Libyen im August - Monatsrückblick

Libyen. Was geschah… eine unvollständige Auflistung

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Ihre Freitag-Redaktion

August 2016

01.08. Die USA bombardieren auf Bitten der vom Westen installierten Sarradsch-‚Regierung‘ erneut Libyen. Das Pentagon gab am Montag bekannt, dass es erstmals wieder Luftangriffe gegen den IS in Sirte geflogen hat.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: https://www.freitag.de/autoren/gela/die-usa-werfen-wieder-bomben-auf-libyen

01.08. Bei einer Rischvana-Großdemonstration fordern deren Teilnehmer die vollständige Umsetzung des Amnestiegesetztes von 2014 und die Freilassung aller Gefangenen und Stammesangehörigen. Die Kundgebung ist ein Ausdruck der Solidarität mit allen in Gefangenenlagern festgehaltenen Angehörigen libyscher Stämme.
www.facebook.com/worshfana/videos/vb.343804079008889/1052411858148104/?type=2&theater

01.08. ‚Ärzte ohne Grenzen‘ befragten über den Zeitraum eines Jahres in der sizilianischen Stadt Ragusa 387 Bootsflüchtlinge, die aus Libyen gekommen waren. Dabei wiesen 60 Prozent mentale Störungen auf. 82 Prozent berichteten von traumatischen Erfahrungen, die sie entweder bereits in ihren Heimatländern oder auf der Flucht, meist aber als Gefangene während ihrer Zeit in Libyen machen mussten. 42 Prozent wiesen posttraumatische Stresssymptome auf und 27 Prozent hatten Angststörungen.

02.08. In einer Stellungnahme verurteilt das libysche Parlament in Tobruk die amerikanischen Interventionen, die illegitim und nicht verfassungsgemäß seien und nicht die Unterstützung des libyschen Volkes hätten.
Der libysche Politikanalyst Abdul Aziz erklärt, dass die Intervention der USA in Libyen eine Unterstützung für die ‚Einheitsregierung‘ sein solle, in Wahrheit jedoch Extremistengruppen im Land stärke. Die US-amerikanischen Aktionen stünden einzig und allein im Dienst einer neokolonialen Agenda.
Die ‚Einheitsregierung‘ setze sich aus Mitgliedern der Moslembruderschaft und extremistisch-islamistischen Gruppen zusammen, deshalb könne sie vom Parlament in Tobruk nicht anerkannt werden, denn dieses sehe sich den Werten eines säkularen Parlaments verpflichtet.

02.08.Bei einem Autobombenanschlag nahe Bengasi kamen 23 Soldaten der Libyschen Nationalarmee ums Leben, über 70 wurden verwundet. Der dschihadistische Revolutionäre Schura-Rat von Bengasi hat sich zu dem Attentat bekannt. Die Vereinten Nationen weigern sich bisher, ihn als terroristische Vereinigung einzustufen, obwohl er Seite an Seite mit dem IS und Ansar al-Scharia kämpft, die beide als terroristische Vereinigungen angesehen werden. Unklar ist, wie der Attentäter es schaffen konnte, trotz Absperrungen und Kontrollen so nahe an die Soldaten heranzukommen. Und die große Frage ist, woher die überall bereits umzingelten Dschihadisten immer noch all die Waffen, Fahrzeuge und Munition herbekommen.

02.08. Die Libysche Nationalarmee flog Angriffe auf den westlichen Teil von Derna.

02.08. Die libysche Zentralbank gab bekannt, dass sich zwischen 2012 und 2016 insgesamt 56 Banküberfälle in Libyen ereignet hätten.

03.08. Das libysche Parlament in Tobruk hat die amerikanischen Luftangriffe auf Sirte verurteilt und den USA vorgeworfen, mit zweierlei Maß zu messen. Der libysche Parlamentsausschuss für Verteidigung und Sicherheit hat den US-Botschafter einbestellt und ihm eine Protestnote übergeben.

03.08. Russland bezieht zu den Bombardierungen des IS in Sirte durch die USA Stellung. Es fordert eine enge internationale Abstimmung und bezieht sich auf das Abkommen von Skhirat, das wegen der fehlenden Zustimmung des Tobruk-Parlaments nicht in Kraft getreten ist.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/einladung-zur-militaerintervention

04.08. Hillary Clinton unterhielt enge Beziehungen zu der französischen Firma Lafarge, die Deals mit dem IS in Syrien machte und heute einer der größten Investoren im Irak ist.[1] Was wusste Botschafter Stevens vor seiner Ermordung über die Waffentransporte von Libyen nach Syrien und Clintons Verstrickungen?
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/eine-spur-in-den-irak-nach-syrien-und-libyen

05.08. Amerikanische Regierungsvertreter erklärten gegenüber Reuters, die Angriffe auf Libyen seien keine isolierten Luftschläge, sondern bildeten den Auftakt eines längeren Krieges.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag:
www.freitag.de/autoren/gela/die-rueckkehr-der-barbaren

06.08. Barak Obama kann getrost in Urlaub fahren, es kann währenddessen weitergebombt werden. Der AFRICOM-Befehlshabers, Marinegeneral Thomas Waldhauser kann eigenmächtig Angriffe in Libyen anordnen, ohne sich beim US-Präsidenten rückversichern zu müssen. Bei einer Befragung vor dem Senat meinte Waldhauser, es mache keinen Sinn, den IS in Libyen nicht aus der Luft anzugreifen.Das Afrika-Kommando der US-Armee hat seinen Sitz im deutschen Stuttgart. Waldhauser war bereits 2011 der Befehlshaber im Krieg gegen Libyen. Und der Kapitän des Flaggschiffes, von dem aus die Flugzeuge für die Bombenangriffe auf Sirte starteten, wurde in einer amerikanischen Militärzeitschrift mit den Worten zitiert: „… Wir werden Flugzeuge mit Waffen starten, und wenn sie zurückkehren, werden sie diese auf irgendjemand abgeworfen haben. Und falls wir die Marines an Land schicken müssen, werden sie ins dickste Schlachtgetümmel kommen.“[2]

06.08. Der Präsident des Tobruk-Parlaments, Agila Saleh, unterstützt nicht die Bitte von Sarradsch an die USA, Luftangriffe gegen den IS in Sirte zu fliegen.

08.08. Die ‚Bewegung Fünf Sterne‘ (Movimento Cinqe Stelle, M5S) von Pepe Grillo, die bei neuesten Wählerumfragen in Italien gut abschneidet, hat die italienische Regierung aufgefordert, den USA nicht zu erlauben, von den Militärstützpunkten in Italien aus Einsätze in Libyen zu fliegen. Die USA starten ihre Luftwaffe vor allem von Sigonella auf Sizilien aus.

09.08. JamahiriyaNewsAgency erklärt Martin Kobler in Libyen zur ‚persona non grata‘. Seine Äußerungen seien respektlos und provokativ, seine Einmischungen riefen unnötige zusätzliche Konflikte hervor, seine Handlungen stünden im Gegensatz zur Charta der Vereinten Nationen und verletzten die Souveränität Libyens.

09.08. Ein Steward von Afrikija Airways ist am Mitiga-Airport bei Tripolis erschossen worden.

09.08. Bereits im Juli äußerte Andreas Dittmann, Anthropogeographieprofessor an der Universtät Gießen, in einem Gespräch mit der Deutschen Welle: „Der ehemalige Herrscher Muammar Gaddafi hatte sich einst auf die beduinische Tradition der gemeinsamen Beratung bezogen. Wenn man sich dieser Tradition des Diskutierens in Volkskomitees - so hieß das unter Gaddafi - bedienen würde, wäre das ein Fortschritt gegenüber der derzeitigen Situation, in der man einander bekämpft. Man hat in Libyen keine Tradition freier Wahlen. Diese hat es im modernen Libyen noch nie gegeben - weder während der Regierungszeit Gaddafis noch davor, als das Land zunächst eine italienische Kolonie und anschließend eine Monarchie war.[3]

10.08. Die Einsatzzentrale der Misrata-Milizen meldet, dass sie in Sirte das Ouagadougou-Konferenzzentrum, in dem der IS sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte, erobert haben. Die USA fliegen weiter Luftangriffe auf Sirte, obwohl die US-Zeitung „The Daily Beast“ einen Artikel veröffentlichte, der darlegt, wie ein führender General in den USA seine Analysten zwang, die Berichte über die Wirksamkeit des ‚Krieges gegen den IS‘ zu schönen. Es steht auch außer Frage, dass sowohl die USA als auch Großbritannien, Frankreich und Italien in Libyen „boots on the ground“ haben, obwohl dies von den jeweiligen Regierungen bestritten wird.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/sirte-oder-die-geheime-invasion-des-westens

11.08. JamahiriyaNewsAgency: Dschamahirija steht dem im Juli aus einem Gefängnis-Dialog hervorgegangenen Entwurf einer Vereinbarung zwischen den Dschamahirija-Kräften und islamistischen Kräften, die auch LIFG-Kräfte beinhalten, kritisch gegenüber. Eine Allianz zwischen den beiden kontroversen Kräften scheint fragwürdig. An dem Dialog nahmen vier Gefangene des al-Hadba-Gefängnisses teil, von denen drei zum Tode verurteilt worden sind. Warum wurden diese dann als Zeichen des guten Willens nicht freilassen? Und warum wurden vor kurzem 17 Gefangene kurz vor ihrer Freilassung im Juni ermordet und ihre Leichen an öffentlichen Plätzen in Tripolis abgelegt? Ist der Dialog eine Reaktion auf die Freilassung Seif al-Gaddafis und dessen Ankündigung, Libyen wieder zu vereinen, den Terrorismus auszumerzen und die Souveränität des Landes wieder herzustellen? Seif al-Gaddafi hat die Unterstützung des Großteils der libyschen Stämme, die sich öffentlich zu ihm bekannt haben.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/gefaengnisdialog-in-tripolis

11.08. Auf Betreiben einer Delegation aus dem Fessan wurde von General Hefter ein elfköpfiges Komitee gebildet, das mit den Stämmen und den Ältestenräten im Fessan über die Möglichkeiten zur Beendigung der Instabilität im Süden verhandeln und zur Bildung einer Armee, bestehend aus den verschiedenen in der Region tätigen Milizen, führen soll. In der Delegation sind auch einige Gaddafisten vertreten.

11.08. Es wird geschätzt, dass in Libyen über zwei Millionen Waffen im Umlauf sind.

11.08. Am fünften Jahrestag der Vertreibung aus Tawerga haben Flüchtlinge in Tripolis und Bengasi für ihre Heimkehr demonstriert. Trotz einiger Versuche, mit Misrata über die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimatstadt zu verhandeln, müssen diese weiterhin unter menschenunwürdigen Bedingungen in verschiedenen Flüchtlingslagern ausharren. In Misrata arbeitet eine machtvolle Lobby gegen die Rückkehr der Flüchtlinge.

11.08. Die US-Zeitung ‚The Daily Beast‘[4] berichtet, wie ein führender CENTCOM-General seine Geheimdienstanalysten zwang, Geheimdienstberichte zu manipulierten. Auch vor den Kongress geladene Zeugen wurden unter Druck gesetzt, um einen positiveren Eindruck über den Krieg gegen den IS vorzugaukeln. Dies fand eine Untersuchungskommission des US-Kongresses heraus, die demnächst mit einem 10-Seiten-Bericht an die Öffentlichkeit treten will. Geheimdienstanalysten hatten eine offizielle Beschwerde eingereicht, weil ihre Berichte über den IS und al-Kaida in Syrien von höhergestellten Beamten abgeändert worden waren. Das Arbeitsklima sei vergiftet gewesen und sie seien genötigt worden, Schlussfolgerungen zu ziehen, die sich aus den vorliegenden Fakten nicht ergeben hätten. Es wird berichtet, dass die für die Fälschungen verantwortlichen Generäle bei CENTCOM die entsprechenden Emails und Ordner vor Einsichtnahme durch die Untersuchungskommission auf ihren Rechnern gelöscht hätten. Nun stellt sich die Frage, warum die Berichte geschönt wurden und auf wessen Veranlassung. Waren es die Generäle oder geht die Befehlskette noch weiter nach oben? Der Ruf nach einer ‚ungeschminkten‘ Wahrheit wird immer lauter.

Auch ein Artikel von RussiaToday befasst sich mit den Vorgängen um frisierte Geheimdienstberichte in den USA, die militärische Erfolge gegen den IS geschönt, gleichzeitig dessen Gefährlichkeit heruntergespielt hätten. Während im Sommer 2015 nach 10.000 US-Luftwaffeneinsätzen gegen den IS noch immer kein größerer Erfolg verzeichnet wurde, konnten russische Luftwaffeneinsätze in Syrien schon nach wenigen Wochen 80 Prozent der IS-Öltankwagen zerstören und damit die Hauptfinanzierungsquelle des IS trockenlegen.[5]
Der IS darf nicht aufgerieben, sondern nur geschwächt werden, reisen auf seinem Ticket doch die Drohnen und Militärjets in all jene Länder, wo er gesichtet wurde.

12.08. Aufgrund der starken Proteste innerhalb der Bevölkerung Libyens sollen sich die französischen Truppen aus dem Land zurückgezogen haben. Sie befänden sich jetzt im Stand-by-Modus auf Malta.

12.08. Eines der beiden Mitglieder, die den insgesamt neun-köpfigen Präsidialrat immer noch boykottieren, ist der aus dem Osten stammende Ali al-Gatrani. Über ‚Premierminister‘ Sarradsch meinte er, dieser befinde sich im politischen Koma und benehme sich wie ein Agent fremder Mächte, die beabsichtigen, Libyen zu teilen und seine Schätze zu stehlen. Sarradsch gefährde die Einheit und Sicherheit Libyens. Gatrani beschuldigte schon früher den Präsidialrat, von der Moslembruderschaft dominiert zu sein.

12.08. Inzwischen sieht es auch Martin Kobler, der UN-Beauftragte für Libyen, ein: „Die Unterstützung [für Sarradsch] bröckelt“, so sagte er in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung.[6]Die Gründe dafür sieht er allein in den anhaltenden Stromausfällen und dem Verfall des Libyschen Dinars, die Intervention und Invasion ausländischen Militärs erwähnt er mit keinem Wort. Er sagt, vordringlichste Angelegenheiten der ‚Sarradsch-Abu-Sita-Regierung‘ seien das Terrorismus- und das Migrationsproblem. Doch dies sind wohl eher die vordringlichsten Angelegenheiten für Europa. Den politischen Weg seiner ‚Abu-Sita-Einheitsregierung‘ hält er für alternativlos. Diese soll das Land in eine Zukunft à la Dubai führen.
Das schmerzt schon fast. Kann es sein, dass er da geographisch, kulturell und politisch etwas durcheinander bringt? Frappierend ist, wie Kobler weite Teile der politischen Realität Libyens einfach ausblendet, was sein Scheitern nicht nur vorhersehbar, sondern auch unvermeidbar macht. Wenigstens gesteht er ein, dass die ‚Abu-Sita-Einheitsregierung‘ von Sarradsch ein Legitimitätsdefizit hat – was Sarradsch aber nicht davon abhielt, fremde Truppen ins Land zu rufen – dass „starke Gruppen“ das politische Abkommen (vermutlich meint er das Skhirat-Abkommen) ablehnen sowie dass der IS in Libyen über keine Basis verfügt und sich fast ausnahmslos aus Ausländern zusammensetzt.

12.08. Laut der dschihadistischen Bengasi-Verteidigungs-Brigade wurde eine vierköpfige Familie, darunter zwei Kinder, von einer französischen Drohne getötet.

13.08. RT strahlt ein Interview mit Julian Assange aus, in dem es unter anderem um die Verbindungen zwischen Hillary Clinton und dem Islamischen Staat IS geht (etwa ab 18. Minute):
https://deutsch.rt.com/international/39968-exklusives-rt-interview-mit-assange/
Assange sagt darin, es sei unbestreitbar belegt, dass zu der Zeit, als Clinton Außenministerin der USA gewesen ist, Libyen genutzt wurde, um Dschihadisten in Syrien Waffen zukommen zu lassen. Dies sei durch verschiedene Quellen gut belegt. 1.700 E-Mails, die aus dieser Zeit stammen und von Wikileaks veröffentlicht worden sind, haben einen Bezug zu Libyen. Daraus geht hervor, wie Clinton die Invasion in Libyen nicht nur politisch, sondern auch organisatorisch anführte. Informationen, die Clinton über die französische Firma Lafarge mit dem IS in Verbindung bringen, hat vor allem Le Monde veröffentlicht. Wikileaks hat 350 E-Mails über Syrien veröffentlicht, die einen Bezug zu Lafarge haben. Daraus geht hervor, dass Lafarge an den IS Geld bezahlt hat. Geld von Lafarge floss 2015 und 2016 auch an die Clinton-Stiftung. Zwischen Lafarge und Clinton gibt es eine lange Beziehung. Sie saß dort im Vorstand. Veröffentlichungen von Wikileaks zur Clinton-Stiftung sind noch zu erwarten.
Assange ist der Ansicht, dass die Beweise, die von Wikileaks veröffentlicht wurden, zur Anklage vor einer Grand Jury ausreichten. Dazu müsste sie aber von einem Staatsanwalt aufgefordert werden. Dies sei bisher nicht geschehen.

13.08. Die Libysche Nationalarmee ist mit einem großen Konvoi militärischer und ziviler Fahrzeuge in der Stadt Zueitina einmarschiert und wurde von deren Bevölkerung enthusiastisch begrüßt. Der Konvoi stoppte kurz vor dem Zugang zu den Erdölterminals. Diese sind von der Petroleum Facilities Guard besetzt, die unter dem Befehl von Ibrahim Dschadran steht.
Vor wenigen Tagen hatten Regierungen der EU und die USA ihre Besorgnis über die wachsenden Spannungen um die Stadt Zueitina und deren Erdölanlagen zum Ausdruck gebracht. Kampfhandlungen, die zu Zerstörungen führen könnten, sollten vermieden werden.
Die Libysche Nationalarmee könnte beabsichtigen, die Ölterminals von Zueitina, Sidra und Ras Lanuf einzunehmen.

14.08. In Tripolis kämpfen Islamisten gegen Islamisten um Macht und Einfluss, während die Bevölkerung leidet. Die ‚Revolutionäre Tripolis-Brigade‘ unter der Führung von Haitham Tadschuri hat das Hauptquartier und einige andere Posten des Geheimdienstes von Tripolis angegriffen und unter ihre Kontrolle gebracht. Die Miliz ‚Tripoli Revolutionaries‘ Brigade‘ ist eine der stärksten Milizen der Stadt. Tadschuri, der auch wegen seiner Korruptheit als unbeliebt gilt, wechselte bereits mehrmals die Seiten. Zunächst bekannte er sich zur Monarchie, wurde 2014 vom General National Congress verhaftet und von der UN als Verbrecher gegen die Menschlichkeit eingestuft. Heute steht er in Feindschaft zu Großmufti al-Ghariani, aber auch zu den LIFG-Milizen und zu islamistischen Misrata-Kräften, aus denen sich vor allem der Geheimdienst in Tripolis zusammensetzt. Er gilt als Unterstützer des Government of National Reconciliation, die aus dem Rumpfparlament des General National Congress hervorgegangen ist. Dessen ‚Präsident‘ Khalifa Ghweil bemüht sich um einen innerlibyschen Dialog der Aussöhnung. Das Government of National Reconciliation kontrolliert immer noch verschiedene Regierungseinrichtungen in Tripolis wie das Gesundheits- und das Kommunikationsministerium.
Die ‚Revolutionäre Tripolis-Brigade‘ berichtet über einen Angriff der Al-Bruni-Brigade, die eng mit dem Chef des Geheimdienstes, Mohamed Muftah Nuh verbunden ist, am Mitiga-Airport. Tadschuri wirf Nuh Bestechlichkeit vor und fordert seine Absetzung. Erst danach wären die ‚Revolutionären Tripolis-Brigaden‘ bereit, die Geheimdiensteinrichtungen wieder zu räumen. Ein weiterer Vorwurf lautet, ein Geheimdienstmitarbeiter hätte versucht, mittels finanzieller Anreize Kollegen zur Spionage für ausländische Staaten zu überreden.
Die ‚Abu-Sita-Einheitsregierung‘ hat bisher keine Stellungnahme zu den Vorgängen abgegeben.
Währenddessen sind in Tripolis Plakate geklebt worden, die den Großmufti al Ghariani auf ‚Zutritt gesperrt‘-Schildern zeigen, das mit einem dicken, roten Diagonalstift durchgestrichen ist und die Aufschrift ‚Nein zur Moslembruderschaft‘ und ‚Schluss mit dem Blutvergießen‘ tragen. Die Verursacher sind unbekannt.

15.08. Laut einem Mitglied des Verteidigungskomitees des russischen Parlaments würden die USA alles tun, um die Abu-Sita-Einheitsregierung zu stützen, deren Situation prekär sei und die ihre Sitzungen immer noch auf der Marinebasis Abu-Sita abhalten müsse. Die amerikanischen Interventionen dienten drei Zwecken: die ‚Einheitsregierung‘ zu stützen, die Position des Tobruk-Parlaments zu schwächen und der Welt zu zeigen, dass man gegen den IS kämpfe.

15.08. Das Missing-Migrants-Projekt hat über den Zeitraum von etwa zwei Monaten 1.400 Migranten, die über das Mittelmeer nach Italien gekommen waren, befragt. Dabei sagte ein Großteil, sie seien Misshandlungen ausgesetzt gewesen und missbraucht worden, so hätten sie für geleistete Arbeit keinen Lohn erhalten, sie seien gefangen gehalten, entführt oder gefoltert worden. Etwa fünf Prozent der Befragten sagten, ihnen sei Geld für Blut, Organe oder Körperteile angeboten worden. Einige seien während ihrer Gefangenschaft zu Blutspenden gezwungen worden.Die meisten Missbrauchsfälle fanden in Libyen statt, einige auch in Ägypten. Große Sorge bereitet die große Zahl Minderjähriger, die alleine unterwegs sind und von denen fast 13.000 dieses Jahr in Italien angekommen sind.

Laut Europol gelten allein in Europa mindestens 10.000 minderjährige Geflüchtete als vermisst. Viele der Vermissten seien Opfer von sexuellem Missbrauch und Sklaverei. Unter dem Titel „Das Schicksal der Verdammten“ heißt es in einem Artikel von Emran Feroz: „So kamen etwa italienische Sozialarbeiter zum Schluss, dass sowohl männliche als auch weibliche Minderjährige aus Nigeria, die das europäische Festland über das Mittelmeer erreicht haben, Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind. Ähnliches ist laut UNICEF auch im französischen Calais der Fall. Sex, sprich, der Akt der Vergewaltigung, hat sich auf den Fluchtrouten mittlerweile als eine Art Währung entwickelt. Wer die Menschenschmuggler nicht mit Geld bezahlen kann, muss dies eben anders tun.“[7]

15.08. Islamistische Milizen halten in dem von ihnen immer noch besetzten Ganfuda-Viertel in Bengasi 200 sudanesischen Arbeiter als menschliche Schutzschilde gefangen. Fünf seien bereits bei Luftschlägen ums Leben gekommen.

16.08. JamahiriyaNewsAgency: Es gibt eine neue Entwicklung im Fall des nach seiner Entführung in Syrien im Libanon seit Dezember 2015 gefangen gesetzten Hannibal Gaddafi: Nachdem es zuerst hieß, er solle in Kürze freikommen, da die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht haltbar seien, musste er erneut vor dem Appelationsgericht erscheinen, wo neue Anschuldigen wegen des Verschwindens von Musa Sadr im Jahre 1978 gegen ihn erhoben wurden. Zu diesem Zeitpunkt war Hannibal Gaddafi zwei Jahre alt.
Die libanesische Regierung konnte gegen Hannibal, der im Gefängnis schwer gefoltert worden war, keine stichhaltige Anklage vorbringen. Das wirft die Fragen auf: Warum werden vom Libanon internationale Gesetze und Normen außer Kraft gesetzt? Warum kommt der Libanon den Aufforderungen Syriens nicht nach, ihren Bürger wieder nach Damaskus ausreisen zu lassen? Warum stimmten die Libanesen zu, Hannibal an die al-Kaida-Kräfte in Tripolis gegen eine Zahlung von 200.000 US-$ auszuliefern und sich damit zu deren Handlagern zu machen? Um welchen Verrat geht es hier eigentlich, wenn der Libanon sogar bereit ist, politischen Suizid zu begehen und seine internationale Reputation aufs Spiel zu setzen? An alle Menschenrechtsorganisationen ergeht die Aufforderung, sich für die unverzügliche Freilassung Hannibal Gaddafis einzusetzen!

16.08. In einem Stadtteil von Bengasi, der noch immer vom Revolutionären Schura-Rat Bengasi gehalten wird, mussten Spezialeinheiten der libyschen Armee schwere Verluste durch Sprengvorrichtungen und Minen erleiden. Zehn Soldaten wurden getötet, 35 weitere verletzt. Es stellt sich nach wie vor die Frage, wieso die dschihadistischen Milizen trotz Umzingelung immer noch über genug Waffen, Munition und Sprengsätze verfügen.

16.08. Beim Vormarsch gegen den IS in Sirte haben IS-Dschihadisten zwei Autobomben gezündet, die fünf Soldaten der Bunjan-Marsous-Force tötete und 25 verletzte. Der Kommandant gab an, der weitere Vormarsch könne nur äußerst langsam vonstattengehen.
JamahiriyaNewsAgency merkt dazu an: Verfolgt man die Vorgänge um Sirte, stellt sich einem die Frage, wieso der IS immer noch nicht endgültig besiegt werden konnte. Während der letzten Monate wurde er bereits mehrmals aus Sirte vertrieben, kehrte dann aber immer wieder in die Stadt zurück. Es scheint sich hierbei um ein strategisches Vorgehen zu handeln, dass zwischen ausländischen Kräften und den Truppen der ‚Einheitsregierung‘ koordiniert wird.

17.08. Die mit der Libyschen Nationalarmee liierten Zinten-Milizen geben bekannt, dass sie neben 20 anderen IS-Kämpfern auch den von Tunesien gesuchten Top-Terroristen Abu Nassim, oder Moes Ben Abdulgader Ben Achmed al-Fessani, gefasst hätten. Die IS Kämpfer waren aus Sirte geflohen und auf den Weg nach Tunesien.
Nassim wird beschuldigt, maßgeblich im März an dem IS Versuch beteiligt gewesen zu sein, die tunesische Grenzstadt Ben Guerdane unter ihre Kontrolle zu bringen. Es gab 58 Tote.

18.08. Bei zwei Autobombenanschlägen wurden in Sirte 10 Soldaten der Bunjan Marsous Miliz getötet und 65 verletzt.
In die befreiten Stadtgebiete werden Hilfsgüter geliefert.

18.08. Das US-African-Command berichtet, es hätte seit 1. August insgesamt 62 Luftangriffe im Rahmen der ’Operation Odyssey Lightning‘ gegen den IS in Sirte geflogen.

18.08. Der Machtkampf verschiedener Milizen in Tripolis tobt weiter. Diesmal ist die Miliz von Abdul Ghani al-Kikli (oder Ghneiwa) gegen die Salah al-Burki-Miliz aufmarschiert. Die al-Burki-Miliz kommt aus Misrata, während die Kikli-Miliz in den Nafusa-Bergen beheimatet ist.

18.08. Bewaffnete griffen die Hauptzentrale des Hatif-Libya-Telekommunationszentrums in Tripolis an und unterbrachen die Kommunikation in weiten Teilen des Landes.

19.08. Die neuesten Erhebungen ergaben, dass in Libyen 348.372 Personen aus ihren Heimatorten vertrieben sind, 310.265 dahin zurückkehren konnten und sich 275.860 Migranten im Land aufhalten. Vor allem nach Bengasi konnten viele Flüchtlinge zurückkehren. Die Zahl der Migranten ist seit der letzten Erhebung um fünf Prozent gestiegen, zwei Prozent von ihnen befinden sich in Gefangenenlagern. Ihre Hauptherkunftsländer sind Niger, Ägypten und Tschad.
In dieser Statistik finden die vielen ins benachbarte Ausland oder nach Europa geflohenen Dschamahirija-Leute ebenso wenig eine Erwähnung, wie die vielen entführten oder noch in Gefängnissen Festgehaltenen.

19.08. In Bengasi finden Demonstrationen gegen den Präsidialrat und die ‚Abu-Sita-Einheitsregierung‘ statt, an denen auch Premierminister Abdullah al-Theinni teilnimmt.

19.08. JamahiriyaNewsAgency: Der IS und al-Kaida attackieren die Hauptstadt Tripolis und die westlichen Landesteile. In Tarhuna wurden IS-Lager entdeckt.

20.08. Die Libysche Nationalarmee gibt bekannt, dass Bereiche der noch immer teilweise vom IS besetzten Stadtteile in Bengasi befreit werden konnten. Es wird weiterhin heftig gekämpft. Ein Problem stellen die vielen vom IS platzierten Minen beim weiteren Vorrücken dar. Einige gefangene Soldaten konnten sich aus der IS-Gefangenschaft befreien und sind sicher bei Armeestützpunkten angekommen.

20.08. RussiaToday erklärt General Hefter zur unbekannten Variablen im libyschen Machtkampf.[8] Die Aussage eines ehemaligen libyschen Botschafters lautete: „Die Amerikaner kennen ihn sehr, sehr gut.“
Russia Today verweist auf folgende Videos:
https://www.youtube.com/watch?v=Vc0--pCkz1w
https://www.youtube.com/watch?v=gZHHi6kzV-I

21.08. Verwirrung um die seit Monaten andauernde Sperrung der Küstenstraße zwischen Tripolis und Zawia (nicht weit westlich von Tripolis gelegen) durch Wirschefana-Milizen. Der Wirschefana-Stamm ist verbündet mit dem Tobruk-Parlament und der Libyschen Nationalarmee. Dagegen ist Zawia unter Kontrolle islamistischer Milizen (Mohamed-Kilani-Brigade), die vom sogenannten ‚Revolutionary Operations Room‘ (aus Bengasi geflohene Islamisten) unterstützt werden. Die islamistischen Zawia-Milizen fordern die Öffnung der Küstenstraße.
Beide Seiten haben mobilisiert, es kam zu vereinzelten Zusammenstößen, Verhandlungen wurden erfolglos abgebrochen.
Es wird befürchtet, die islamistischen Milizen könnten nach Tripolis einmarschieren, um dort die Macht an sich zu reißen. Misrata-Kräfte sollen deshalb in Verhandlungen mit dem Wirschefana-Stamm getreten sein, damit diese die Straßenblockade aufrechterhalten.
Es kann also keinesfalls davon gesprochen werden, dass Libyen in einen Ost- und einen Westteil gespalten ist. Bedeutende Stämme im Westen unterstützen die im Osten befindliche Regierung unter al-Theinni und deren Libysche Nationalarmee.

21.08. Es sieht schlecht aus für die Abu-Sita-Einheitsregierung: Die Ältesten des Obeidat-Stammes haben eine Vereinbarung abgelehnt, das die Abu-Sita-Einheitsregierung anerkennen sollte und zum Ende der Kämpfe in Bengasi und Derna aufrief. Stattdessen bezeichneten die Stammesältesten die Abu-Sita-Einheitsregierung als „Besatzungsregierung“ und erneuerten ihre Unterstützung für die al-Theinni-Regierung, das Tobruk-Parlament und die Libysche Nationalarmee.
Das Abkommen wurde einen Tag vorher in Tunis mit Misrata-Leuten ausgehandelt. Allerdings soll das verhandelnde Obeidat-Mitglied zum dschihadistischen Derna-Mudschaheddin-Schura-Rat gehören, der mit al-Kaida verlinkt ist, und in keiner Weise den Obeidat-Stamm repräsentiert.

21.08. In Tripolis drohen die Arbeiter des Energieversorgers GECOL mit unbefristetem Streit, wenn ihre seit März ausstehenden Gehälter nicht bezahlt werden. Ein Streit könnte die dürftige Energieversorgung völlig zum Erliegen bringen.
Auch wenn Gehälter überwiesen werden, sind die Banken mangels Bargeld nicht in der Lage, Gelder auszuzahlen. Auch für die Wartung der Kraftwerke ist kein Geld vorhanden.

22.08. Das Tobruk-Parlament stimmt gegen die Annahme des ‚Libyschen Polit-Abkommens‘ von Skhirat und somit gegen die UN-gestützte Einheitsregierung in Tripolis.
Eine Ohrfeige für die sogenannte ‚internationale Gemeinschaft‘ und den UN-Vertreter Martin Kobler.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: https://www.freitag.de/autoren/gela/tobruk-parlament-stimmt-gg-einheitsregierung

22.08. JamahiriyaNewsAgency: Im Südosten der Stadt Bani Walid wurden Luftangriffe geflogen, vermutlich von den USA. , Sarradsch, soll sich in Tunesien mit dem Chef von AFRICOM getroffen haben, um über die Ausweitung von Luftangriffen in Libyen zu beraten.

22.08. Abdul Rassak al-Nahuri, Generalmajor der Libyschen Nationalarmee, flog nach Zinten zu Gesprächen mit örtlichen Milizen und Offiziellen. Er signalisierte damit seine Unterstützung für die Zintanis und die Wirschefanis.

23.08. JamahiriyaNewsAgency: Fajes al-Sarradsch verließ über den Mitiga-Flugplatz bei Tripolis Libyen in Richtung Italien.

23.08. Generalmajor Abdul Rassak al-Naschuri, Militärgouverneur des Tobruk-Parlaments, zuständig für die nördliche Kyrenaika, hat die Absetzung des Bürgermeisters von Ajdabija, Salem Dschedhren, angeordnet. Salem Dschedhren ist der Bruder von Ibrahim Dschedhren, Kommandant der Petroleum Facilities Guard.
Ajdabija mit seinen Ölfeldern und Ölterminals ist das einzige Gebiet im Osten Libyens, das noch nicht die Libysche Nationalarmee unterstützt. Die Libysche Nationalarmee ist zwar in die Stadt eingerückt, die Erdölanlagen sind aber immer noch unter Kontrolle der Petroleum Facilities Guard.
Naschuri hat auch schon den Bürgermeister von Bengasi durch einen Armee-Obersten ersetzt.
Vor zwei Tagen hat der Ältestenrat des Magharba-Stammes die Unterstützung der Libyschen Nationalarmee erklärt.

24.08. Der Präsident des Tobruk-Parlaments, Agila Saleh, hat in einem Brief den UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon aufgefordert, sowohl den Präsidialrat als auch die ‚Einheitsregierung‘ nach deren Ablehnung durch das Tobruk-Parlament nicht länger als Ansprechpartner zu betrachten. Sollte Ban Ki-Moon sich weigern, würde gegen die Vereinten Nationen eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof erfolgen.
Der Präsidialrat hat verlauten lassen, er akzeptiere die Ablehnung der gegenwärtigen ‚Einheitsregierung‘ und werde eine neue Ministerliste vorlegen. Allerdings sollten die alten Minister im Amt bleiben bis eine neue Regierung gewählt sei. Dies würde bedeuten, dass sich praktisch trotz der Parlamentsentscheidung erst einmal gar nichts ändert.
Agila Saleh steht weiterhin auf der UN-Sanktionsliste, da er die ‚Einheitsregierung‘ nicht anerkannt hat. Logischerweise müssten aber wohl die UN, die USA und die EU selbst auf einer roten Liste stehen, da sie eine nicht legal im Amt befindliche Regierung gegen ein legal gewähltes und international anerkanntes Parlament unterstützen.
Wie erwartet, stellen sich die USA und die EU ebenso wie Martin Kobler weiterhin hinter die ‚Einheitsregierung‘ und den Präsidialrat. Es ist offensichtlich, wer in Libyen Regierungen und Minister einsetzt.
Das ‚Libysche Polit-Abkommen‘ von Skhirat sah ursprünglich eine Trennung von Exekutive und Legislative vor, erstere sollte vom Präsidialrat und der ‚Einheitsregierung‘ ausgeübt werden, für die Legislative wäre das Tobruk-Parlament zuständig. Dieses Konstrukt ist gescheitert.

24.08. Der Kommandant der libyschen Küstenwache unterschreibt in Rom im Namen der ‚Abu-Sita-Einheitsregierung‘ (die gar nicht mehr im Amt sein dürfte) eine Vereinbarung über die Ausbildung der libyschen Küstenwache durch die EU. Anwesend ist auch der italienische Admiral Credendino, Chef des europäischen Anti-Schmuggler-Einsatzes ‚Sophia‘. Nahezu gleichzeitig sagt in Libyen der Sprecher der libyschen Marine über die ‚Operation Sophia‘: „Offensichtlich braucht Italien mehr Zeit, um noch länger Libyens Ressourcen stehlen und sein Öl schmuggeln zu können.“[9]Er bezichtigt Italien der illegalen Fischerei vor Libyens Küste.

24.08. Die libysche Marine beschoss ein Schiff von ‚Ärzte ohne Grenzen‘, das angeblich die Überprüfung der Personalien von den an Bord befindlichen Personen verweigerte. Kurioserweise hat die dafür verantwortliche libysche Marineeinheit in der gleichen Marinebasis ‚Abu Sita‘ ihren Stützpunkt, in dem sich auch Sarradsch und sein Präsidialrat verstecken.[10]

24.08. JamahiriyaNewsAgency: Es gab ein Treffen zwischen den Bürgermeistern und Beamten von Jansur (im Westen gelegener Vorort von Tripolis) und denen von Zinten mit dem Ziel, die Beziehung zwischen beiden wieder zu verbessern. Verhandelt wurden die Rückkehr von Bürgern, die aus Jansur nach Zinten geflohen waren, die Sperrung der Küstenstraße zwischen Zawia und Tripolis durch Zinten-Milizen und das Verhältnis zwischen Jansur und den benachbarten Wirschefana-Stamm. Zinten und Wirschefanis sind Verbündete des Tobruk-Parlaments und der Libyschen Nationalarmee, während der Stadtrat von Jansur ehemals die Allianz des islamistischen Libyschen Fadschr (Morgendämmerung) unterstützte.

24.08. JamahiriyaNewsAgency: Die Libyschen Stammesführer sprechen der Libyschen Nationalarmee ihre Unterstützung aus, ebenso wie dem Tobruk-Parlament. Die libysche Jugend wird aufgerufen, Ibrahim Dschedhren und seine Petrol Facilities Guard, die sich der Einheitsregierung und der aus LIFG (Libyan Islamic Fighting Group) bestehenden Nationalgarde angeschlossen haben, zu verlassen.

25.08. Die medizinische Fachzeitschrift The Lancet gab bekannt, dass laut einer Studie die Lebenserwartung seit dem Beginn des sogenannten „arabischen Frühlings“ in 22 Ländern, unter anderem Libyen, Syrien, Tunesien und Ägypten, zum Teil beträchtlich gesunken ist und sich auch die Säuglingssterblichkeit erhöht hat, während sich in diesen Ländern bis 2010 diese Zahlen deutlich verbessert hatten. Zurückgeführt wird dies auf einen Mangel an medizinischer Ausstattung, Personal und Medikamenten. Aufgrund einer schlechteren Versorgung mit Wasser und Strom seien auch die Hygienestandards abgesackt.[11]

26.08. JamahiryaNewsAgency: Die im März begonnen Verhandlungen im Rahmen des innerlibyschen Gefängnisdialogs, der sogenannten „Vergesst September (1969) und Februar (2011)“-Initiative, werden beendet.
Siehe meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/gefaengnisdialog-in-tripolis
Niemand wird sich für die ‚September-1969-Revolution‘ entschuldigen, denn diese Revolution war nicht nur ein Sieg für Libyen, sondern für die Humanität.
Die brutalen Morde an Offizieren der Libyschen Nationalarmee in Tripolis im März, an der ehemaligen Sekretärin für Frauenangelegenheiten des Tawerga Volkskongresses im Mai und an 15 Gegangenen des Al-Hadba-Gefängnisses vor ihrer Freilassung im Juni hätten jegliches Vertrauen in eine ernsthafte Verhandlungsbereitschaft der Gegenseite zerstört. Deren Verhandlungsführer ist Khaled al-Sharif, Kommandant der Libyan Islamic Fighting Group.
Der „Gefängnisdialog“ solle nur dazu genutzt werden, die US-UN-installierte ‚Einheitsregierung‘ und die sie unterstützende Moslembruderschaft an der Macht zu halten, die die Zerschlagung des gewählten Tobruk-Parlaments und der Libyschen Nationalarmee verfolgten. Erneut werde die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen gefordert inklusive des Gefangenen Abdullah Senussi (Schwager und enger Vertrauter Muammar al-Gaddafis), damit er ohne Drohungen, die sich gegen ihn oder seine Familie richten, seine Ansichten äußern könne.[12]
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/die-rolle-katars-in-libyen

26.08. Die sogenannte ‚Einheitsregierung‘ bezeichnet sich nach ihrer Ablehnung durch das Tobruk-Parlament als ‚geschäftsführende Einheitsregierung‘ (caretaker Government of National Accord).Da sie nach der Ablehnung durch das Tobruk-Parlament eigentlich gar nicht mehr im Amt sein dürfte, hat sie sich einfach ‚geschäftsführend‘ wieder ins Amt gesetzt. Der sogenannten ‚internationalen Gemeinschaft‘ ist kein Trick zu billig.
In dieser ‚geschäftsführenden‘ Funktion hat sie den schon dreimal abgesetzten libyschen UN-Botschafter Ibrahim Dabbaschi durch Elmahdi S. Elmadscherbi ersetzt. Dabbaschi hatte sich dahingehend geäußert, dass er die ‚Einheitsregierung‘ mit ihrem Präsidialrat als gescheitert betrachtet.

26.08. In Ganfuda wurden durch einen Selbstmordanschlag drei Soldaten getötet und zehn verletzt.

27.08. Einer Landmine fielen in Gawarsha sechs Soldaten der Libyschen Nationalarmee zum Opfer.

28.08. Beim Vorrücken von Misrata-Kämpfern auf Stellungen des IS in Sirte wurden bei fünf Autobombenanschlägen 35 Soldaten getötet und 180 verletzt.
Seit Mai wurden insgesamt 400 Kämpfer getötet und mehr als 2000 verwundet, die meisten davon aus Misrata.
Die Misrata-Brigaden gehen seit einiger Zeit mit Nachdruck gegen den IS in Sirte vor, während sie ihn vormals eher tolerierten. Dies scheint auch mit der veränderten Politik der Türkei dem IS gegenüber in Zusammenhang zu stehen. Die Türkei war und ist ein enger Verbündeter der islamistischen Misrata-Milizen, hat in die Stadt zu Wasser und zu Luft während der ganzen Jahre trotz Waffenembargos unvermindert Waffen, Munition und Kämpfer geliefert und die Stadt mit allem Nötigen versorgt. In Misrata hält sich der türkische Botschafter auf und die Türkei hielt die ganze Zeit über den regulären Flugverkehr zwischen der Türkei und Libyen über Misrata aufrecht, auch als alle anderen Airlines Libyen nicht mehr anflogen. Doch seitdem Syrien verloren scheint und sich dort ein Kurden-Staat mit drei US-Stützpunkten (von denen einer bereits in Betrieb ist) anbahnt, scheint die Türkei ihre Taktik gegenüber dem IS geändert zu haben.

28.08. Die Libysche Nationalarmee dehnt ihren Einflussbereich massiv in Richtung Zentrallibyen aus. In der südlichen Oasenstadt Kufra wurde der Bürgermeister durch einen Armeeoberst ersetzt.

28.08. Die libysche Botschaft im Tschad wurde auf Anordnung der tschadischen Regierung geschlossen. Offizieller Grund ist der Aufenthalt einer zu großen Anzahl libyscher Diplomaten in der Botschaft in Dschamena. Der inoffizielle Grund könnte jedoch in der Forderung Sarradschs liegen, dass die Europäer mehr Druck auf die südlichen Nachbarn Libyens, Tschad und Niger, auszuüben sollten, damit diese ihre Grenzen besser kontrollieren, um den Flüchtlingsstrom in Richtung Libyen zu begrenzen. Dies äußerte Sarradsch letzte Woche gegenüber dem ‚Spiegel‘.
Besorgt reagierte die Regierung des Tschads auch auf die Weigerung Libyens, nach dem Umsturz von 2011 weiterhin die Angehörigen des Tibu-Stammes, die im Aozou-Streifen (nördliches Tibesti-Gebirge, an der Grenze Libyen – Tschad) leben, die libysche Staatsangehörigkeit zuzuerkennen. Libyen hatte den Tibu dies im Jahre 1972 zugesagt. Der Grund für die Verweigerung könnte darin liegen, dass sich die Tibu-Verbände 2014 dem Tobruk-Parlament und seiner Regierung angeschlossen haben.
Der Aozou-Streifen gehörte gemäß eines – allerdings nicht ratifizierten Vertrags aus der Kolonialzeit – zu Libyen. 1994 sprach der Internationale Gerichtshof den umkämpften Aozou-Streifen, der auch reich an Bodenschätzen ist, dem Tschad zu.

28.08. Armeesprecher Oberst Achmed Mismari erklärte, der Gawarsha-Bezirk von Bengasi sei vollständig unter Kontrolle der Libyschen Nationalarmee und würde nun von Landminen geräumt. Extremisten von al-Kaida, Ansar al-Scharia und dem IS seien in jetzt nur noch zwei Bezirke abgedrängt worden.
Die Luftwaffe hätte vor der Küste ein Boot mit Waffen, Munitin und Sprengstoff versenkt und die Marine würde jetzt alle Fluchtwege über die See abschneiden.
Mismari weiter: „Wir nehmen keine der von dieser [Einheits]Regierung getroffenen Entscheidungen zur Kenntnis, das gilt auch für die neu geschaffene Präsidialgarde, die ausländischen Intervention in [Sirte] und die Schlacht um Sirte.“ Es würden auch die „ungesetzlichen Milizen und Gangs bekämpft, die zu [Premierminister] Sarrdsch gehören“.[13]

28.08. Bereits am 26. Juli veröffentlichte der Generalinspekteur des Pentagons einen Bericht, wonach die Armee der USA im Jahr 2015 nicht angemessen belegte … „adjustments“ (Anpassungen, in diesem Zusammenhang wohl Ausgaben) in Höhe von 6,5 Billionen Dollar vorgenommen hat.[14] Es verschwanden eine Unmenge Belege aus dem Abrechnungssystem, wofür es keine Erklärung gibt.[15] Laut radio-utopie.de interessierte sich öffentlich niemand dafür, bis Counterpunch[16] diesen Sachverhalt aufgriff.
Wie radio-utopie.de[17] ausführt, bedeutet dies de facto die Aussetzung der Gewaltenteilung. Der unkontrollierte Militärapparat sei eine Gefahr für die Demokratie. Man kann nur vermuten, wohin diese Gelder flossen, ob damit Milizen im Nahen Osten finanziert und ausgestattet oder Geheimoperationen zum Sturz unliebsamer Regierungen durchgeführt wurden und werden.

28.08. Aus neu aufgetauchten E-Mails Hillary Clintons geht hervor, dass genaue Reise- und Aufenthaltsdaten des später in Bengasi ermordeten amerikanischen Botschafters Stevens über den privaten und unzureichend gesicherten Account von Clinton ausgetauscht wurden.[18]

29.08. An der Präsidialratssitzung zur Erstellung einer neuen, auf acht Posten gekürzten Ministerliste für das Parlament nahmen einschließlich Sarradsch ganze vier von neun Mitgliedern des Präsidialrates teil. Von den fünf anderen fehlte nur einer entschuldigt. Der Präsidialrat hat bis Mittwoch Zeit, diese Liste vorzulegen. Diese neue Liste wäre eine Voraussetzung für die Zustimmung des Tobruk-Parlaments zur ‚Einheitsregierung‘.

29.08. Mustafa Senella, Direktor der National Oil Corperation in Tripolis, gab dem Präsidialrat die Schuld daran, dass Libyen täglich 10 Millionen US-$ an Einnahmen entgehen. Der Grund dafür sei, dass die National Oil Corperation kein Geld erhalte, um ihre Arbeit ausführen zu können. Senella forderte vom Präsidialrat eine Erklärung für die ausbleibenden Zahlungen. Die Öleinnahmen gehen an die Libysche Zentralbank, die mittlerweile zu 49 Prozent Katar gehört.
Vielleicht liegt die Erklärung darin, dass Libyen im Sinne der USA gar nicht mehr Öl auf den Markt pumpen soll, denn dies würde den Ölpreis noch stärker drücken.

29.08. JamahiriyaNewsAgency: Im Gegensatz zu den Behauptungen, ist Katar nicht nur Gastgeber für die Doha-Treffen, sondern die von der Türkei, Katar, den USA und den UN unterstützen Moslembrüder hätten dort über den Vorsitz von Khaled al-Scharif von der Libyan Islamic Fighting Group großen Einfluss. Bei dem letzten Doha-Treffen gab der UN-Sondergesandte für Libyen, Martin Kobler, bekannt, er hätte sich vorab mit dem katarischen Außenminister Scheich Mohammed bin Abdul Rachman getroffen und ihn über die ermutigenden Entwicklungen in Libyen unterrichtet.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: www.freitag.de/autoren/gela/die-rolle-katars-in-libyen

31.08. Der Flughafen von Mitiga (noch funktionsfähiger Militärflughafen nahe Tripolis) scheint nicht mehr unter Kontrolle der ‚Einheitsregierung‘ von Sarradsch zu stehen. Zunächst machten die ‚islamistischen Revolutionsbrigaden von Tripoli‘ unter der Leitung von Haithem Tadschuri einen Airbus der Afrikija Airways flugunfähig, indem sie seine Reifen zerstachen. Das Flugzeug sollte verwundete Soldaten der Misrata-Milizen nach Tunis ausfliegen. Daraufhin drangen Misrata-Milizen in das Flughafenkontrollzentrum ein und erzwangen die Umleitung von Flügen vom Mitiga-Flughafen nach Misrata. Einige Fluglinien stellten ihre Flüge nach Mitiga inzwischen ein.
Die Kontrolle über den Mitiga-Flughafen hatte bisher die Rada-Miliz unter Abdel Rauf Kara, die der ‚Einheitsregierung‘ ihre Loyalität zugesagt hatte.

31.08. Und das Beste kommt zum Schluss: Libyaherald meldet, dass einige politische Aktivisten doch tatsächlich ihren König wieder haben wollen! Sie möchten Libyen wieder zur Monarchie machen, König sollte der in London lebende Prinz Mohamed al-Rida al-Senussi werden.
Wenn dies der Libyaherald schreibt, ist erstens die ‚Einheitsregierung‘ unter Sarradsch völlig am Ende und fällt zweitens dem Westen wirklich nichts Neues mehr ein.
Hat es sich noch nicht rumgesprochen, dass wir uns im 21. Jahrhundert befinden und Monarchien höchstens abgeschafft, aber bestimmt nicht mehr eingesetzt werden können? Wurde der Krieg gegen Libyen nicht unter dem Vorwand geführt, das Land mit Demokratie nach westlichem Vorbild beglücken zu wollen?

Artikelhinweis: www.rationalgalerie.de/home/bomben-premiere-in-libyen.html

Quellen (soweit nicht anders vermerkt): jamahiriyanewsagency.wordpress.com / libyaherald.com / http://parstoday.com / jungewelt.de / welt-im-blick.de / http://vivalibya.wordpress.com / https://deutsch.rt/com / nnz.ch / heise.de / radio-utopie.de / derstandard.at


[1] http://www.thecanary.co/2016/07/29/paris-strikes-astonishing-partnership-secret-isis-sponsor-ties-hillary-clinton/

[2] http://www.marinecorpstimes.com/story/military/2016/06/25/wasp-deployment-middle-east/86373458/

[3] http://www.dw.com/de/libyen-braucht-einen-starken-staat/a-19396285

[5] https://deutsch.rt.com/meinung/40048-bericht-legt-offen-us-militarspitze/

[6] http://www.nzz.ch/international/nahost-und-afrika/krieg-und-terrorismus-die-libyer-brauchen-eine-vision-ld.110510

[7] http://www.nachdenkseiten.de/?p=34663#more-34663

[8] https://deutsch.rt.com/afrika/40082-libyen-general-haftar-bleibt-unekannte/

[9] www.libyaherald.com/2016/08/24/eu-to-train-libyan-seamen-to-tackle-people-smugglers/

[10] www.heise.de/tp/news/Libysche-Kuestenwache-schiesst-erneut-auf-Rettungsschiff-3307760.html

[11] www.inews.co.uk/essentials/news/health/arab-spring-shortened-life-expectancy-22-countries/

[12] https://vivalibya.wordpress.com/2016/08/26/damn-the-forget-september-and-february-conspiracy-release-all-political-prisoners-now/

[13] http://en.libyaschannel.com/2016/08/26/army-claims-new-victories-in-benghazi-renews-rejection-of-unity-government/

[14] http://www.dodig.mil/pubs/documents/DODIG-2016-113.pdf

[15] http://www.williamengdahl.com/englishNEO22Aug2016.php

[16] http://www.counterpunch.org/2016/08/11/pentagon-money-pit/

[17] www.radio-utopie.de/2016/08/28/u-s-armee-keine-belege-ueber-65-billionen-dollar-ausgaben/

[18] http://nesaranews.blogspot.gr/2016/08/bombshell-hillary-clintons-benghazi.html?utm_source=feedburner&utm_medium=email&utm_campaign=Feed:+NesaraForumsAndNewsSources+(NESARA+FORUMS+AND+NEWS+SOURCES)

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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