Sprachverwirrung und Kriegspropaganda

Libyen. Wie die Sprachregelung der internationalen Medien im Libyenkrieg der Moslembruderschaft und den Dschihadisten in die Hände spielt.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die tunesische Autorin Mona al-Mahrouki schreibt in TheArabWeekly unter dem Titel Media lexicon can promote Islamists’ agenda in Libyan war über den Propagandakrieg der Islamisten und ihre Unterstützer in den westlichen Medien.

Laut Mahrouki sind sich die Islamisten und deren Verbündete über die wichtige Rolle der Medien bei der Berichterstattung über den Libyenkrieg bewusst. Ihre Taktik bestehe darin, ihnen genehme Informationen nicht nur zu übertreiben, sondern sogar zu erfinden. Allerdings habe dies nicht ausgereicht, um die Meinung vor Ort und die internationale Meinung in einem ausreichenden Maß zu beeinflussen.

Aus diesem Grund haben sie begonnen, die herkömmlichen Begriffe zu manipulieren und ihre Bedeutung zu verdrehen. Plötzlich sei die Libysche Nationalarmee (LNA) eine „Miliz“ und ihr Kommandeur, Feldmarschall Khalifa Haftar, ein „Warlord“, dem unterstellt wird, einen Putschversuch unternehmen zu wollen. Die echten Milizen in Tripolis und Misrata und die an ihrer Seite kämpfenden syrischen Söldner werden nun plötzlich als „Nationalarmee“ betitelt.

Während man vor kurzem die Milizen oder „Streitkräfte, die zur in Tripolis ansässigen ‚Einheitsregierung‘ loyal sind“ genau als solche bezeichnete, nenne man sie heute in Medien, die mit Katar und der Türkei verbunden sind, „libysche Armee“. Mahrouki nennt dies eine „semantische Tour de Force, die Verwirrung und Spott hervorruft“.

Mahrouki fragt nach der Begriffsdefinition einer Miliz und findet sie genau dort erfüllt, wo freiwillige Kämpfer aus Städten wie Misrata und syrische Söldner islamistische Streitkräfte bilden, deren Kämpfer sich nicht an das Kriegsrecht halten und sogar ohne Uniformen unterwegs sind.

Dagegen sei es im Osten des Landes führenden Persönlichkeiten gelungen, nach ihrer Vertreibung während des Putsches 2014 in Libyen wieder eine Armee aufzubauen. Sechs Jahre lang sei diese unter dem Motto „Die eine Hand baut auf, die andere bekämpft den Terrorismus“ in ostlibyschen Städten wie Bengasi eingesetzt worden.

Seit 2014 verärgere die Islamisten der von Haftar verwendete Name „Libysche Nationalarmee“ (LNA), da er sie bei ihrem Versuch behindere, die LNA als „Haftars Stammesmilizen“ zu verunglimpfen. So drängten pro-islamistische Medien darauf, eine andere Terminologie zu verwenden, auch, weil Haftars LNA einige Anerkennung in den Medien erfuhr.

Mahrouki berichtet darüber, wie lokale und arabische Medien, die die ‚Einheitsregierung‘ unterstützten, zunächst die LNA als „die Streitkräfte des General a.D. Khalifa Haftar“ bezeichneten. Kürzlich habe sie sogar begonnen, die LNA als „die Milizen im Dienste des Kriegsherrn Khalifa Haftar“ und als „die Rebellentruppen in Libyen“ zu bezeichnen.

Die pro-islamistischen Kräfte wollten nicht zulassen, dass durch die Verwendung des Begriffes „Armee“ Haftar das Recht zuerkannt wird, sein Heimatland zu verteidigen und dessen Stabilität zu wahren. Auf der anderen Seite implizierte die Verwendung des Wortes „Armee“ für die LNA, dass die islamistischen Kräfte, die gegen sie kämpfen, Milizen oder terroristische Gruppen sind.

Die westlichen Medien bezeichneten Haftars Streitkräfte im Allgemeinen als „Libyens im Osten stationierte Streitkräfte“ oder verwendeten den Begriff „nationale Armee“ in Anführungszeichen, in dem Versuch, neutral zu erscheinen und keine Voreingenommenheit zugunsten der Islamisten zu zeigen. [Für die Sprachregelungen in der deutschen Medienlandschaft trifft dies weniger zu: Dort wird Haftar ebenfalls schon lange als „abtrünniger Warlord“ bezeichnet und erst kürzlich schrieb die Tagesschau, die beiden Kontrahenten Sarradsch und Haftar beriefen sich „auf rivalisierende Milizen und Stämme“. Die Süddeutsche Zeitung bezeichnet die LNA als „libysch-arabische Nationalarmee“; dass es daneben ein gewähltes Parlament in Libyen gibt, das die LNA unterstützt, wird schon immer totgeschwiegen.]

Medien, die auf Seiten der Islamisten stehen, verließen sich darauf, dass der normale Leser oder Zuschauer diese Strategie nicht durchschaut und nicht die Zeit hat, die verwendeten Begriffe zu hinterfragen. Selbst einige angesehene internationale Medien hätten es versäumt, bei der Beschreibung des Krieges eine genaue Terminologie zu verwenden. Auch wenn sich beispielsweise die BBC bemühe als neutral zu erscheinen, indem sie die LNA als „Libyens im Osten stationierte Streitkräfte“ bezeichnet, offenbare sie ihre Einstellung gegenüber der LNA, indem sie deren Kommandeur Haftar einen „libyschen Warlord" nenne.

Die Verwendung des Begriffes „Regierung der nationalen Übereinkunft“ (Einheitsregierung) für die Regierung in Tripolis wird damit gerechtfertigt, dass dieser Begriff von der internationalen Gemeinschaft übernommen wurde. Doch warum verfahren die Medien nicht ebenso mit dem Begriff „Libysche Nationalarmee“, der ebenfalls vom UN-Sicherheitsrat eingeführt wurde?

Die widersprüchliche Verwendung all dieser Begriffe durch internationale Nachrichtenagenturen und ihr Versuch, den Konflikt in Libyen als einen zwischen dem Osten und dem Westen Libyens und nicht zwischen gewöhnlichen Libyern und islamistischen Kräften darzustellen, diene ausschließlich der islamistischen Agenda.

https://thearabweekly.com/media-lexicon-can-promote-islamists-agenda-libyan-war

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden