Libyscher Ölsektor in arger Bedrängnis

Libyen. Spritschmuggel: Reimporte nach Italien und schwere Vorwürfe des Rechnungsprüfungshofes.

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Laut Berichten des britischen Petroleum Economist[1] sollen neun Prozent des in Italien verkauften Sprits aus libyscher Schmuggelware stammen: „Das Ausmaß des Treibstoffschmuggels in Libyen wurde im September durch einen Bericht der UN-Expertengruppe aufgedeckt. Aufgrund mangelnder Raffineriekapazitäten bezahlt Libyen jährlich 3,3 Milliarden US-Dollar für den Import von Benzin und raffinierter Produkte v.a. aus Italien.“ Der aus Italien kommende Sprit wird in Zawija, dem größten westlichen Ölhafen gelöscht. Aus Milizen bestehende Schmuggelbanden zweigen hier einen Großteil des Sprits, der für die libysche Bevölkerung bestimmt ist, ab und bringen ihn mit einer 70 Boote umfassenden Flotte nach Malta, von wo aus er zurück nach Italien geschmuggelt wird.

„Die italienische Polizei hat damit begonnen, das Kettenende dieses Schmuggeldeals zu untersuchen. Eine Quelle, die der libyschen NOK (National Oil Company) nahesteht, sagte Petroleum Economist, dass es sich bei 9 % des an italienischen Tankstellen verkauften Sprits um Treibstoff handelt, der aus Libyen zurückgeschmuggelt wird.“

Bereits im Juni verhängten die Vereinten Nationen und die USA Sanktionen gegen sechs Zawija-Schmuggler, darunter der vor Ort für die Überwachung zuständige Behördenchef.

Angesichts dieser Ermittlungen erscheinen auch Beschuldigungen des libyschen Rechnungsprüfungshofs (Audit Bureau)[2] nicht mehr aus der Luft gegriffen, die in einem Bericht schwere Vorwürfe gegen die NOC erhoben hatten, auch wenn diese vom Vorsitzenden der NOC, Mustafa Sanella, als falsche Behauptungen zurückgewiesen wurden. Es hätte eine Medienkampagne gegen die NOK gegeben, welche die Öffentlichkeit in die Irre geführt habe, um ein negatives Bild über die Führung des Ölsektors zu vermitteln.

In dem Bericht des Rechnungshofes hieß es auch, dass die NOC den Tripolis-Milizen günstige Wechselkurse für ihre Akkreditive[3] vermittelten, die die Milizenführer über Nacht reich machten.

Wen wundert es da, dass angesichts all dieser Vorwürfe gegen die NOC in Libyen das Gerücht aufkam, dass es sich am 9. September 2018 bei einem mutmaßlichen IS-Angriff von Bewaffneten auf das Hauptgebäude der NOC in Tripolis[4] um eine gesteuerte Aktion gehandelt habe, bei der Unterlagen vernichtet werden sollten, die belegen könnten, wie die NOC schwarze Erdölgeschäfte u.a. mit der italienischen ENI abschloss, die nicht über die Bücher liefen. Es soll sich dabei um einen Betrag von 112 Milliarden US-$ handeln. Auch die Firma Wintershall soll involviert gewesen sein, in Zusammenarbeit mit dem damaligen UN-Sondergesandten Martin Kobler.

Die NOC hat jedenfalls erst einmal eine für diese Tage angesetzte Konferenz in Bengasi mit ausländischen Ölgesellschaften auf Ende des Monats verschoben. Es soll an Unterlagen aufgrund des Überfalls auf ihr Büro in Tripolis mangeln.

[1] http://www.petroleum-economist.com/articles/politics-economics/middle-east/2018/one-step-forward-two-back-in-libya

[2] https://www.libyaobserver.ly/economy/libyas-state-oil-firm-rebuts-audit-bureaus-report-says-it-was-false-claims

[3] Laut Wikipedia sind Akkreditive Verpflichtungen eines Kreditinstituts, bei Auslandsgeschäften nach Weisungen des Auftraggebers bei Vorlage bestimmter Dokumente Zahlungen an einen bestimmten Zahlungsempfänger zu leisten.

[4] https://www.freitag.de/autoren/gela/is-terrorakt-in-tripolis

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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