Saif al-Islam Gaddafi und Libyens Zukunft

Libyen/Saif al-Islam Verschiedene libysche Presseorgane befassen sich mit der zukünftigen Rolle, die Saif al-Islam in Libyen spielen wird.

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Soll Saif al-Islam Gaddafi sofort das Präsidentenamt übernehmen?

Auf Libyaagainstsuperpowermedia[1] wurde ein bemerkenswerter Artikel von Richard Galustian[2] veröffentlicht. Galustian schlägt darin nach dem Scheitern aller Verhandlungsansätze einen interessanten Fünf-Punkte-Plan für Libyen vor. Eine Kurzfassung:

  1. Die Vereinten Nationen sollten die Koffer packen und die libysche Bühne verlassen. Nach sechs Jahren ihres Versagens besitzen sie bei den Libyern null Glaubwürdigkeit.
  2. Die Moslembruderschaft muss als terroristische Organisation eingestuft werden. LIFG-Mitglieder müssen per Gesetz an der Teilnahme am politischen Leben ausgeschlossen werden.
  3. Das Waffenembargo gegen die LNA muss aufgehoben werden, damit General Heftar die Dschihadisten bekämpfen kann.
  4. Noch vor Abhaltung von Wahlen 2018 oder 2019 muss eine Technokratenregierung gebildet werden. Als Premierminister kämen dabei Mahmoud Dschibril[3] und Abu Zaid Omar Dorda[4] in Betracht. Die Ministerposten sollten dafür qualifizierte Personen aus dem Parlament in Tobruk übernehmen.
  5. Saif al-Islam sollte zum „Verfassungs-“Präsidenten ernannt werden; als Integrationsfigur, ohne exekutive Macht, ihm zur Seite gute technokratische Ratgeber. Dies ist wichtig, um die Stämme und die normale Bevölkerung miteinzubinden. Denn Saif al-Islams Popularität steht außer Zweifel.

Die Dschihadisten sollten das Land in Richtung Türkei, das eine Moslembruderschaft-Regierung hat, verlassen. Durchzusetzen sei das Ganze wegen der Kraftlosigkeit der UN und der EU nur mit Hilfe von Donald Trump.

Galustian befürchtet, dass – sollte Libyen nicht bald stabilisiert werden – dies einen katastrophalen Domino-Effekt auf die nordafrikanischen Länder, wahrscheinlich zuerst auf Tunesien, haben werde.

Bereitet Saif al-Islam Gaddafi eine Tripolis-Offensive vor?

Ein Artikel in libyatimes[5] befasst sich mit den Plänen von Saif al-Islam Gaddafi. Es heißt darin, dass sich Saif al-Islam Gaddafi auf eine Tripolis-Offensive vorbereite. Saif al-Islam habe Militärlager im Wirschefana-Gebiet, wohin Kämpfer aus dem ganzen Land strömten. Auch innerhalb der Hauptstadt habe er Unterstützer, denen es möglich wäre, ihm ‚die Tore zu öffnen‘. So könnte ihm die unblutige Einnahme von Tripolis gelingen.

Allerdings stelle sich die Frage, ob Saif al-Islam tatsächlich vorhabe, Tripolis militärisch einzunehmen, da er doch jede Wahl spielend gewinnen könne. Alle Libyer wären hinsichtlich des ‚neuen Libyens‘ der jetzigen politischen Kräfte, denen sie die Schuld an dem gegenwärtigen Chaos geben, komplett desillusioniert. Die großen Stämme Libyens gelten als Anhänger des alten Regimes – und sie stellen die breite Mehrheit der Wähler.

Doch wie könnten es die Westmächte erlauben, dass in Libyen ein Gaddafi an die Macht zurückkehrt? Wie könnten sie in ihren eigenen Ländern den erbrachten Blutzoll rechtfertigen, wenn nun alles wieder so wird wie es einmal war? So könnte Gaddafi keine andere Option bleiben, als seinen Machtanspruch gegenüber dem Westen mit Gewalt durchzusetzen.

In Libyen existieren zwei Dschamahirija-Bewegungen, einmal die neugegründete People’s Front for the Liberation of Libya und die Bewegung People’s Libyan National Movement, in der sich mehrheitlich die ‚alte Garde‘ gesammelt hat. Saif al-Islam muss es auch gelingen, diese beiden Bewegungen zusammenzuhalten.

Saif al-Islam Gaddafi und der internationale Haftbefehl

Die Zeitung al-Bayan[6] berichtet, dass sowohl internationale als auch regionale Parteien versuchen, den UN-Sicherheitsrat davon überzeugen, die Entscheidung, Saif al-Islam Gaddafi strafrechtlich verfolgen zu lassen, zurückzunehmen. Dies würde ihm erlauben, am politischen Prozess in Libyen teilzunehmen. Diplomatische Kreise bestätigten übereinstimmend, dass Saif al-Islam von einer signifikanten Mehrheit unterstützt werde. Sollte dies keine Berücksichtigung finden, würde dies zum Weiterbestehen der jetzigen Krise führen. Die meisten Stämme sowohl im Süden als auch im Westen und in der Zentralregion sowie auch einige Stämme und Angehörige der Legislative im Osten haben Saif al-Islam öffentlich ihre Unterstützung zugesagt.

Einzig dschihadistische Gruppierungen würden sich gegen Saif al-Islam Gaddafi stellen.

Bei der Befriedung Libyens führt kein Weg an Saif al-Islam Gaddafi vorbei

Sollte dem Westen und insbesondere der Europäischen Union wirklich an einer Befriedung Libyens gelegen sein, führt kein Weg an Saif al-Islam Gaddafi vorbei. Das ist eine bittere Pille, die die Neokolonialisten zu schlucken haben. Aber noch bitterer wäre, wenn das Chaos in Libyen und die dschihadistische Gefahr nicht nur Libyens afrikanische Nachbarländer destabilisiert, sondern die hohe Anzahl der Migranten und islamistische Anschläge auch europäische Regierungen, wenn nicht die EU als Ganzes, ins Wanken bringen.

[1] https://libyaagainstsuperpowermedia.org/2017/10/27/the-solution-for-libya/

[2] Richard Galustian ist ein Wirtschafts- und Sicherheitsanalyst, der sich seit 2011 in Libyen aufhält

[3] Mahmud Dschibril: Leitete unter Gaddafi den Nationalen Wirtschaftlichen Entwicklungsfonds. Setzte sich für eine Liberalisierung der libyschen Wirtschaft ein. Schloss sich 2011 umgehend den Aufständischen an und war im Übergangsrat Außenminister. Heute steht er der Partei der Allianz Nationaler Kräfte (National Forces Alliance Party) vor.

[4] Abu Zaid Omar Dorda: unter Gaddafi Außenminister, Premierminister, von 1997 bis 2003 Entsandter Libyens bei den Vereinten Nationen, Vorsitzender der Infrastrukturkommission und Chef des libyschen Auslandsgeheimdienstes. Nach der Ermordung Gaddafis war er bis März 2017 im al-Hadba-Gefängnis in Tripolis eingekerkert.

[5] http://www.libyatimes.net/news/56-exclusive-saif-s-last-stand

[6] https://rcmlibya.wordpress.com/2017/10/26/saif-al-islam-returns-to-politics-in-libya/

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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