Tobruk-Parlament stimmt gg. Einheitsregierung

Libyen. Das Tobruk-Parlament lehnte in einer Sitzung am 22. August den Präsidialrat von Tripolis sowie die von Fajez Sarradsch geführte ‚Einheitsregierung‘ ab.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Bei der Abstimmung waren 101 Abgeordnete anwesend, also ausreichend viele, um eine gültige Abstimmung durchführen zu können. Von den Anwesenden stimmten 61 gegen die ‚Einheitsregierung‘, 39 enthielten sich und nur einer stimmte für den Präsidialrat und die Regierung in Tripolis.

Zwar besteht die Möglichkeit, dass das Tobruk-Parlament doch noch dem UN-gestützten 'Libyschen Polit-Abkommen' zustimmt, falls innerhalb der nächsten zehn Tage eine kleinere Ministerliste mit nur acht Ministern nachgereicht wird. Dies erscheint allerdings als eher unwahrscheinlich. Die jetzige Ministerliste war eng mit islamistischen Kräften und den Misrata-Clans verflochten, die einzig die 'Einheitsregierung' stützen.

Im ‚Libyschen Polit-Abkommen‘ war vereinbart, dass die Zustimmung des Tobruk-Parlaments notwendig sei, damit es in Kraft treten könne. Nach der jetzigen Ablehnung des Abkommens sind praktisch der Präsidialrat und die Regierung Sarradsch illegal ebenso wie alle von ihnen getroffenen Entscheidungen in Frage gestellt, so zum Beispiel die Bitte an die USA, im Land zu intervenieren.

Ebenso ist die Ernennung von Madhi al-Barghathi als Verteidigungsminister nicht haltbar oder die getroffenen Vereinbarungen mit dem Kommandanten der Petroleum Facilities Guard und Gegenspielers General Hefters, Ibrahim Dschedhren.

Der ägpytische Präsident al-Sisi gab bereits bekannt, dass Ägypten das Tobruk-Parlament und die Kräfte, die loyal zur Regierung al-Theinni – sprich die Libysche Nationalarmee – stünden, unterstütze.

Schon längst stimmt übrigens die Zweiteilung zwischen dem Osten und dem Westen des Landes nicht mehr. Al-Theinni und das libysche Parlament erfreuen sich nicht nur der Zustimmung der Stämme im Osten des Landes, sondern im Westen unterstützt sie zum Beispiel der bedeutende Wirschewana-Stamm. Die Trennungslinie verläuft heute zwischen säkularen und islamistischen Kräften, wobei letztere vom Westen unterstützt werden. Welch ein Hohn!

Nur noch als verbohrt kann man bezeichnen, wie die westliche Presse das Parlamentsvotum darstellt. So schreibt zum Beispiel der österreichische Standard am 22. August: „Libysches Parlament verweigert Einheitsregierung erneut das Vertrauen“. Diese Überschrift verdreht die Tatsachen. Bisher hatte es überhaupt noch keine Abstimmung über das ‚Libysche Polit-Abkommen‘ von Skhirat gegeben. Seit Januar mussten Abstimmungsversuche immer wieder verschoben oder abgesagt werden, da nicht genügend Parlamentarier anwesend waren. Dies ist das erste Mal, das tatsächlich eine Abstimmung im Parlament stattfand und die Parlamentier haben eindeutig mit „Nein“ gestimmt.

Eine größere Blamage hätte es für die sogenannte internationale Gemeinschaft und die Vereinten Nationen wohl nicht geben können. Man darf auf die internationalen Reaktionen gespannt sein. Die Begründung für eine weitere Unterstützung der Sarradsch-Regierung, die keinen Legalitätsanspruch mehr hat, dürfte schwer sein. Der ach so forsche Martin Kobler sollte unverzüglich seine Koffer packen!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden