Situation in Libyen extrem gefährlich

Libyen/Türkei. LNA steht kurz vor Einnahme von Tripolis/‘Einheitsregierung‘ bittet Türkei um militärische Hilfe.

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Nachdem die Libysche Nationalarmee (LNA) einen Cordon um die libysche Hauptstadt Tripolis geschlossen hat und die Milizen der ‚Einheitsregierung‘ in den letzten Tagen massive Verluste hinnehmen mussten, hat sich nach Berichten verschiedener Medien die ‚Einheitsregierung‘ von Sarradsch auf das vor wenigen Tagen geschlossene Abkommen mit der Türkei berufen und militärische Hilfe von der Türkei angefordert.

Sicher ist, dass trotz des von der UN verhängten Waffenembargos massiv Waffen und Militärausrüstung aus der Türkei nach Misrata und Tripolis geliefert werden. Unklar ist, ob die Türkei auch Truppen nach Libyen schicken wird. Misrata hatte die allgemeine Mobilmachung erklärt, nachdem die Türkei die ‚Einheitsregierung‘ dazu aufgeforderte, die LNA mit dem Einsatz aller Kräfte so lange aufzuhalten, bis das Türkei-Abkommen umgesetzt werden könne.

Die LNA gab bekannt, sie werde alle türkischen Streitkräfte, die nach Libyen kommen, angreifen, während das Komitee für Verteidigung und Nationale Sicherheit des libyschen Parlaments (Repräsentantenhaus) vor den Konsequenzen einer türkischen Militärintervention in Libyen warnte. Es forderte die Arabische Liga auf, sich entschlossen gegen die Einmischung der Türkei in die inneren Angelegenheiten Libyens zu stellen.

Parlamentssprecher Aguila Saleh sagte, es seien in Libyen bereits mehrere türkische Militärangehörige getötet worden. Saleh sagte auch, dass die ‚Einheitsregierung‘ die militärische Ausrüstung von der Türkei kaufe, die Rechnung allerdings Katar begleiche.

Ägypten, das die LNA unterstützt, hat sich bereits ausdrücklich gegen die türkische Militärintervention in Libyen ausgesprochen. Angela Merkel hatte heute in einem Telefongespräch mit dem ägyptischen Präsidenten as-Sisi über die Lage in Libyen gesprochen. Ging es darum, Ägypten zum Stillhalten zu bewegen?

Es geht um die Vorherrschaft in der islamischen Welt. Die Türkei und Katar versuchen mit Hilfe der Moslembruderschaft eine Vormachtstellung zu erreichen. Ägypten, Saudi Arabien, die VAE und andere Staaten wollen dies mit allen Mitteln verhindern. Auch die Großmächte USA und Russland sind alles andere als Freunde der Moslembrüder, ebenso wie Frankreich. Ein Stellvertreterkrieg ohne Rücksicht auf die betroffene libysche Bevölkerung ist im vollen Gange.

Neben Frankreich versucht Italien, seine Interessen in Libyen durchzusetzen. Der italienische Außenminister Luigi Di Maio, der gerade zu Gesprächen in Tripolis und Bengasi war, hat den Generalkommandeur der LNA, Feldmarschall Khalifa Haftar, für nächste Woche nach Rom eingeladen. Italien lehnt laut Di Maio das zwischen der Sarradsch-‚Einheitsregierung‘ und der Türkei geschlossene Abkommen ab. Die italienische Regierung werde einen Sonderbeauftragten für Libyen einsetzen, der auf hoher politischer Ebene die Kontakte zu den libyschen Parteien halten soll.

Besonders betroffen durch diesen Konflikt ist auch Griechenland, da Sarradsch ein Seerechtsabkommen mit der Türkei geschlossen hat, das Öl- und Gasbohrrechte beinhaltet und das nach allgemeiner internationaler Auffassung gegen das Seerecht verstößt. Griechenland hat den libyschen Botschafter des Landes verwiesen. Die Türkei dürfte im Gegenzug Migranten über das Mittelmeer nach Griechenland schicken. Griechenland rechnet mit 100.000 Ankünften im kommenden Jahr.

Die Türkei stellt die neuntstärkste Armee der Welt. Wie schon in Syrien setzt die Türkei auch in Libyen auf das Recht des Stärkeren. Bei einem Eingreifen militärischer Truppen in Libyen hätte die LNA kaum Chancen, würde sie sich nicht auch Unterstützung von außen holen.

Präsident Erdogan beruft sich darauf, dass die ‚Einheitsregierung‘ international anerkannt und somit berechtigt sei, militärische Hilfe aus dem Ausland anzufordern. Allerdings ist das libysche Parlament ebenfalls international anerkannt und die ‚Einheitsregierung‘ hätte die Zustimmung des Parlaments für diese weitreichende Entscheidung einholen müssen. Das Parlament hat der ‚Einheitsregierung‘ seit ihrer Einsetzung im Jahr 2015 ihre Anerkennung verweigert. Und selbst nach dem 2015 geschlossenen Skhirat-Abkommen lief das Mandat der ‚Einheitsregierung‘ am 17. Dezember 2019 aus. Im Prinzip kämpft in Libyen das demokratisch gewählte Parlament gegen eine von ausländischen Mächten eingesetzte ‚Regierung‘, die eine ausländische Militärmacht ins Land holt. Seit dem Sturz Gaddafis ein failed state, ist Libyen zum Spielball ausländischer Mächte verkommen. Es wird gepokert: Was ist Bluff, was echte Bedrohung?

http://www.ekathimerini.com/247744/article/ekathimerini/news/libya-accepts-turkish-offer-for-military-support-report-says

https://almarsad.co/en/2019/12/17/aguila-saleh-qatar-reimburses-gna-purchases-of-turkish-military-equipment-dispatched-to-libya/

https://deutsch.rt.com/kurzclips/95922-erdogan-macht-westen-unglaubliche-vorwuerfe-boote-versenkt/?utm_source=browser&utm_medium=aplication_firefox&utm_campaign=firefox

https://www.addresslibya.co/en/archives/52477

https://www.addresslibya.co/en/archives/52487

https://www.addresslibya.co/en/archives/52484

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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