Trump siegte und die Börsen jubeln

Reset in den USA. Wird ExxonMobil Präsident Rex Tillerson Außenministers der USA? Tillerson ist bekannt für seine guten Beziehungen zu Moskau. - Das Scheitern der Außenpolitik Clintons.

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Ein Grund für den Anstieg der Börsenkurse nach Trumps Wahlsieg dürfte die Möglichkeit eines kompletten Neustarts der USA in den internationalen Beziehungen sein. Dieser wird dringend benötigt, um weltwirtschaftlich im Geschäft zu bleiben. Nach dem kompletten Scheitern der US-Außenpolitik einer Hillary Clinton geht es nach dem Sieg der syrischen Regierung mit Hilfe vor allem Russlands, dem voraussichtlichen Erstarken einer souveränen libyschen Regierung und der Hinwendung des NATO-Partners Türkei nach Asien darum, den Schaden für die Wirtschaftsmacht USA möglichst zu begrenzen.

In den genannten Ländern wäre es für die USA unter einer Präsidentin Clinton kaum mehr möglich, ins Geschäft zu kommen. Clinton trug als Außenministerin die Verantwortung, den Regime-Change in Libyen und Syrien mittels dschihadistischer Söldnermilizen in Gang gesetzt, die Länder zerbombt und zerstört zu haben. Das wäre aus Sicht der USA vielleicht das kleinere Problem, das größere ist, dass das Kalkül nicht aufgegangen ist, dass es nicht gelungen ist, Marionettenregierungen in diesen Ländern zu installieren. Den Stellvertreterkrieg in Syrien hat Russland gewonnen und in Libyen wird wieder ein souveräner Nationalstaat erstarken, auch wenn es dort noch eine sogenannte ‚Einheitsregierung‘ gibt, die im Grunde völlig bedeutungslos ist, da sie von niemanden im Land unterstützt wird. Russland hat durch den Sieg aller Hetze zum Trotz international enorm an Prestige gewonnen, die russische Wirtschaft konnte trotz aller Sanktionen nicht in die Knie gezwungen werden, Putin ist im eigenen Land beliebt wie nie und hat einen neuen Freund gewonnen, den türkischen Präsidenten Erdogan.

Die Wahl Donald Trumps ist somit die Notbremse für eine US-amerikanische Außenpolitik, die den USA nichts als hohe Kosten, ein bestürzendes Image nicht nur in den arabischen Ländern, und nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei sogar den Verlust der Kontrolle über den NATO-Partner gebracht hat. Die USA haben sich selbst aus den Geschäften mit wichtigen erdölfördernden Ländern katapultiert. Diese Geschäfte müssen wiederbelebt werden, Exxon-Boss Tillerson steht für den Reset.

Im verlorenen Syrienkrieg kommt der Türkei eine Schlüsselrolle zu. Der Architekt, der im Verlauf des arabischen Frühlings in Absprache mit den USA und der NATO übernommenen türkischen Rolle, war der damalige Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu. Er wollte die Türkei in Anlehnung an alte osmanische Großmachtträume unter der Vorherrschaft sunnitischer Islamisten zur wichtigsten Regionalmacht im Nahen Osten und Nordafrika machen.

Es fielen die alten Regime in Tunesien und Ägypten. Auch in Libyen schienen die Pläne zunächst aufzugehen. Russland verhielt sich neutral, ihm lag nicht viel an Gaddafi mit seiner sozialistischen Dschamahirija und seinem ungebrochenen Unabhängigkeitsstreben von jeglicher Großmacht. Die NATO hatte zwar nicht so leichtes Spiel wie gedacht, doch nach fast einem Vierteljahr Bombardements und dem Einsatz dschihadistischer Söldnertruppen, geführt von US-amerikanischen, britischen und französischen Sondereinsatzkommandos, war nicht nur Gaddafi ermordet, sondern das ganze Land ins Chaos gestürzt.

Doch als sich abzeichnete, dass Libyen nur das Appetithäppchen für Syrien gewesen war, sah Russland plötzlich seine ureigensten Interessen massiv bedroht. Der syrische Präsident Assad war Russlands Verbündeter. In Syrien befindet sich der einzige mediterrane Militärstützpunkt Moskaus, Tartus, den Russland zum Auftanken braucht. Russland sah eine rote Linie überschritten. Es würde nicht zulassen, dass seine militärischen Stützpunkte von der Nato übernommen werden. Dieser Versuch des Westens war schon auf der Krim, wo die russische Schwarzmeerflotte stationiert ist, gescheitert.

Assad hatte auch die Unterstützung Irans. Der syrische Präsident hatte Katar nicht erlaubt, eine Ölpipeline durch Syrien zu bauen, um dessen Mittelmeerhäfen für die Verschiffung ihres Öls auf die europäischen Märkte zu nutzen, dies aber sehr wohl dem Iran gestattet.

Doch von dieser politischen Großgemengelage ließ sich Clinton in ihrer Hybris nicht beirren. Sie schickte wieder ihre dschihadistischen Hilfstruppen los, von al-Kaida, über al-Nusra bis zum IS, getarnt als ‚gemäßigte Opposition‘, schelmisch auch als ‚Rebellen‘ bezeichnet. Libyen lieferte die Blaupause, nun sollte es Assad an den Kragen gehen und eine islamistische Marionettenregierung, gesponsert von Katar und Saudi-Arabien und durchgedrückt von einer sogenannten ‚internationalen Gemeinschaft‘, die Macht in Syrien übernehmen. Wie auch schon in Libyen wurden Waffen und Kämpfer über die Türkei ins Land geschleust, erfolgte die logistische Unterstützung durch geheime Sonderkommandos der USA, Großbritanniens und Frankreichs. Als sich der IS immer mehr in Syrien ausbreitete, durften verschiedene NATO-Mitglieder auch mal ein paar Bomben über dem Land abschmeißen. Der Kampf gegen den IS rechtfertigte jeden Völkerrechtsbruch. Nur sollte der IS nicht wirklich vernichtet werden, denn er wurde aus zweierlei Gründen gebraucht: zum einen, um die Bombardierungen zu rechtfertigen, die versehentlich auch mal die syrische Armee trafen, zum anderen, um nützliche Idioten gegen die syrische Armee kämpfen zu lassen.

Zunächst schien alles nach Wunsch zu laufen. Doch dann griff plötzlich auf Wunsch Syriens ganz völkerrechtskonform die russische Luftwaffe ein. Nun wurden nicht mehr Sanddünen gebombt, sondern der IS tatsächlich angegriffen, ebenso wie dschihadistische Gruppierungen, beispielsweise die al-Nusra-Front. Auch Iran und Hisbollah unterstützten die Assad-Regierung. Der Krieg wurde immer verbissener und blutiger, der Preis für den Sieg immer höher.

Als die Türkei auf syrischem Gebiet ein russisches Flugzeug abschoss und die Piloten ermordet wurden, war für Russland Schluss mit lustig. Es verhängte schmerzende Sanktionen gegen die Türkei. Keine russischen Touristen mehr an Antalyas Stränden, keine türkischen Tomaten in Moskauer Supermärkten, die geplante Öl-Pipeline auf Eis gelegt. Die wirtschaftliche Situation der Türkei verdüsterte sich zusehends. Dazu kam internationale Kritik an der Türkei: Sie wurde als Dschihadisten-Pate gebrandmarkt – die Durchlässigkeit der syrisch-türkischen Grenze für Kämpfer und Waffen ließ sich nicht länger vertuschen.

Vielleicht hätte die Türkei dies alles noch hingenommen, doch dann tat sich für die Türkei die Ungeheuerlichkeit eines kurdischen Staates an ihrer Grenze auf. Die USA unterstützten die Kurden, dafür kämpften die Kurden gegen die syrische Armee. Für die Türkei war eine rote Linie überschritten: An der türkischen Grenze durfte es keinen Kurdenstaat geben.

Die Kurden wollten den USA erlauben, drei Militärbasen auf kurdischem Gebiet zu errichten, eine davon war bereits in Betrieb. Dass dies in diesem geostrategisch wichtigen Gebiet nicht wünschenswert war, darüber dürften sich Türken, Syrer, Iraner, Iraker und Russen einig gewesen sein.

Die Türkei riss das Ruder herum, sie war in zu schwere Wasser geraten. Die Unterstützung der Dschihadisten wurde eingestellt, Davutoğlu zum Bedauern der Europäer im Mai 2016 entmachtet.

Im Juni 2016 besuchte Erdogan Putin, entschuldigte sich für den Flugzeugabschuss und traf Absprachen über das weitere Vorgehen in Syrien. Es hieß, türkische Generäle reisten nach Damaskus, um sich mit den dortigen syrischen, russischen und iranischen Kollegen zu beraten.

Welche Ungeheuerlichkeit für die USA und die westlichen Staaten! Ein NATO-Mitglied, einst Bollwerk im Nahen Osten und im Besitz des größten Soldatenkontingents, hatte praktisch die Seiten gewechselt. Vermutet hatte man schon lange, dass Erdogan ein unsicherer Kantonist war. Deshalb hatte man vorsorglich einen Staat im Staat aufgebaut: Das Gülen-Netzwerk überzog nicht nur das ganze Land, sondern vor allem auch die Armee. Die Zeit für einen Militärputsch war gekommen. Auch Erdogan musste weg.

Wie bekannt, misslang Mitte Juli 2016 der Militärputsch, auch weil das Volk auf die Straßen strömte und die Demokratie und seinen gewählten Präsidenten verteidigte.

Für die USA, die EU und die NATO war das der Supergau. Erdogan war erbost, auch weil der türkische NATO-Stützpunkt Ircelik bei dem Putsch eine wichtige Rolle spielte: Von hier starteten die Flugzeuge, die die Bomber auftanken sollten, die gleich anfangs das türkische Parlament bombardiert hatten. Die New York Times hatte noch des nachts fälschlicher Weise berichtet, Erdogan sei nach Deutschland geflohen. Und die europäischen Regierungen waren in der Verurteilung des Militärputsches zunächst äußerst zurückhaltend. Erdogan machte zwar nur den im US-amerikanischen Exil sitzenden Gülen für den Putsch verantwortlich, doch wer hinter Gülen stand, war ein offenes Geheimnis.

In der Türkei setzte eine Säuberungswelle ein, die gnadenlos jede Opposition verfolgte, nicht nur das Gülen-Netzwerk, sondern vor allem auch kurdische Politiker. Als in NATO-Ländern wie Griechenland und Deutschland türkische Generäle um Asyl baten, war die Absurdität perfekt. Erdogan wandte sich vom Westen ab und dem Osten und Asien zu. Es hieß, Moskau hätte an Erdogan iranische Geheimdienst-Erkenntnisse weitergegeben und ihn so vor dem Putsch gewarnt.

Als Kolateralschäden der Kriege in Libyen und Syrien steht das Kurdenproblem wieder ganz oben auf der internationalen Krisenagende und die Europäer kämpfen verzweifelt mit dem Flüchtlingsproblem. Für die Türkei sind die syrischen Flüchtlinge ein Faustpfand, die das Stillhalten der Europäischen Union beim türkischen Krieg gegen die Kurden garantiert.

Um die aus Libyen über das Mittelmeer kommenden afrikanischen Flüchtlinge zu stoppen, haben die Europäer bisher noch keine Lösung. Dazu bedürfte es einer stabilen Regierung in Libyen. Hier hat man mit der islamistisch gestützten, sogenannten ‚Einheitsregierung‘ eindeutig auf die falsche Karte gesetzt.

Die desaströse US-Außenpolitik unter Außenministerin Clinton ist krachend gegen die Wand gefahren. Im Moment versucht der jetzige US-Außenminister John Kerry, mit nicht allzu großem Gesichtsverlust aus der syrischen Katastrophe herauszukommen. Aber bei so etwas erweisen sich die Russen ja meist als Gentlemen, ein Charakterzug, der den US-amerikanischen Politikern komplett fehlt.

Den USA bleiben nur noch übrig, die Scherben irgendwie zu kitten, die sie beim Zerbrechen von Staaten angerichtet haben. Wäre dies mit einer Präsidentin Clinton und deren Administration und CIA-Freunden, mit denen sie das Schlamassel zu verantworten hat, denkbar? Wohl kaum. Ein ‚weiter so‘ hätte auf einen großen Krieg mit Russland zugesteuert. Da wären wahrscheinlich sogar die sonst USA-hörigen Europäer ausgestiegen. Das ‚fuck the EU‘ gab auch ihnen zu denken.

Libyen und Syrien liegen nicht am Hindukusch, sondern am Mittelmeer, nur wenige Kilometer von der europäischen Küste entfernt, ein Teil der Türkei gehört zum europäischen Kontinent. Die Bevölkerung dieser Länder wollte keinen Regime-Change, ausgeführt von durchgeknallten Hardcore-Islamisten, und auch keine US-gesteuerten Marionettenregierungen.

Die sogenannte syrische Opposition sitzt derweil in Europa in den Kaffeehäusern und sieht zu, wie sich die einfältigen Islamisten in einem Spielchen verheizen lassen, das sie nicht durchschauen.

Auch die Menschen in den westlichen Ländern sind nicht mehr bereit, über jedes Stöckchen zu springen, dass ihr die Politik und die Medien ihnen vorhalten: Der Kampf der Guten für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte gegen die Bösen, Diktatoren, Regime und Tyrannen. So einfach ist nicht einmal mehr das Weltbild von Lieschen Müller gestrickt.

Was bedeutet das für die USA?

Ein Reset musste her, um die Welt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Denn der Preis ist inzwischen auch für die USA zu hoch. Horrende Militärausgaben, immer mehr Verbündete, die von den Fahnen gehen, Rechtsruck und Erstarken der nationalen Idee in Europa, Abwahl von treuen Gefolgsleuten (Ausnahme: Angela Merkel), scheitern von als wichtig angesehener Handelsabkommen.

Trump musste her, um zum Beispiel die von Clinton geschassten CIA-Leute wieder einzusetzen, die unter anderem wegen des gemeinsamen Kampfes gegen Islamisten gute Beziehungen zu den Geheimdiensten des alten Libyens hatten und gegen den NATO-Krieg in Libyen waren. Damit das Öl fließt und die US-amerikanischen Konzerne auch in Nordafrika wieder einen Fuß auf den Boden bekommen. Trump wird vermutlich einen Exxon-Mann mit guten Beziehungen zu Moskau zum Außenminister machen. Ein Versuch, Russland von seinen neuen Verbündeten zu lösen. Denn der Schulterschluss Russlands mit China und dem Iran ist für die USA in vielerlei Hinsicht gefährlich: Zusammen sind sie stark.

Und wieder einmal hat Giuseppe Tomasi di Lampedusa recht, wenn er in „Der Leopard“ feststellt: Alles muss sich ändern, damit es so bleibt, wie es ist.

Die Börsen jubeln.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

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