"Tripoli Charlie" Roman von Florian Sturmfall

Rezension. Der politische Thriller mit authentischen Bezügen besteht aus drei Teilen, die ínszenierte politische Umwälzungen in Südafrika, Angola und Libyen zum Thema haben.

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Der spannend geschriebene, dreiteilige Roman gibt Einblicke in die schmutzige Arbeit der westlichen Geheimdienste und der dahinter stehenden Strippenzieher aus Hochfinanz, Wirtschaft und Politik. Der Autor, unzweifelhaft auch ein hervorragender Kenner afrikanischer Befindlichkeiten und politischer Zustände, beruft sich auf Insiderwissen. Nicht Wahlen, sondern der Counsil on Foreign Relationship bestimme, wer ein Land regiert. Zynisch, menschenverachtend und skrupellos gingen ihm dabei die Geheimdienste zur Hand, für die Öffentlichkeitsarbeit sorge eine der Macht hörige Medienlandschaft.

Der erste Teil des Romans mit dem Titel „Das große Geschäft“ spielt im Südafrika der Jahre 1990/2002, wo mörderische Geheimdienstoperationen Stammesrivalitäten durch sogenannte False-Flag-Überfälle hochkochen, um lokale Kämpfe auszulösen. So werden in Mozambique potentielle Mitkonkurrenten zur Ausbeutung eines riesigen Gasfeldes abgeschreckt und die Profite hochgehalten.

Eine besondere Rolle im „großen Geschäft“ spielen dabei die späteren Nachfolger Nelson Mandelas, Thabo Mbeki, und der erst dieses Jahr zum Präsidenten gekürte Cyril Ramaphosa.

Laut dem Romanhelden hat die westliche Hochfinanz nicht nur die südafrikanische Revolution und die gesamte Führungsriege des ANC mit US-$ gekauft, sondern auch Nelson Mandela zum Präsidenten erkoren und ihm den Friedensnobelpreis zugeschanzt.

Der Ort der Handlung im zweiten Teil des Buches mit dem Titel „Die Aktion Erongo“ ist Angola. Vordergründig geht es dabei um den militärischen Kampf zwischen den politischen Parteien MPLA, UNITA und SWAPO. Privatarmeen, deren Held überflüssiger Weise auch in eine Liebesgeschichte verwickelt ist, bieten ihre Dienste an, besorgen Waffen und Panzer in Osteuropa und kämpfen auf gefährlichem Terrain. Da hohe Diamantenpreise wichtiger sind als ideologische Differenzen, wechselt die Politik der USA, wo Henry Kissinger gemeinsam mit dem Diamantenkartell die Fäden ziehen, die Seiten.

Der dritte Teil, „Tripoli Charlie“, der dem gesamten Thriller seinen Namen gab, ist am aktuellsten. Der Autor wechselt in der Beschreibung der Kriegsvorbereitungen und der Interessenlagen der beteiligten Nato-Staaten und des Kriegsverlaufs ständig die Schauplätze und pendelt zwischen dem Hauptquartier der CIA in den USA, einem elitären Klub in London, der libyschen Wüste und Hinterhöfen in Libyens Hauptstadt Tripolis, Schweizer Banken, Regierungskreisen in Paris, Söldneragenturen in Johannesburg und einem Militärflughafen in Namibia hin und her. Wie in den beiden anderen Teilen ziehen hinter den Kulissen heimliche Kräfte die Fäden.

Florian Stumfall verarbeitet und verdichtet in "Tripoli Charlie" bekannte Fakten zu Kriegsgründen, zum Einsatz von al-Kaida als westliche Proxykämpfer, zur Bombardierung Libyens und zu Völkerrechtsverstößen der Nato-Staaten mit einer politischen Gemengelage, in der der britische Geheimdienst MI6 gegen den britischen Verteidigungsminister arbeitet, der Muammar al-Gaddafi und seine Familie mit Hilfe des Einsatzes von südafrikanischen Söldnern retten und aus Libyen herausholen will. Das geheime Unternehmen trägt den Code-Namen „Tripoli Charlie“. Allerdings hat nicht nur der französische Präsident ein persönliches Interesse daran, Gaddafi aus dem Weg zu räumen, sondern auch Wasser- und Ölkonzerne sowie die Firma Monsanto, die zum einen seine Lebensmittelgeschäfte durch die Bewässerungsprojekte des Great-Man-Made-Rivers bedroht sieht, zum anderen gerüchteweise die Söldnerfirma Blackwater aufgekauft hat.

Den Söldnern gelingt es, Gaddafis Frau und drei seiner Kinder aus Libyen herauszuholen. Anschließend soll Gaddafi, der sich in Sirte aufhält, gerettet werden. Im Roman besteigt Gaddafi in Begleitung einiger Söldner einen Geländewagen, der vier voraus fahrenden MAN-Lastwagen folgt. Als die LKWs genügend weit entfernt sind, eröffnen Leute der französischen Division Action das Feuer auf den Geländewagen. Gaddafi wird aus dem Auto gezerrt und auf die abscheulichste Weise ermordet, während die LKWs mit Libyens gesamten Gold-, Silber- und Diamantenschatz in Richtung Niger das Weite suchen.

In Stumfalls Thriller aus dem Jahre 2017 besticht der Mix aus genauer Kenntnis der tatsächlichen und überprüfbaren Faktenlage mit dem vermeintlichen Offenlegen geheimer Vorgänge und Absprachen der verborgenen Strippenzieher. Was ist an diesen Hintergründen Fiktion? Was ist Wahrheit? Könnte es wirklich so gelaufen sein? Oder zumindest so ähnlich?

In Libyen kursiert über den Tod von Muammar al-Gaddafi allerdings noch eine andere Version als die vom Romanautor Florian Stumfall vorgeschlagene. Dort heißt es, Gaddafi wäre niemals so dumm gewesen, sich in Sirte aufzuhalten, also genau dem Ort, wo ihn jeder vermutet habe. Es sei nicht Gaddafi gewesen, der in dem Geländewagen saß und zu Tode gequält wurde, sondern dessen Cousin. Die dem Leichnam entnommene DNA habe bei der Prüfung in einem osteuropäischen Land nicht als diejenige von Muammar al-Gaddafi identifiziert werden können. Im Gegensatz zu der DNA seines Sohnes, Mutasim Billah Gaddafi, der ebenfalls am 20. Oktober 2011 gefangengenommen und getötet worden war. Um ihn weiteren Überprüfungen zu entziehen, sei der angebliche Leichnam Gaddafis an einem unbekannten Ort in der Wüste verscharrt worden. Allerdings sei es unwahrscheinlich, dass Muammar al-Gaddafi, der 2011 bereits 69 Jahre alt und seit einigen Jahren gesundheitlich angeschlagen war, heute noch am Leben ist. Den Aufregungen und der Sorge um Libyen habe sein schwaches Herz nicht mehr standhalten können.

Die Wahrheit hinter der Wahrheit, hinter der Wahrheit...

Tripoli Charlie. Feuer der Hochfinanz in Afrika
Florian Stumfall
EWK Verlag 2017

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

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