LNA erobert Erdölanlagen zurück

Libyen. Das letzte Aufbäumen der dschihadistischen, radikal islamistischen Kräfte wurde durch die Libysche Nationalarmee beendet.

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Wieder einmal haben die ausländischen Drahtzieher und ihre radikal-islamistischen Helfer die Rechnung ohne die libyschen Stämme und Städte und die Libysche Nationalarmee (LNA) gemacht: Die LNA hat nicht nur die Erdölanlagen von Ras Lanuf und Sidra zurückerobert, sondern die Bengasi-Verteidigungsbrigaden (BDB) auch aus dem dreißig Kilomter westlich von Sidra gelegenen Ben Dschawad vertrieben.

Unklar ist, was aus der 12. Infanteriebrigade, die al-Bargathi, dem Verteidigungsminister der ‚Einheitsregierung‘ untersteht, geworden ist. Sie sollte die BDB bei der Sicherung der Ölanlagen ablösen. Hat sie die Seiten gewechselt, hat sie sich zurückgezogen oder beides?

Derweil fliegt die LNA Luftangriffe auf die nach Dschufra geflüchteten Bengasi-Verteidigungsbrigaden und will Truppen dorthin in Bewegung gesetzt haben.

Auch im Osten der Stadt Sirte soll es zu Kämpfen zwischen LNA-Einheiten und Misrata-Milizen gekommen sein. In Sirte selbst wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt.

Nur 48-Stunden nach der Rückeroberung der Erdölanlagen durch die LNA flog der britische Botschafter Peter Millett zu einem Gespräch mit General Hefter nach Bengasi, wo ihm nahegelegt wurde, die Unterstützung der Moslembruderschaft zu beenden.

Die Sicherheitslage in der Hauptstadt Tripolis kollabiert

Wegen schwerer Kämpfe wurden im Geschäftsviertel von Tripolis und im Westen der Stadt der Tripolis-Tower, der Bulajla-Tower und weitere Gebäude evakuiert. Auch das Marriott-Hotel wurde getroffen. Die Kämpfe sind eine Fortsetzung der Auseinandersetzungen vom 8. dieses Monats, bei dem das Hauptgebäude der Aman-Bank in Flammen aufging, nachdem es von wütenden Bewohnern angegriffen worden war. Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte die Ermordung eines Bankkunden durch ein Mitglied einer Misrata-Miliz, die die Bank schützen sollte.

Die Einwohner von Tripolis haben sich schon wiederholt gegen die Präsenz von radikal-islamistischen Berbermilizen und Milizen aus Misrata zur Wehr gesetzt. Inzwischen haben sich Milizen verschiedener Ausrichtungen in die Kämpfe eingemischt. Dabei wurden Geschäfte, Cafés und zwei Banken, darunter die Nationale Handelsbank, zerstört. Bewohner können ihre Häuser nicht mehr verlassen, Schulen und öffentliche Gebäude bleiben geschlossen, Barrikaden wurden errichtet, Ausfallstraßen sind blockiert. Auf den Straßen sind Panzer unterwegs.
Ein durch eine Missile ausgelöstes Feuer hat auf ein Kinderkrankenhaus übergegriffen; die dort behandelten Kinder wurden evakuiert.

Präsidialrat gespalten

Während Teile des Präsidialrats und dessen Milizen eindeutig die dschihadistischen al-Kaida-nahen Milizen der Bengasi-Verteidigungsbrigaden (BDB) bei der Einnahme der Terminals des Ölhalbmonds unterstützten, kämpfen in Tripolis andere Milizen des gleichen Präsidialrats nach der Rückeroberung der Terminals durch die Libysche Nationalarmee gegen die dschihadistischen Kräfte. Vor der Eroberung der Terminals durch die BDB waren zunächst die Auseinandersetzungen zwischen den beiden dort rivalisierenden Regierungen von Sarradsch und Gweil fast zum Stillstand gekommen, nun sind sie wieder in voller Stärke entflammt. Milizen des Präsidialrats haben das Rixos-Hotel und die anliegenden Gebäude angegriffen und von Gweil zurückerobert. In diesen Gebäudekomplexen befand sich das Hauptquartier von Gweils ‚Regierung der Nationalen Rettung‘.

Das vom al-Kaida nahen Islamistenführer Abdulhakim Belhadsch beherrschte Al-Naaba-TV wurde von unbekannten Kräften in Brand gesetzt.

Nachdem es hieß, Khalifa Gweil sei bei den Kämpfen verletzt und zur Behandlung nach Misrata gebracht worden, wurde von Teilen des Präsidialrats versucht, in der Marinebasis Abu Sitta eine brüchige Waffenruhe auszuhandeln, an der maßgeblich ‚Verteidigungsminister‘ al-Bargathi, ein Moslembruder, beteiligt war. Diese Waffenruhe sollte wohl seinen radikalen Freunden um Khalifa Gweil in ihrer bedrängten Situation eine Atempause verschaffen. Der Deal wird von den meisten Milizen nicht anerkannt.

Es fällt auf, dass in den westlich orientierten Medien nicht mehr von einer ‚Einheitsregierung‘ die Rede ist. Diese hatte zu keinem Zeitpunkt weder einen legalen Status, noch Anerkennung in der Bevölkerung, noch politische oder militärische Kräfte hinter sich, auf die sie sich verlassen konnte. Sie war ein reines, von außen übergestülptes Wunsch- bzw. Kunstprodukt. Nach über einem Jahr des Durchwurstelns scheint sich dieser Sachverhalt nun herumzusprechen. Sarradsch wird inzwischen auch in den westlichen Medien nur noch als Präsident des Präsidialrats bezeichnet.

Die Bevölkerung von Tripolis hat definitiv vom Terror der radikal-islamistischen Kräften die Nase voll.

Die Rolle von Saif al-Islam Gaddafi im Nachkriegs-Libyen

Inzwischen berichtet sogar der österreichische Standard in seiner Online-Ausgabe, dass „sechs Jahre nach dem gewaltsamen Sturz seines Vaters Muammar al Gaddafi ausgerechnet sein Sohn Saif al-Islam eine zentrale Rolle bei der Einigung des tief gespaltenen Bürgerkriegsstaates Libyen spielen“ könnte. Diese Meinung vertrete auch Oberst Adschmi al-Atriri aus Zinten, in dessen Gefangenschaft sich Saif al-Islam befand. Er wird mit den Worten zitiert: „Saif wäre eine Alternative zum Duell der beiden rivalisierenden Regierungen“[1]. Er habe eine wachsende Anhängerschaft.
Die Stämme und Städte haben Saif schon lange das Vertrauen und ihre Unterstützung ausgesprochen. In Libyen kommt keine politische Macht an Saif al-Islam und den ehemaligen Gaddafi-Kräften vorbei. Auch wenn das noch niemand offen zugeben will.


[1] http://derstandard.at/2000054036270/Bericht-Saif-Gaddafi-koennte-Rolle-bei-Einigung-Libyens-spielen

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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