Kurznachrichten Libyen – 31.03.2020

Libyen. Militärische Lage – Coronakrise – ‚Einheitsregierung‘ – Migranten – Verschiedenes

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Militärische Lage – Coronakrise – ‚Einheitsregierung‘ – Migranten – Verschiedenes

Militärische Lage

+ Am 30.03. abends schoss die LNA eine türkische Drohne in der libyschen Hauptstadt Tripolis ab. Eine weitere Drohne wurde südlich von Tripolis abgeschossen

+ Die LNA gibt bekannt, ein türkisches Flugzeug südlich von Tripolis nach Start vom Mitiga-Flughafen abgeschossen zu haben.

+ Bei Kämpfen in der Straße zum Abu-Salim-Gefängnis in Tripolis konnten die LNA-Streitkräfte die Milizen zurückdrängen.

+ Die LNA gab bekannt, im Stadtteil Abu Slim in Tripolis vorzurücken und den al-Hadba-Komplex nach Kämpfen unter ihre Kontrolle gebracht zu haben. Ein Angriff der Milizen der ‘Einheitsregierung’ sei zurückgeschlagen worden.

+ Laut der LNA konnten die Streitkräfte einen Angriff der von syrischen Söldnern unterstützten Milizen an der al-Mashroua-Front und der Straße zum Flughafen erfolgreich abwehren. „Der Angriff begann am Morgen und endete als kompletter Fehlschlag“.

+ Die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ versuchen an der Tuwasha- und an der Ramla-Front einen Vorstoß. Während die LNA weiter vorrückt, werden von Milizen der ‚Einheitsregierung‘ wahllos Wohnviertel mit Panzern beschossen.

+ Die LNA fliegt Luftangriffe in Abu Grein.

+ LNA-Truppen werden aus dem Fessan und der Kyrenaika in die Gegend von Misrata verlegt.

+ Im Westen Libyens gestalten sich die Gespräche zwischen der Stadt Zuwara und der LNA schwierig. Während der Ältestenrat mit der LNA verhandeln will, um eine Feindschaft mit den benachbarten Städten Riqdalin und al-Dschmail zu vermeiden, versuchen bewaffnete Milizen in Zuwara diese Gespräche zu unterbinden. Die Zuwara-Milizen hoffen noch auf Unterstützung durch andere Milizen der ‚Einheitsregierung‘, die es aber kaum geben wird.
Zuwara ist eine am Mittelmeer gelegene Berberstadt im Westen Libyens, nahe der Grenze zu Tunesien, und hat traurige Bekanntheit durch seine Schleuser- und Schmuggelaktivitäten erlangt.

+ Am Grenzübergang zu Tunesien (Ras Adschdir) verhandelt die LNA immer noch mit Resten der dort verbliebenen Milizen und der tunesischen Regierung, um die Übergabe friedlich gestalten zu können.

+ Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, dass viele der von der Türkei nach Libyen gebrachten syrischen Kämpfer frustriert seien, weil die Türkei die ihnen gemachten Versprechen nicht einhalte. Sie bedauerten, in diesen libyschen Konflikt verwickelt zu sein. Die Situation in Libyen sei schlecht und sie würden ihren Sold nicht Absprache gemäß bezahlt bekommen. In einem Telefongespräch mit zuhause äußerte sich ein Söldner: „Wir alle wollen nach Syrien zurückkehren. Viele bereiten sich auf ihre Rückkehr vor.“
https://almarsad.co/en/2020/03/29/pro-turkey-syrian-militants-warn-counterparts-not-to-come-to-libya/

+ Die LNA gibt den Tod von Oberst Ali Sayidi Altabawi bei den gestrigen Kämpfen mit Milizen der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis bekannt. Altabawi stammte aus dem Süden Libyens und war ein hochrangiges Mitglied der panafrikanischen und der libyschen Dschamahirija-Armee.

Coronavirus

+ Die Zahl der an Covid-10 Erkrankten ist in Libyen auf acht gestiegen. Die Weltgesundheitsbehörde sieht Libyen unter den hochgefährdeten Ländern.

+ Der Gesundheitsminister der ‚Einheitsregierung‘ Ehmeid Bin Omar ist von seinem Amt zurückgetreten.
LibyaDesk stellte fest, dass Tripolis äußerst schlecht auf die Coronakrise vorbereitet ist: „Einer der korruptesten Beamten der ‚Einheitsregierung‘ ist der stellvertretende Gesundheitsminister Mohamed Haitham. Haitham war in mehrere Korruptionsfälle verwickelt, sowohl im medizinischen Bereich als auch bei der Behandlung von verletzten Soldaten im Ausland. Ihn zur Rechenschaft zu ziehen ist schwierig. Haitham hat, wie viele andere Beamte auch, seine Position mit Hilfe einer Miliz erlangt. Während wir hier schreiben, wird gerade das für die Bekämpfung von Covid-19 vorgesehene Budget von einer halben Milliarde Dinar zwischen Haitham und seinem üblichen Mitarbeiterkreis aufgeteilt.“

+ Während die ‚Einheitsregierung‘ Listen vorlegt, aus denen hervorgehen soll, wie sie an Gemeinden 75 Millionen Libysche Dinar zur Bekämpfung von Covid-19 zur Verfügung stellte, behauptet die LNA, diese Zuwendungen bestünden nur auf dem Papier. In Wahrheit seien den Gemeinden keine Hilfe oder Gelder gewährt worden.

+ Der Führer der Misrata-al-Somud-Miliz Salah Badi forderte auch die Absetzung des Untersekretärs des Gesundheitsministeriums der ‚Einheitsregierung‘ Mohammed al-Warfalli. Als Grund wurde die ungerechte Verteilung von Mitteln zur Bekämpfung der Coronapandemie genannt.

+ Libya Desk bescheinigt dem Osten Libyens „beeindruckende Vorbereitung für die Begegnung mit Covid-19“ getroffen zu haben; selbst Misrata habe angemessen auf die Bedrohung reagiert.

+ Die Botschaft der USA gab bekannt, dass sie Libyen 6 Mio. US-$ Finanzhilfe wegen der Covid-19-Krise zur Verfügung stellen will.

+ Obwohl die gesamte internationale Hilfe ausschließlich an die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis geht, werde die LNA alles unternehmen, um die Bevölkerung vor dem Coronavirus zu schützen.

+ Die im Osten gelegene Stadt Tobruk gibt die Ankunft von 18 Beatmungsgeräten und anderer medizinischer Güter bekannt.

+ Die im Süden gelegene Stadt Ghadames hat wegen des Coronavirus eine Ausgangssperre verhängt.

+ Das Gesundheitsministerium der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis lässt Krankenhäuser mit medizinischen Geräten und Medikamenten beliefern.

+ In Libyen werden alle Gerichtsverhandlungen bis auf weiteres ausgesetzt.

+ Der Oberste Komitee zur Bekämpfung der Coronapandemie (SCCCE) in Bengasi gab die Anweisung, die Preise auf den Märkten zu überwachen. Ungerechtfertigte Preiserhöhungen müssten unterbunden werden.

+ Militärstützpunkte, die die LNA den Milizen der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis abgenommen hat, werden nun desinfiziert.

Einheitsregierung

+ Der Zusammenhalt der Milizen der ‚Einheitsregierung‘ löst sich auf. So erfolgte am 30.03. ein Angriff einer Misrata-Miliz auf das Büro des Präsidenten der ‚Einheitsregierung‘ as-Sarradsch. Ein Streit entspannte sich wegen der fehlenden Stellungnahme der ‚Einheitsregierung‘ zu den 158 Toten und 309 Verletzten der letzten 4 Tage.

+ Die Journalistin Lindsay Snell sagte, dass die kommenden neun Tage keine syrischen Söldner mehr von der Türkei nach Libyen geflogen werden sollen. Allerdings nicht um die Verbreitung des Coronavirus zu stoppen, sondern weil sich die syrischen Söldner weigern, in den Tod geschickt zu werden.

Migranten

+ Das deutsche Rettungsschiff Alan Kurdi ist zu einem neuen Mittelmeer-Einsatz aufgebrochen und wird am kommenden Wochenende vor der Küste Libyens eintreffen. Gegen den Ausbruch von Covid-19 an Bord seien Vorkehrungen getroffen worden. Alan Kurdi ist das einzige zivile Rettungsschiff vor der libyschen Küste.
Mehr als 3.500 Menschen haben in diesem Jahr versucht, über das Mittelmeer nach Europa zu kommen. Dabei sind laut IOM mehr als 150 Menschen ertrunken. Seit 2014 starben mehr als 20.000 Menschen im Mittelmeer.

Verschiedenes

+ Der LNA gelang es, zwei am 14. Juli 2018 von Milizen verschleppte Mitarbeiter des Sharara-Ölfeldes zu befreien. Bei den Mitarbeitern handelte es sich um einen Libyer und einen Rumänen.

+ Am 30.03. teilte die LNA mit, dass innerhalb von 38 Stunden zwei Flüge zwischen Istanbul und dem Flughafen von Misrata bzw. dem Mitiga-Flughafen von Tripolis gemeldet wurden, obwohl der gesamt Flugverkehr zum Schutz vor Covid-19 eingestellt worden ist. Diese Flüge waren nicht registriert und vermutlich zum Transport von Waffen, militärischer Ausrüstung und syrischen Söldnern bestimmt.
Es wird befürchtet, dass syrische Söldner den Coronavirus nach Libyen einschleppen.

+ Der tunesische Präsident Kais Saied informierte telefonisch den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah el-Sisi über die von ihm ergriffene Initiative zur Lösung der Libyenkrise. Auch Tunesien vertritt die Auffassung, dass die Lösung nur von Libyen selbst ausgehen kann.
Bereits am 29.03 hatte Präsident Saied mit dem Präsidenten des Niger Mohamadou Issoufou telefonisch über die Situation in Libyen diskutiert.

+ Die EU hat alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen aufgerufen, das Waffenembargo gegen Libyen zu respektieren und gleichzeitig die Kriegsparteien des Landes nachdrücklich aufgefordert, die Feindseligkeiten einzustellen und sich auf die Eindämmung der Coronavirus-Pandemie zu konzentrieren. In der Erklärung des Hohen Vertreters der EU für Auswärtige Angelegenheiten Joseph Borrell heißt es: „Wir rufen erneut alle UNO-Mitgliedstaaten auf, das UNO-Waffenembargo zu respektieren und aufrechtzuerhalten, den Zustrom ausländischer Kämpfer nach Libyen einzustellen und von destabilisierenden Aktionen Abstand zu nehmen, die die ohnehin fragile Lage im Land weiter verschlechtern könnten“.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

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