Tuareg-Aufstand in Mali

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Wie Tagesschau.de am 11.2.2012 meldete, unterstützen bestens bewaffnete und gut ausgebildete Tuareg Kämpfer aus Libyen den Aufstand im Norden Malis www.tagesschau.de/ausland/maliprotest100.html

Am 22.05.2012 berichtet auf Tagesschau.de Peter Schreiber über die Tuareg-Flüchtlingslager in Burkina Faso: www.tagesschau.de/ausland/mali176.html

Durch den Norden Malis
Vor einigen Jahren sind wir entlang der legendären Tanezrouft – eine Piste, die die kürzeste Verbindung zwischen Nordafrika und Schwarzafrika quer durch die Sahara darstellt – von Gao aus durch den Norden Malis und durch die Sahara bis zur algerischen Grenze bei Bordj-Moktar gefahren. Wir sind dabei im Norden Malis auf Tuareg-Kinder gestoßen, die hungrig auf unsere Essensreste warteten und sich gierig auf jedes Reiskorn stürzten. Wir haben Quartier gemacht in schäbigen Tuareg-Dörfern, in denen bitterste Armut und Trostlosigkeit herrschte.

So verwundert es nicht, dass es in Mali und Niger immer wieder zu Tuareg-Aufständen kommt, die sich gegen die Zentralregierungen richten. Die Tuareg kämpfen nicht nur um die Anerkennung ihrer eigenen Kultur als Nomaden, sondern es sind in erster Linie Hungeraufstände, die sie immer wieder in den Kampf treiben. Nachdem die Tuareg mit der Kolonialmacht Frankreich, die sie unerbittlich bekämpft hatten, im Jahr 1917 Frieden geschlossen hatten, wurde ihnen entgegen vorheriger Zusagen kein eigenes Staatsgebiet zugestanden, sondern das Sahel- und Sahara-Gebiet, in dem die Tuareg nomadisieren, wurde zwischen Mali, Niger und Algerien aufgeteilt.

Die große Tuareg-Rebellion in den Jahren 1990 bis 1997 entstand während einer Hungersnot in Niger und griff auf Mali über. Die Regierung des Niger unternahm damals nichts, um das Volk der Tuareg vor dem Hungertod zu retten und ließ ihnen keine Nahrungsmittelhilfe zukommen. Bei der aus Verzweiflung aufflammenden Rebellion der Tuareg beließen es die Zentralregierungen von Mali und Niger jedoch nicht bei Auseinandersetzungen mit der Tuareg-Armee, sondern griffen auch Lager mit Frauen und Kindern an, woraufhin sich nur immer noch mehr Tuareg den Aufständen anschlossen. Ihre Forderungen waren politische Autonomie, mehr Entwicklungshilfe und eine Beteiligung an den Uranminen im Niger. Dieser vor allem von französischen Firmen betriebene Uranabbau stellt ein besonders betrübliches Kapitel dar, da die Minen inmitten der Weidegebiete der Tuareg liegen und eine erhebliche Kontamination von Mensch, Tier, Luft und Wasser zur Folge hatten und haben. Eine Ausdehnung der Minen steht an, wovon noch größere Tuareg-Gebiete betroffen sind.

1997 kam es zu einem Friedensabkommen zwischen den Tuareg und den Regierungen von Mali und Niger, doch schon bald erhoben die Tuareg Vorwürfe, die Vereinbarungen würden nicht eingehalten werden. Heute vermutet man im Norden Malis und Mauretaniens große Erdöl- und Erdgasfelder sowie Lagerstätten Seltener Erden. Es ist ein legitimes Anliegen der Tuareg, von der Ausbeute der Bodenschätze auf ihren Stammesgebieten zu profitieren.

Doch dürfte der jetzige Aufstand wiederum in erster Linie einer Hungersnot geschuldet sein. Erst vor wenigen Tagen konnte man der Presse entnehmen, dass in Mali und Niger wegen Ernteausfällen Millionen Menschen akut vom Hungertod bedroht sind. Und die unbequemen und renitenten Tuareg dürften wiederum diejenigen sein, die bei der Verteilung von Lebensmittelhilfen vergessen werden.

Libyen hat sich in diesen Konflikten stets auf die Seite der Tuareg gestellt. Tuareg aus Mali und Niger bekamen von Gaddafi politisches Asyl. Sie konnten sich ausnahmslos in Libyen ansiedeln und bekamen einen libyschen Pass, der ihnen und ihren Familien Zugang zum libyschen Wohlfahrtsstaat gewährte und eine Ausbildung der Kinder ermöglichte. Daneben nahm Gaddafi viele Tuareg in seine Armee auf. Junge Tuareg kamen so in Brot und Arbeit, die sonst völlig chancenlos gewesen wären. Gaddafi, der sich selbst stets als Beduine fühlte, war den Tuareg verbunden und diese dankten es ihm, indem sie ihm die Treue hielten. So wird der Targi Souleyman während des Libyenkrieges zitiert: „Wir hoffen auf Frieden, wir hoffen, dass alles gut werden wird. Es lebe Libyen, es lebe Gaddafi! Wir können uns kein Libyen ohne Gaddafi vorstellen und das libysche Volk ist nichts ohne Gaddafi! Ich sage Dir das aus Liebe zu Libyen und aus Liebe zu Gaddafi! Ja, ich bin aus dem Niger und ich bin stolz darauf, aber nichts kann unsere Liebe zu Gaddafi zerstören!“ (Aus: Fritz Edlinger, „Libyen“, 2011)

Die Tuareg befinden sich durch den Fall Gaddafis und die Destabilisierung Libyens in einer dramatischen Situation. Ihnen blieb nichts als der Rückzug nach Mali, Niger und Mauretanien – also in bitterste Armut, Unsicherheit und Trostlosigkeit – unter Mitnahme der Waffen aus Gaddafis Armee. Hunger, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit – das ist der Stoff, aus dem diese Aufstände sind.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

Angelika Gutsche

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