Tripolis: Kämpfe und/oder Waffenstillstand

Libyen. Um die Kämpfe in der libysche Hauptstadt ist auch ein Propagandakrieg entbrannt.

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In Tripolis wurde am 5.9. ein Waffenstillstand unter Vermittlung des UN-Sondervermittlers für Libyen Ghassan Salamé zwischen der „Einheitsregierung, Militärkommandanten, dem Sicherheitsapparat und bewaffneten Gruppen“ unterzeichnet. Etliche Milizen waren aber nicht anwesend. Tatsächlich scheinen die Kämpfe in der Stadt weiterzugehen. Der Flughafen von Mitiga bleibt geschlossen. Die 'Einheitsregierung' unter Sarradsch hat ein Krisenkomitee gegründet. Erst gestern hatte MiddleEastEye geschrieben: „Vor diesem Hintergrund ist die Unfähigkeit der 'Einheitsregierung', keine Einigung zwischen den bewaffneten Gruppen herbeiführen zu können, die ihr zumindest nominell unterstehen, keine Überraschung. Daraus folgt die Frage, was von ihrer Glaubwürdigkeit noch übrig bleibt.“ Es kann vermutet werden, dass die Einheitsregierung mit der Ausrufung eines Pseudo-Waffenstillstands Handlungsfähigkeit vortäuscht.

Derweil kommen immer neue Nachrichten aus der Hauptstadt, die bereits seit dem 27. August umkämpft ist. So sollen sich unter den 400 Gefangenen, die vor drei Tagen aus dem Ruwaimi-Gefängnis entfliehen konnten, auch die 45 Libyer befinden, die vor einer Woche von einem Gericht in Tripolis zum Tode verurteilt wurden.

Der Innenminister der Einheitsregierung gab bekannt, dass das US-amerikanische Botschaftsgebäude in Brand geschossen wurde. Dies wurde später wieder dementiert. Wegen der Kämpfe ist der Brandherd für die Feuerwehr nicht erreichbar.

Nachdem sich vor drei Tagen zunächst das gesamte Internet erheblich verlangsamt hatte, wurde Facebook komplett abgeschaltet. Die libysche Telecom behauptet, es handle sich um ein technisches Problem. Allerdings machten demokratische und Menschenrechtsorganisationen die 'Einheitsregierung' unter Sarradsch für die Facebook-Sperrung verantwortlich.

Die Special Deterrence Force, die bisher hauptsächlich bemüht war, ihr Misrata-Gefängnis mit tausenden illegal gefangengehaltenen politischen Gefangenen zu bewachen, scheint aktiver in die Kämpfe einzugreifen. Eine Miliz aus Misrata soll sich nun an der Bewachung beteiligen. Die Milizen der Stadt Misrata sind aber gespalten, ein Teil soll die Tarhouna-Miliz unterstützen, ein Teil die Milizen der 'Einheitsregierung'. Über den genauen Stand der Kämpfe kursieren unterschiedliche Berichte.

Der italienische Innenminister Mateo Salvini gab bekannt, Italien werde sich nicht an einer militärischen Intervention in Libyen beteiligen. Wie der österreichische Kurier vermeldet, sind seit Januar 2018 350 italienische Militärs zur Unterstützung der libyschen Behörden gegen illegale Einwanderung und Terrorismus in Libyen engagiert, die Hälfte davon bei Misrata.
Salvini beschuldigte Frankreich aus wirtschaftlichen Erwägungen in Libyen aktiv zu sein: „Militäreingriffe lösen nichts, das sollte jeder begreifen. Ich denke, dass hinter dieser Gewaltwelle in Libyen jemand steckt, der bereits einen Krieg geführt hat, den man hätte nicht führen sollen. Jemand, der die Demokratie aus wirtschaftlichen Interessen zu exportieren versucht hat, was nie funktioniert." Die italienische Verteidigungsministerin Elisabetta Trenta von der Fünf-Sterne-Bewegung sagte in Hinblick auf Frankreich: „Libyen befindet sich in dieser Lage, weil jemand 2011 den eigenen Interessen gegenüber jener der Libyer und Europas den Vorrang gegeben hat".
Italien ist besorgt, dass die Abkommen in Sachen Migrationsbekämpfung zwischen der 'Einheitsregierung' und Italien ihre Gültigkeit verlieren könnten und die libysche 'Küstenwache' nicht mehr in der Lage sein könnte, die Küste zu kontrollieren. Allerdings wurden Medienberichte, wonach die Mitarbeiter der italienischen Botschaft Tripolis verlassen hätten, vom libyschen Innenminister dementiert. Ebenfalls dementiert wurden Presseberichte, nach denen das Hauptquartier der 'Einheitsregierung' von Bewaffneten angegriffen worden sei, woraufhin die Sicherheitskräfte die Flucht ergriffen hätten.

Die Todesrate während der Kämpfe in Tripolis ist laut Angaben der 'Einheitsregierung' auf mindestens 61 gestiegen, es soll 159 Verletzte geben, darunter auch Zivilisten. Beim Löschen eines in Brand geschossenen Öltanks südlich von Tripolis wurden zwei Feuerwehrmänner verwundet.

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http://www.xinhuanet.com/english/2018-09/04/c_137444511.htm

https://www.middleeasteye.net/columns/tripoli-will-remain-focal-point-competitive-violence-1082017255

https://www.libyanexpress.com/death-toll-in-tripoli-clashes-reached-over-60-health-ministry-says/

https://www.libyaobserver.ly/news/un-brokers-ceasefire-libyas-warring-armed-groups

https://www.libyaherald.com/2018/09/05/un-brokered-ceasefire-agreed-in-south-tripoli-militia-fighting/

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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