Bei der Abstimmung waren 101 Abgeordnete anwesend, also ausreichend viele, um eine gültige Abstimmung durchführen zu können. Von den Anwesenden stimmten 61 gegen die ‚Einheitsregierung‘, 39 enthielten sich und nur einer stimmte für den Präsidialrat und die Regierung in Tripolis.
Zwar besteht die Möglichkeit, dass das Tobruk-Parlament doch noch dem UN-gestützten 'Libyschen Polit-Abkommen' zustimmt, falls innerhalb der nächsten zehn Tage eine kleinere Ministerliste mit nur acht Ministern nachgereicht wird. Dies erscheint allerdings als eher unwahrscheinlich. Die jetzige Ministerliste war eng mit islamistischen Kräften und den Misrata-Clans verflochten, die einzig die 'Einheitsregierung' stützen.
Im ‚Libyschen Polit-Abkommen‘ war vereinbart, dass die Zustimmung des Tobruk-Parlaments notwendig sei, damit es in Kraft treten könne. Nach der jetzigen Ablehnung des Abkommens sind praktisch der Präsidialrat und die Regierung Sarradsch illegal ebenso wie alle von ihnen getroffenen Entscheidungen in Frage gestellt, so zum Beispiel die Bitte an die USA, im Land zu intervenieren.
Ebenso ist die Ernennung von Madhi al-Barghathi als Verteidigungsminister nicht haltbar oder die getroffenen Vereinbarungen mit dem Kommandanten der Petroleum Facilities Guard und Gegenspielers General Hefters, Ibrahim Dschedhren.
Der ägpytische Präsident al-Sisi gab bereits bekannt, dass Ägypten das Tobruk-Parlament und die Kräfte, die loyal zur Regierung al-Theinni – sprich die Libysche Nationalarmee – stünden, unterstütze.
Schon längst stimmt übrigens die Zweiteilung zwischen dem Osten und dem Westen des Landes nicht mehr. Al-Theinni und das libysche Parlament erfreuen sich nicht nur der Zustimmung der Stämme im Osten des Landes, sondern im Westen unterstützt sie zum Beispiel der bedeutende Wirschewana-Stamm. Die Trennungslinie verläuft heute zwischen säkularen und islamistischen Kräften, wobei letztere vom Westen unterstützt werden. Welch ein Hohn!
Nur noch als verbohrt kann man bezeichnen, wie die westliche Presse das Parlamentsvotum darstellt. So schreibt zum Beispiel der österreichische Standard am 22. August: „Libysches Parlament verweigert Einheitsregierung erneut das Vertrauen“. Diese Überschrift verdreht die Tatsachen. Bisher hatte es überhaupt noch keine Abstimmung über das ‚Libysche Polit-Abkommen‘ von Skhirat gegeben. Seit Januar mussten Abstimmungsversuche immer wieder verschoben oder abgesagt werden, da nicht genügend Parlamentarier anwesend waren. Dies ist das erste Mal, das tatsächlich eine Abstimmung im Parlament stattfand und die Parlamentier haben eindeutig mit „Nein“ gestimmt.
Eine größere Blamage hätte es für die sogenannte internationale Gemeinschaft und die Vereinten Nationen wohl nicht geben können. Man darf auf die internationalen Reaktionen gespannt sein. Die Begründung für eine weitere Unterstützung der Sarradsch-Regierung, die keinen Legalitätsanspruch mehr hat, dürfte schwer sein. Der ach so forsche Martin Kobler sollte unverzüglich seine Koffer packen!
Kommentare 3
JamahiriyaNewsAgency gibt bekannt, dass nach der Tobruker Parlamentsabstimmung und dessen Votum gegen das 'Libysche Polit-Abkommen' Fajes Sarradsch vom Flughafen Mitiga aus Libyen in Richtung Italien verlassen hätte.
24. August 2016:
Der Präsident des Tobruk-Parlaments, Agila Saleh, hat in einem Brief den UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon aufgefordert, sowohl den Präsidialrat als auch die ‚Einheitsregierung‘ nicht länger als Ansprechpartner zu betrachten. Sollte Ban Ki-Moon sich weigern, würde gegen die Vereinten Nationen eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof erfolgen.
Der Präsidialrat hat verlauten lassen, er akzeptiere die Ablehnung der gegenwärtigen ‚Einheitsregierung‘ und werde eine neue Ministerliste vorlegen. Allerdings sollten die alten Minister im Amt bleiben bis eine neue Regierung gewählt sei. Dies würde bedeuten, dass sich praktisch trotz der Parlamentsentscheidung erst einmal gar nichts ändert.
Agila Saleh steht weiterhin auf der UN-Sanktionsliste, da er die ‚Einheitsregierung‘ nicht anerkannt hat. Logischerweise müssten aber wohl die UN, die USA und die EU selbst auf einer roten Liste stehen, da sie eine nicht legal im Amt befindliche Regierung gegen ein legal gewähltes und international anerkanntes Parlament unterstützen.
Wie erwartet, stellen sich die USA und die EU ebenso wie Martin Kobler weiterhin hinter die ‚Einheitsregierung‘ und den Präsidialrat. Es ist offensichtlich, wer in Libyen Regierungen und Minister einsetzt.
Das ‚Libysche Polit-Abkommen‘ von Skhirat sah ursprünglich eine Trennung von Exekutive und Legislative vor, erstere sollte vom Präsidialrat und der ‚Einheitsregierung‘ ausgeübt werden, für die Legislative wäre das Tobruk-Parlament zuständig. Dieses Konstrukt ist kläglich gescheitert.
Danke für die aktuellen Infos.