Schwere Vorwürfe gegen Tripolis-Milizen

Libyen. Misshandlung und Entführung von Zivilisten / Anhaltende Kämpfe um Tripolis / Italien evakuiert Migranten aus Misrata

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+ 01.05. Die Anzahl der Todesopfer ist bei den Kämpfen um Tripolis auf 376 gestiegen, die der Verletzten beträgt etwa 1.822. Laut der UN-Organisation für Migration sollen etwa 42.000 Zivilisten vor den Kämpfen um Tripolis geflohen sein.

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+ 29.04. Es wird von Luftangriffen der Armee (LNA) auf Tripolis berichtet.

+ 29.04. Im Süden von Tripolis ist ein Häuserkampf entbrannt.
Libysche Medien berichten von gewaltsamen Zusammenstößen mit Granatwerfern und Artillerie in den Bezirken Salah al-Din, Al-Khilla, Biar Alliak und Al-Sabia am Rande der libyschen Hauptstadt. Die Frontlinie sei fließend.

+ 29.04. In einer Pressekonferenz sagte der Sprecher der libyschen Armee (LNA), al-Mismari, dass die Luftwaffe in der vergangenen Nacht in Tripolis und in Misrata Luftangriffe auf mehrere Ziele geflogen habe. „Wir haben auch Luftangriffe auf Ziele in der Nähe des Hafens von Tripolis, Tadschura und Ain Zara durchgeführt. Den Streitkräften gelang es, im Lager Yarmouk ein Lagerhaus mit einer großen Menge Munition zu zerstören.“
Auf seiner Facebook-Seite schrieb al-Mismari, dass die Armee die Milizen der 'Einheitsregierung' zurückdränge und sich dem Stadtzentrum nähere. „Die Streitkräfte vertreiben die Terroristen rund um Tripolis und bewegen sich in Richtung Stadtzentrum.“

+ 30.04. Al-Mesmari kündigte an, dass LNA-Truppen in Tripolis an verschiedene Frontabschnitten angreifen werden, um in das Zentrum der Hauptstadt vorzudringen. Die Armee (LNA) vermeldet Fortschritte in Khalat Al-Furjan und Salaheddine. Zahlreiche Kämpfer der 'Einheitsregierung' seien gefangen genommen und ihre Waffen und Militärfahrzeuge konfisziert worden.
Er sagte auch, die Milizen der 'Einheitsregierung' hätten am Sonntag gegen internationale Konventionen verstoßen, indem sie ein Wohngebiet angegriffen hätten.

+ 30.04. Nachdem es der Luftwaffe der LNA am Samstagabend gelang, Militär- und Waffenlager der Misrata-Miliz zu zerstören, gab die Misrata-Miliz bekannt, dass sie zehn Luftangriffe auf gepanzerte Fahrzeuge der libyschen Armee durchgeführt habe. Dabei seien mehrere Zivilisten verletzt worden.

+ 30.04. Laut SpecialeLibia werden von Zivilisten in Kasr Bin Gaschir und Tarhouna schwere Vorwürfe gegen die Tripolis- und Misrata-Milizen erhoben. Es soll massiv gegen Kriegs- und Menschenrechte verstoßen worden sein. Ein in Tripolis wohnhafter philippinischer Bürger sagte, es komme zu Vergewaltigungen und Entführungen durch Milizen, die zum Innenminister der 'Einheitsregierung' gehören. Menschen würden verhaftet oder verschwänden einfach. „Die Milizen, die Tripolis kontrollieren, überwachen die Telefone und wenn sie Fotos oder Videos finden, die die libysche Nationalarmee unterstützen, verhaften oder töten sie uns.“
Während die Armee versucht, die Kämpfe auf außerhalb der Wohngebiete zu verlagern, versprechen sich die Tripolis-Misrata-Milizen Vorteile, wenn es zum Häuserkampf mit der Armee kommt.
Ein Krankenhaus wurde getroffen, worauf hin die Patienten evakuiert wurden und der Betrieb eingestellt wurde.
Einwohner sagten, sie würden aus ihren Häusern flüchten, weil sie Angst vor Terroristen haben, die in den umkämpften Gegenden aktiv sind. Der Sprecher der Armee (LNA) bekräftigte nochmals, dass er den Terrorismus und insbesondere die al-Kaida-Befehlszentrale in der Nähe der libyschen Hauptstadt bekämpfen und am Samstag die Terrormilizenzentrale in Misrata (Ghout Al-Ruman), östlich von Tadschura, angreifen will.

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Weitere Nachrichten:

+ 28.04. Der Papst plädiert für die Evakuierung der Migrantenlager: „Ich appelliere, zumindest Frauen, Kinder und Kranke schnellstmöglich entlang humanitärer Korridore zu evakuieren.“

+ 29.04. An den Kämpfen in Tripolis beteiligen sich auf Seiten der ‚Einheitsregierung‘ auch Misrata-Milizen, darunter der Kommandant Salah Badi, gegen den der US-amerikanische Sicherheitsrat und das US-Finanzministerium ein Reiseverbot verhängte und Konten sperren ließ, da sich Badi 2017 bei Kämpfen in Tripolis Kriegsverbrechen schuldig gemacht hatte. Misrata-Milizen sind in Tripolis wegen brutaler früherer Vorgehensweisen auch gegen Zivilisten verhasst.

+29.04. Der italienische Innenminister Matteo Salvini begrüßte auf einem Militärflughafen in der Nähe von Rom 146 Migranten, die dank eines humanitären Korridors von Misrata ausgeflogen worden waren. Dies sei die laut UNO-Angaben die erste Evakuierung von Migranten aus Libyen seit Ausbruch der Kämpfe um Tripolis gewesen.

+ 29.04. Die beiden Institutionen der National Oil Company (NOC) in Bengasi und Sirte erklärten, sie unterstützten die Offensive der libyschen Armee (LNA) gegen Tripolis. AGOCO in Bengasi beglückwünschte die Armee (LNA) „zum Erfolg und Fortschritt bei ihren Bemühungen, gegen extremistische und terroristische Milizen vorzugehen, die die Gelder der öffentlichen Hand stehlen“.

+ 29.04. In einer Pressekonferenz am Montag rief der Sprecher der libyschen Armee (LNA) al-Mesmari, alle Militanten auf, sich zu ergeben und die Waffen niederzulegen.

+ 30.04. Der Sprecher der 'Einheitsregierung' reklamiert seinerseits Erfolge für die sie unterstützende Milizen.

+ 30.04. Eine Ubari Protection Force kündigte an, sich auf die Seite der 'Einheitsregierung' und deren Milizen zu stellen.

+ 30.04. Der Innenminister der 'Einheitsregierung', Fathi Bashagha, besuchte am Montag die Türkei und traf mit dem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zusammen, um die bilateralen Beziehungen und den Kampf um Tripolis zu diskutieren. Es ging dabei auch um die Umsetzung der Sicherheits- und Verteidigungsabkommen zwischen Libyen und der Türkei.

+ 30.04. Al-Mesmari sagte, es gebe einen türkischen Plan, Misrata in einen eigenen Mini-Staat zu verwandeln. Dies werde man nicht zulassen.

+ 30.04. Es gibt Spekulationen hinsichtlich der Finanzmittel, die der Armee (LNA) zur Verfügung stehen. Es sind zwar die Ölanlagen und Verladeterminals unter der Kontrolle der libyschen Armee (LNA), allerdings gehen die Einnahmen aus dem Ölverkauf an die National Oil Company (NOC) in Tripolis, die anschließend die Gelder verteilt. Sollte die NOC, die enge Beziehung zu Sarradsch und seiner 'Einheitsregierung' pflegt, die Zahlungen an den Osten einstellen, um der Armee die Finanzierung zu entziehen, könnte die libysche Armee im Gegenzug die Förderung und Verschiffung des Erdöls unterbinden. Damit wären auch der NOC die Finanzmittel entzogen und die 'Einheitsregierung' zu einem Deal gezwungen. Oder eine Ost-NOC könnte auf eigene Rechnung Öl verkaufen.

+ 30.04. UN-Sondergesandte Ghassan Salamé sagte bei einem Besuch in Paris über Feldmarschall Hafter: "Er ist kein Abraham Lincoln, er ist kein großer Demokrat, aber er hat Qualitäten und will das Land vereinen“. Salamé befindet sich auf einer Europa-Reise, um nach einem Konsens für einen Waffenstillstand und eine Rückkehr zu Friedensgesprächen zu suchen.

+ 01.05. Falls der Iran wegen der US-Sanktionen kein Öl mehr auf den Weltmarkt bringen kann, droht er mit der Sperrung der Straße von Hormus. Wenn durch diese Meerenge, die vom Iran kontrolliert wird, keine Tanker mehr fahren können, können auch die erdölproduzierenden Länder auf der arabischen Halbinsel wie Saudi-Arabien keine Tanker mehr in die Weltmeere entsenden. Bereits jetzt lässt der Ausfall des iranischen Öls die Weltmarktpreise in die Höhe schießen. Dies könnte der Grund sein, warum Trump auf Feldmarschall Hafter setzt, der die meisten Ölanlagen und Verladehäfen in Libyen kontrolliert. Um die Ölpreise einigermaßen in Grenzen zu halten, wären zuverlässige Öllieferungen aus Libyen nötig.

+ 01.05. Milizen entführen einen Verwaltungsleiter der französischen Firma TOTAL in Tripolis.

+ 01.05. Die Armee (LNA) nahm sudanesische Söldner gefangen, die mit den Tripolis-Milizen der ‚Einheitsregierung‘ kämpften. In ihren Besitz sollen sich IS-Flaggen gefunden haben.

+ 01.05. Zwei türkische Restaurantangestellte wurden von der Armee (LNA) festgenommen. Sie sollen für die Türkei spioniert haben. Die türkischen Behörden bestritten die Vorwürfe.

+ 01.05. Nach einem Gespräch haben der russische Präsident Putin und der türkische Präsident Erdogan zu einem Waffenstillstand und zu neuerlichen Verhandlungen aufgerufen.

Die Hauptstadt Tripolis ist umkämpft, auf Seite der ‚Einheitsregierung‘ stehen die Tripolis- und Misrata-Milizen, die die vom Ausland eingesetzte 'Einheitsregierung' stützen, und auf der anderen Seite die libysche Armee unter General Hafter, die vom gewählten libyschen Parlament in Bengasi und einer Übergangsregierung aufgestellt wurde.

Formell sind die Tripolis-Milizen der Einheitsregierung gegenüber loyal. Allerdings haben die Milizen kriminelle Netzwerke gebildet, kontrollieren sowohl die ‚Einheitsregierung‘ als auch die Wirtschaft und saugen den Staat finanziell aus. Ihren Lohn erhalten sie von Ministerien oder staatseigenen Firmen. Die libysche Bevölkerung ist der Willkür dieser Milizen ausgeliefert.

Tatsächlich ist Libyen Schauplatz eines internationalen Konflikts. Katar, die Türkei und Italien stehen gegen Saudi-Arabien, die VAE, Ägypten und Frankreich. Wichtige Akteure sind die Golfstaaten, die EU, aber auch die USA und Russland mischen mit. Damit endlich wieder die libysche Bevölkerung Gehör findet und über die Politik im eigenen Land bestimmen kann, müssen so schnell wie möglich Wahlen abgehalten werden.

Seit dem Nato-Krieg gegen Libyen und der brutalen Ermordung von Muammar al-Gaddafi 2011 herrscht in Libyen Chaos.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

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