Maas zu Gesprächen in Türkei und Libyen

Libyen/Zuwara. In Vorbereitung zu einer im Dezember geplanten Libyen-Konferenz bereist Maas die Türkei, Libyen, Tunesien und Ägypten.

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Treffen des deutschen und türkischen Außenministers

Vermutlich ging es Heiko Maas bei seinen Gesprächen mit dem türkischen Außenminister Cavusoglu in Istanbul, die er vor seiner Reise in die nordafrikanischen Länder Tunesien, Libyen und Ägypten führte, mehr um die aktuelle Lage in Libyen als um die Lage in Syrien, bei der nicht nur die deutsche, sondern die europäische Außenpolitik außen vor ist, trotz des peinlichen Vorschlags der Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, in Nordsyrien eine internationale Schutzzone zu errichten. Libyen ist wieder einmal der rosarote Elefant, der nicht benannt werden darf.

Und so bleibt es bei der Aussage auf der gemeinsamen Pressekonferenz der beiden Außenminister: „Die Türkei bleibt ein wichtiger Nato-Partner“. Auch wenn es ständig das gegen Libyen verhängte Waffenembargo verletzt, militärisch in Libyen interveniert und laut deutschen Bundesinnenministerium eine Affinität zu „islamistischen Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens“ aufweist. Es waren ja die Nato-Staaten einschließlich der tatkräftigen Unterstützung der Türkei, die 2011 Libyen zerstörten und seitdem mit Hilfe der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis verhindern, dass der Krieg dort beendet und das Land wieder aufgebaut werden kann.

Nichtsdestotrotz sieht sich Berlin in dem Konflikt als Vermittler und will noch in diesem Jahr eine Libyen-Konferenz ausrichten, von der es bis jetzt nicht sicher ist, ob sie überhaupt stattfinden wird. Außenminister Maas will auf seiner Rundreise von der Türkei über Libyen und Tunesien nach Ägypten das Terrain bei den wichtigsten ausländischen Akteuren sondieren.

Türkei in Libyen militärisch aktiv

Eine hochumstrittene Rolle spielt dabei die Türkei, die massiv militärisch in die Kämpfe um die Hauptstadt Tripolis eingreift. Erdogan liefert nicht nur Waffen, Aufklärungs- und Kampfdrohnen nach Libyen, sondern stellt auch das Personal dazu. Erst am 24. Oktober 2019 veröffentlichte die Nachrichtenplattform AddressLibya die Pässe und Flugunterlagen von zwei verletzten türkischen Militärangehörigen, die am 22. Oktober als medizinische Notfälle mit einem Flugzeug von Tripolis nach Istanbul ausgeflogen wurden.

Wie AddressLibya erklärt, fällt die Verletzung der beiden türkischen Militärs zeitlich mit einem Luftangriff der LNA auf einen Hangar des Mitiga-Flughafens zusammen, in dem türkische Drohnen lagerten. Schon davor wurden immer wieder türkische Drohnen von der LNA abgeschossen bzw. die Hangars, in denen sie untergebracht waren, bombardiert.

Bereits im Mai dieses Jahres lieferte die Türkei auf einem Frachtschiff Militärfahrzeuge nach Tripolis. Die Bilder davon gingen durch die sozialen Medien. Und im Dezember 2018 wurde die Lieferung von Waffen und Munition bekannt sowie im Januar 2019 die Lieferung von türkischen Pistolen nach Misrata.

Die Nähe der Türkei zu islamistischen Extremisten

Die Türkei unterstützt dabei Milizen in Tripolis und Misrata, die ganz im Sinne der Türkei eine von der Moslembruderschaft unterwanderte ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis schützen und enge Beziehungen zu extremistischen Islamisten pflegen. Auf Tagesschau.de hieß es, dass das Bundesinnenministerium in einem als vertraulich eingestuften Schreiben bereits Mitte August 2016 feststellte, dass die Türkei aktiv Verbindungen zu Islamisten unterhalte: „Wörtlich heißt es in dem Bericht, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt: >Als Resultat der vor allem seit dem Jahr 2011 schrittweise islamisierten Innen- und Außenpolitik Ankaras hat sich die Türkei zur zentralen Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens entwickelt.< Zu diesen Gruppen bestehe eine "ideologische Affinität" seitens der Regierungspartei AKP und des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan.“

So sieht das auch ein Sprecher des libyschen Parlaments, Abdullah Balihek, der bezüglich der Motive für die türkische Interventionen in Libyen meinte: „Das Projekt Moslembruderschaft ist die treibende Kraft für Erdogan.“ Daneben habe die Türkei in Libyen auch wirtschaftliche Interessen. Und der Parlamentsvorsitzende Aguila Saleh sagte, dass die türkische Intervention und deren Unterstützung von bewaffneten terroristischen Milizen, die gegen die LNA kämpfen, einen Verstoß gegen alle internationalen Konventionen und Verträge darstellt. Für den Sprecher der LNA, Mismari, verfolgt Erdogan „das Ziel, seinen Einfluss in der Region zu vergrößern und diese zu kontrollieren“. Mismari beschuldigt die Türkei, nun ihr Hauptaugenmerk auf Libyen zu richten, nachdem Kairo und Khartoum verloren seien.

Doch es kommt noch schlimmer: Es ist nicht nur die Moslembruderschaft, mit der Erdogan eng verbündet ist, sondern die Tagesschau fragte am 20. Oktober 2019 sogar: „Wie hält es die Türkei mit der IS-Terrormiliz?“ Die Antwort lautet: recht eng, wie es von dem Experten und UN-Berater in Sachen Terrorismus al-Turjuman in einem Interview mit dem Sender LIVE-News bestätigt wird. Turjuman sagte, die Türkei plane hunderte von in der Türkei inhaftierten IS-Terroristen freizulassen, um sie nach Libyen zu bringen. Der türkische Geheimdienst beabsichtige auch, tausende von IS-Kämpfern aus den syrischen Gebieten zu den Grenzen im Süden Libyens zu transportieren und warnte vor den dadurch entstehenden Gefahren nicht nur für Libyen, sondern auch für andere nordafrikanische Staaten.

Ein merkwürdiger Kurzauftritt des deutschen Ministers in Libyen

Die Libysche Nationalarmee (LNA), die zwischenzeitlich fast das gesamte Libyen kontrolliert, versucht seit April erfolgreich, auch die Hauptstadt Tripolis von den Milizen zurückzuerobern. Es wird gekämpft.

Deshalb hat sich der deutsche Außenminister Maas nach seinem Aufenthalt in der Türkei auch nur ganze drei Stunden unangekündigt nach Libyen getraut, um dort in der an der tunesischen Grenze gelegenen Küstenstadt Zuwara (in deutschen Medien auch Suara geschrieben) nach dem obligatorischen Besuch eines Migrantenlagers eine Pressekonferenz zu geben. Maas wurde bei seinem merkwürdigen Libyenauftritt vom Premierminister der ‚Einheitsregierung‘ Fayez as-Sarradsch und dem UN-Sondergesandten für Libyen, Ghassan Salamé, begleitet. Allerdings musste der deutsche Außenminister schon nach wenigen Minuten wieder in einen gepanzerten Wagen flüchten, weil Sicherheitskräfte ein Flugzeug unbekannter Herkunft meldeten. Es wurde befürchtet, die LNA, die den Luftraum über Libyen kontrolliert, sei im Anflug.

Die LNA ist die reguläre Armee Libyens

In den Berichten der deutschen Medien ist immer die Rede von „Rebellen“ oder „Milizen“ und dem „Warlord General Haftar“, wenn es um die Libysche Nationalarmee (LNA) geht. Diese Bezeichnungen sind für die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ angebracht, nicht aber für die LNA. Diese wurde 2014 von dem demokratisch gewählten Parlament als reguläre libysche Armee anerkannt und Feldmarschall Haftar zu ihrem Oberkommandierenden bestimmt.

‚Einheitsregierung‘ mit Verbindungen zu Schleusergruppen

Unmittelbar vor der Reise Maas‘ kam es an der Küste bei Zuwara zu einem Zwischenfall mit dem deutschen Rettungsschiff Alan Kurdi. Es hatte Migranten an Bord und sei von drei libyschen Schiffen der Küstenwache bedrängt worden. Migranten seien in Panik ins Wasser gesprungen und von Maschinenpistolen bedroht worden. Ein Mann gelte als vermisst. Es ist bekannt, dass die ‚Einheitsregierung‘, die Milizen und die Küstenwache auch in Sachen Migranten und Menschenschmuggel eng zusammenarbeiten und sich teilweise personell überschneidet.

Das zur Schau getragene Einvernehmen zwischen dem türkischen und dem deutschen Außenminister sowie der ‚Einheitsregierung‘ von Tripolis lässt bei einer geplanten Libyen-Konferenz in Berlin auf nichts Gutes schließen.

Maas will nach einem Aufenthalt in Tunesien nach Ägypten weiterreisen, wo ein Gespräch mit Abdel Fattah al-Sisi geplant ist, der die ostlibysche Regierung, das Parlament und deren LNA unterstützt.

https://www.tagesschau.de/ausland/tuerkei-syrien-is-107.html

https://www.zdf.de/nachrichten/heute/maas--will-im-libyen-konflikt-vermitteln-100.html

http://www.addresslibya.com/en/archives/51453

https://www.freitag.de/autoren/gela/gefaehrliche-einmischungen-der-tuerkei

https://www.spiegel.de/politik/ausland/libyen-schrecksekunde-fuer-heiko-maas-bei-ueberraschungsbesuch-a-1293565.html

https://www.addresslibya.com/en/archives/47938

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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