Sieg der Armee in greifbarer Nähe

Libyen/Tripolis. Es erfolgt das große Abrücken der bisherigen Unterstützer von Sarradsch, seiner Einheitsregierung und ihrer Milizen.

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Die militärischen Auseinandersetzungen im Süden von Tripolis haben sich in den letzten Tagen intensiviert. Die militärischen Linien verschieben sich ständig in einer Art Katz-und-Maus-Spiel. Es mussten sich noch mehr Menschen aus den umkämpften Gebieten in Sicherheit bringen. Sieben Zivilisten sollen bisher Opfer der Kämpfe geworden sein. Die Zahl der Verletzten geht inzwischen in die hunderte.

Neueste Nachricht: Ein Militärstützpunkt der Milizen der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis wurde von der libyscher Armee bombardiert.

In Tripolis und Misrata fanden Demonstrationen mit einigen tausend Teilnehmern statt, die sich gegen General Hafter und die Kämpfe in der Stadt richteten. Ebenfalls verurteilten die Demonstranten Frankreich, die VAE und Saudi Arabien.
Die überwältigende Mehrheit der Bewohner von Tripolis setzen jedoch auf die libysche Armee unter General Haftar, damit der Willkürherrschaft der Milizen in Tripolis endlich ein Ende bereitet werden kann, hoffen allerdings auch, dass dies ohne eine große Gewalteskalation, sondern durch Verhandlungen erreicht werden kann.

Die EU-Mission in Libyen hat ihre Büros in Tripolis geschlossen und das Personal nach Tunis evakuiert.

Der offizielle Militärsprecher von Faiez as-Sarradsch hat seine täglichen Pressekonferenzen mit Updates eingestellt. Es berichten nur noch Seiten des Milizenzusammenschlusses „Zorn des Vulkans“.

Der Militärstaatsanwalt der libyschen Armee unter Hafter hat 23 Haftbefehle erlassen, davon neun für Zivilisten und 14 für Milizenführer wegen „Terrorunterstützung“. Unter den Zivilisten befinden sich alle Mitglieder des Präsidialrats, der von Sarradsch und Ahmed Maetig geführt wird, zusätzlich der Vorsitzende des Hohen Staatsrats Abdelrahman Swehli und der Leiter der Zentralbank von Tripolis, Saddek el-Kaber.

Der Sprecher der libyschen Armee, Ahmed al-Mesmari, sagte, der gerade gestürzte sudanesische Präsident Omar al-Bashir habe Milizen der ‚Einheitsregierung‘ mit Waffen und Kämpfern versorgt. Am 28. März seien zwei Militärflugzeuge aus Khartum mit Kämpfern, Waffen und Munition an Bord am Mitiga-Flughafen von Tripolis gelandet. Der Mitiga-Flughafen wird von Milizen der ‚Einheitsregierung‘ kontrolliert. Die libysche Armee stelle sich an die Seite des Militärs, das al-Bashir gestürzt hat.

Selbst Unterstützer der ‚Einheitsregierung‘ beklagen, dass sich extremistische Milizen dem Widerstand Vulkan des Zorns der ‚Einheitsregierung‘ angeschlossen haben, die von den USA und den Vereinten Nationen als Terrororganisationen gelistet werden. Daher werde inzwischen selbst von westlichen Mächten die libysche Armee und General Hafter als das kleinere Übel angesehen. Frederic Wehrey von Carnegie Endowment for International Peace: Hafter habe seinen Kampf als einen Kampf gegen Extremisten und Kriminelle dargestellt. Dies werde jetzt „zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung“.

Die UN-Sondermission für Libyen unter Leitung von Ghasen Salamé führt in Tripolis intensive Gespräche mit nationalen und internationalen Akteuren, um die Situation zu deeskalieren. „Der Sonderbeauftragte und sein Team trafen sich auch heute mit Bürgermeistern aus den Konfliktgebieten, um über die humanitäre Situation zu diskutieren, einschließlich über Möglichkeiten, wie die UNO den in diesen Gebieten eingeschlossenen Zivilisten helfen kann.“

Der italienische Premierminister Giuseppe Conte zur italienischen Tageszeitung Il Fatto Quotidiano: „Eine militärische Option kann keine Lösung sein“, da jede militärische Intervention des Auslands in Libyen den Konflikt nicht lösen, aber einen Flüchtlingsstrom über das Mittelmeer auslösen würde.
Stattdessen sollten Gespräche mit allen Seiten geführt werden, um die Kämpfe zu stoppen.

Ein Artikel bei TheLibyanReport überrascht durch seinen Perspektivwechsel und seine Deutlichkeit: „Eines Tages könnte man feststellen, dass Hafters Vorrücken [auf Tripolis] eine Notwendigkeit im Hinblick auf die politischen Initiativen der Vereinten Nationen war, auch wenn dies nicht so geplant war.“ [Vielleicht war es aber doch so geplant?] Durch neue Gegebenheiten habe Hafter grünes Licht für seine Operation bekommen, da alle anderen Anstrengungen zu keinen Resultaten geführt hatten. Es habe sich um einen „absurden Status quo eines geteilten Landes mit einer anerkannten Regierung in Tripolis im Westen und ein legitimes Parlament in Tobruk im Osten“ gehandelt. Bei den Anti-Hafter-Kräften handle es sich um „eine Ansammlung regionaler Milizen, Regierungsmilizen, Milizen der Muslimbruderschaft und Milizen, die mit Al-Qaida, dem Islamischen Staat und anderen Dschihadistengruppen in Verbindung stehen.“
Es habe in Libyen eine neue Entwicklung hinsichtlich der politischen Kräfteverhältnisse gegeben. Hafters Beziehungen zu Russland, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie sein letzter Besuch in Riad offenbaren internationale und regionale Strömungen zu seinen Gunsten. Die Türkei und Katar verbergen ihrerseits nicht ihre direkte Unterstützung für libysche Gruppierungen, die dem politischen Islam angehören.“
„Libyen ist für Algerien, das selbst mit einer Protestbewegung zu kämpfen hat, nicht mehr prioritär. Vor der Protestbewegung lehnte Algerien die wachsende Rolle Hafters und sein Vorstoß nach Westen ab.“
Auch der Sudan werde sich nicht mehr auf der Seite der ‚Einheitsregierung‘ und seiner Milizen in Libyen engagieren. Unter Präsident al-Bashir habe der Sudan noch Waffen aus Katar und der Türkei nach Libyen geschmuggelt.
Der türkische Präsident Erdogan sei aus den letzten Kommunalwahlen geschwächt hervorgegangen und werde deshalb seine Ambitionen im Ausland neu überdenken müssen.
Die USA, Russland und Europa möchten ihre Verpflichtung loswerden, sich mit den ewigen chaotischen Bedingungen innerhalb Libyens herumzuschlagen und wünschten eine Änderung der Spielregeln.
Hafters Marsch auf Tripolis mache nur Sinn im Zusammenhang mit der neuen Realität. Er wurde zu Schritten ermutigt, die international zwar nicht wirklich unterstützt werden, aber eben auch nicht verurteilt. Wie die britische Zeitung Guardian schreibt, sehe Europa Libyen nicht mehr durch das Prisma von Tripolis hinsichtlich der Eindämmung von Migration, der Bekämpfung des Terrorismus und der Ölförderung.
Der Artikel endet mit der Feststellung, dass Hafter ein Partner wäre, der Bedingungen stellt. Dies könne er tun, nun von Tripolis aus.
https://thelibyanreport.com/haftars-move-did-not-occur-in-a-vacuum/

Aus dem Umschwenken der Berichterstattung, z.B. bei TheLibyanReport lässt sich schließen, dass die libysche Armee unter Hafter in Tripolis am Siegen ist. Die Medien sortieren sich neu.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

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