in Libyen und die Rekrutierung ausländischer Kämpfer ablehnt und verurteilt.
+ Die UN-Sondermission für Libyen will untersuchen, was es mit der Entdeckung von Massengräbern in Tarhuna auf sich hat. Die Opfer sollen identifiziert und die Todesursache festgestellt und die Leichen an die Angehörigen übergeben werden.
https://twitter.com/UNSMILibya/status/1271107079508561927
+ Am 13.06. teilte die italienische Polizei mit, dass sie 30 Luxusfahrzeuge im Wert von über 1,5 Millionen Euro beschlagnahmt hat. Die Fahrzeuge waren in Kanada gestohlen worden, dann bei der Durchsuchung von Schiffscontainern in den kalabresischen Häfen Salerno und Gioia Tauro wieder aufgetaucht. Von dort sollten sie zum Weiterverkauf in die Türkei (Mersin) und nach Libyen (Khoms/westliches Libyen) gehen.
https://www.rainews.it/dl/rainews/media/Polizia-sventa-traffico-internazionale-di-auto-di-lusso-rubate-98e9ec73-e8c7-40e9-9194-74da54bc7515.html#foto-1
Kommentare 8
Die Türkei hat einen Plan für den Einmarsch in Griechenland, wie geheime Dokumente enthüllen:
https://www.nordicmonitor.com/2020/06/turkey-planned-to-invade-greece-secret-document-reveals/
Nachdem die Türkei bereits seit Jahren ihre Hände nach dem Irak, Zypern und Syrien ausstreckt, sucht sie jetzt auch noch die Konfrontation mit Griechenland, Libyen und Ägypten. Für Armenien existiert ein ähnlicher Invasionsplan. Damit wäre das alte osmanische Reich schon fast komplett.
Langsam wird die in Deutschland oft noch praktizierte Verharmlosung des türkischen Imperialismus ad absurdum geführt.
Das ist unglaublich! Dazu passt diese Nachricht:"Der Chef der EU-Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggeri, hat vor einer erneuten Eskalation an der griechisch-türkischen Grenze gewarnt. "Sollte die Türkei eine ähnliche Situation wie im März heraufbeschwören, würde Frontex sein Personal in Griechenland kräftig aufstocken", sagte Leggeri den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Bei "Krisensituationen" könnte die Agentur bis zu 1500 Grenzbeamte schicken. Derzeit seien 600 Frontex-Kräfte in Griechenland im Einsatz: an der Landgrenze zur Türkei, in der Ägäis und auf den Inseln."
https://www.tagesschau.de/ausland/frontex-warnung-101.html
Die Türkei wird die Öffnung der Grenzen für Migranten wieder als politisches Druckmittel einsetzt. Das hat mit Lage in Libyen zu tun. Da kann sich die EU ja schon mal vorstellen, wie das aussehen würde, wenn die Türkei wirklich Libyen kontrollieren würde und die Flüchtlingsrouten damit voll unter ihrer Kontrolle hätte. Nach Belieben Grenzen öffnen oder schließen!
Öffnen natürlich. Ich sehe das vom Standpunkt eines Flüchtings aus. Wie kann ein Land es wagen, mich einzusperren? Waren wir nicht genau aus diesem Grunde gegen die Eiserne Mauer? Warum tadeln wir also die Türkei, statt sie zu loben, wenn sie den Flüchtlingen die Weiterreise ermöglicht?
Übrigens gibt es Hinweise dafür, dass die Massengräber das Werk der russischen Neo-Nazi-Gruppe Wagner sind, die von Haftar angeheuert wurden. Zum Glück hat die Türkei diesem Morden ein Ende gesetzt.
Bisher hörte ich immer von griechischer Seite: "Gebt uns "Konstantinopel" zurück!" Warum sollten da die Türken nicht auch sagen: Gebt uns Selanik (Thessaloniki) zurück, schliesslich steht dort das Geburtshaus Atatürks.
Das ist was ganz anderes :-)
Ich habe von Hinweisen gelesen, dass die Massengräber durch die syrischen Kopf-ab-Demokratisierer produziert wurden, die das Ganze gleich anschließend bebilderten und der LNA vorwarfen. Entsprechende Erfahrungen haben sie ja aus Syrien mitgebracht.
Wie schön, dass Erdogan für die arbeitslosen Halsdurchtrenner eine sinnvolle Anschlussverwendung gefunden hat, nachdem sein Plan, Syrien mit ihnen zu demokratisieren, so gründlich schiefgelaufen ist!
Der Erdogan hat sich am Sonntag, dem letzten, warme Ohren geholt. Angekündigt war eine russische Delegation. Außenminister Lawrow, Verteidigungsminister Schoigu und hochrangiges Militärpersonal sollten sich in Ankara mit der Türkei zu Gesprächen treffen.
Auch der iranische Außenminister Zarif sollte daran teilnehmen. Zarif war anwesend, die russische Delegation hat kurzfristig abgesagt. Es heißt, wegen Libyen. Erdogan soll, nach Berichten der Jerusalempost, Israel, Zarif als Bruder bezeichnet haben, vielleicht weil er wußte, das Zarif überraschend für Dienstag nach Moskau eingeladen worden war.
Ich meine vor einer Woche hat Erdogan die USA gebeten, sich in den Libyenkonflikt einzumischen. Hat mit der russischen Absage am Sonntag wahrscheinlich nichts zu tun.
Selbstverständlich bemüht sich Erdogan Arbeitslosigkeit abzubauen. Er ist sehr sozial eingestellt.
Zwischen Russland und der Türkei scheint es ernsthaft Krach zu geben. Die Türkei beansprucht zwei Militärbasen in Russland und will Ölhalbmond erobern. Russland will Einstellung des militärischen Vormarsches der Türkei:
Am 15.06. meldet Reuters, dass die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis und die Türkei Gespräche über die Errichtung zweier türkischer Militärbasen in Libyen führten. Zum einen gehe es um den Marinestützpunkt Misrata, zum anderen um den Luftwaffenstützpunkt al-Watija. Eine dauerhaftere Luft- und Seestreitkräftepräsenz in Libyen könne den wachsenden Einfluss der Türkei in der Region, auch in Syrien, verstärken und ihr die türkischen Ansprüche auf libysche Offshore-Öl- und Gasressourcen erhöhen.
Die Türkei nahm auch Bezug auf Wirtschaftsabkommen mit der ‚Einheitsregierung‘ nach Beendigung der Kämpfe.
In dem Artikel heißt es weiter, die für den 15.06. geplanten Gespräche zwischen russischen und türkischen Ministern seien abgesagt worden, da sich die Türkei nicht bereit erklärt hatte, auf einen Angriff auf Sirte und den libyschen Ölhalbmond zu verzichten: „Russland will, dass die Türkei und die ‚Einheitsregierung‘ die Militäroperationen einstellen, insbesondere die Angriffe auf Sirte, Dschufra und den Ölhalbmond - und Ankara hat diese Forderung zurückgewiesen“. Eskalationen in Libyen als auch in Syrien zwischen Russland und der Türkei seien nicht ausgeschlossen.
https://www.reuters.com/article/us-libya-security-turkey-russia/turkey-eyes-libya-bases-for-lasting-military-foothold-source-idUSKBN23M1D9
Wie immer eine fachkundige und recherchierte Äußerung.
Interessant und kaum bemerkt, der Besuch des griechischen Ministerpräsidenten in Israel. Beide Staaten haben ein Abkommen vor Monaten vereinbart über das östliche Mittelmeer im Widerspruch zu den Interessen des Herrn E. Übrigens mit einem Partner, vor dem selbst die Türkei erzittern dürfte. Cypern.
Ich bin mir nicht sicher, ob Russland seinerzeit mit der Warnung an Erdogan vor dem bevorstehenden Putsch in der Türkei die richtige Wahl getroffen hat. Kurzfristig mag es ja gelungen sein, die Schärfe herauszunehmen und Vereinabrungen in Syrien zu treffen, nachdem die Türkei das russische Erdkampfflugzeug abgeschossen hat. Aber danach hat Erdogan rücksichtslos eskaliert: Offener militärischer Überfall auf Syrien und Irak (man denke an vergangene Nacht!), Zuspitzung der Spannungen mit Griechenland, offenes militärisches Eingreifen in Libyen, Verschärfung der Spannungen mit der EU, NATO, Russland... (Aufzählung nicht abschließend) Zählt man es kurz zusammen, dann ist es eine erschreckende Entwicklung.
Innenpolitisch und wirtschaftlich ist Erdogan zunehmend unter Druck. Die Aggressivität wird immer offensichtlicher - sowohl nach innen, als auch nach außen. Ob die türkische Bevölkerung irgendwann aufwacht und merkt, was da passiert, bevor es zu spät ist? Ich kann es ihr nur wünschen, denn irgendwie erinnert mich das an eine Situation wie vor 80 Jahren...