Tuareg

Libyen/Sahara. Bereits 2004, als die USA das Gebiet der Sahara zur 'Terrorzone' erklärten, brachen für die Tuareg harte Zeiten an.

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Gaddafi bezeichnete Libyen „als das Land der Tuareg“, es sei ihre Basis und werde sie unterstützen. Die Tuareg selbst nannte er die „Löwen und Adler“ der Wüste, sich an ihnen zu vergreifen, würde er niemanden erlauben. Sie seien „die Verteidiger der Sahara, Nordafrikas, des Islams und dieser strategischen Zone“.[1] Was mit strategischer Zone gemeint war, weiß man seit 2004, als die USA die Sahara zur ‚Terrorzone‘ erklärten.

Die Tuareg werden als die Nachfahren der Garamanten betrachtet, der Urbevölkerung des Fessan, und sie gehören somit auch zur Urbevölkerung Libyens, die über eine eigene Sprache und Schrift verfügt.

Tuareg sind die Nomaden der Wüste, deren Lebensraum sich über die gesamte Sahara erstreckt, auch wenn sich dieser aufgrund kolonialer Grenzziehungen heute über fünf Staaten – Libyen, Algerien, Mali, Niger und Mauretanien – verteilt. Es handelt sich um ein lebensfeindliches Terrain, in dem es kaum Infrastruktur gibt. Tuareg kennen keine Grenzen, sie wandern – wie schon seit ewigen Zeiten – zwischen der Sahelzone im Süden und den Ausläufern der Sahara im Norden. Früher waren sie Viehzüchter und durchquerten mit ihren Karawanen, die zum Beispiel Salz und Datteln mit sich führten, die Sahara und waren so das Bindeglied zwischen Nord- und Schwarzafrika, ohne dem kein Handel zwischen diesen unterschiedlichen Kulturräumen möglich gewesen wäre. Seit PS-starke LKWs den saharischen Handelstransport übernommen haben, schränkten sich diese Verdienstmöglichkeiten immer mehr ein. Doch auch heute noch durchqueren sie die Sahara, nun neben Kamelen auch mit LKWs, auf denen sich neben neutralen Gütern auch Schmuggelgut – von Zigaretten über Rauschgift, Waffen und Menschen – befindet. Ein neues Betätigungsfeld erschloss sich mit dem aufkommenden Sahara-Tourismus in den 90er Jahren. Diesen Verdienstmöglichkeiten wurde durch die Entführung von Touristen in Mali und Algerien ein abruptes Ende gesetzt.

In Libyen selbst leben zwei Gruppen von Tuareg, zum einen die libyschen Tuareg und die aus dem Niger und aus Mali eingewanderten Tuareg, die aufgrund von Hungersnöten und Gewalt in ihren Herkunftsstaaten Mali und Niger keinerlei Lebens- und Zukunftschancen mehr sahen. Beide Gruppen sind sich nicht immer grün.

Gaddafi hat sich seit seinen politischen Anfängen für die Belange der Tuareg eingesetzt. Dies ist sicher auch der Bewunderung für ihren erbitterten Kampf gegen die Kolonialmacht Frankreich geschuldet. Trotz der vorherigen Zusage der Kolonialmächte wurde den Tuareg ein eigenes Staatsgebiet vorenthalten und ihr Lebensraum zunächst zwischen Mali, Niger und Algerien aufgeteilt. Gaddafi unterstützte Ende der 70er Jahre die Idee einer ‚Saharischen Union‘, die den Tuareg politische Autonomie verleihen und ihren nomadischen Lebensstil weiter ermöglichen sollte.

In den Jahren 1990 bis 1997 kam es während einer durch eine Dürre ausgelösten Hungersnot in Niger und Mali zur großen Tuareg-Rebellion. Die Regierung des Niger unternahm damals nichts, um das Volk der Tuareg vor dem Hungertod zu retten und verwehrte ihnen jede Nahrungsmittelhilfe. Die Zentralregierungen von Mali und Niger beschränkten sich bei den dadurch ausgelösten bewaffneten Aufständen nicht auf Auseinandersetzungen mit den Tuareg-Kämpfern, sondern griffen auch Lager mit Frauen und Kindern an, woraufhin sich immer mehr Tuareg den Aufständen anschlossen.

1997 kam es zu einem Friedensabkommen zwischen den Tuareg und den Regierungen von Mali und Niger, doch schon bald erhoben die Tuareg Vorwürfe, die Vereinbarungen würden nicht eingehalten werden. In dieser Situation war Gaddafi der Retter in größter Not. Tuareg aus Mali und Niger bekamen von Gaddafi politisches Asyl. Sie konnten sich ausnahmslos in Libyen ansiedeln und bekamen einen libyschen Pass, der ihnen und ihren Familien Zugang zum libyschen Wohlfahrtsstaat gewährte und die Ausbildung der Kinder ermöglichte. Daneben nahm Gaddafi viele Tuareg in seine Armee auf. Junge Tuareg, die sonst völlig chancenlos gewesen wären, kamen so in Brot und Arbeit.

Als im Sommer 2008 das nigrische Militär wieder einmal mit großer Brutalität gegen die Tuareg vorging und den Familien durch Abschlachten ihrer Herden die Lebensgrundlagen entzog, machten sich erneut viele Tuareg auf den Weg nach Libyen. Es berichtete eine Familie, die aus der nigrischen Stadt Arlit stammte, wie sie zunächst in das algerische Djanet und von dort zu Fuß über die Grenze nach Libyen floh. Eine libysche Grenzpatrouille brachte sie in die Oasenstadt Rhat. Dort wurde die Familie mit Essen und Wasser versorgt und konnte den Kontakt zu ihren bereits in Libyen lebenden Verwandten aufnehmen. Die Familie konnte ein kleines Haus beziehen, der Mann fand in den Gärten der Oase Arbeit. [2] So verwundert es nicht, dass Libyen für viele Tuareg das Zielland war, in dem sie sich als Libyer eine neue Existenz aufbauen konnten, und wo sie sich dank libyscher Papiere frei bewegen und arbeiten konnten.

Gaddafi fühlte sich dem Ideal einer sozial gerechten Gesellschaft verpflichtet und versuchte mittels allgemeiner Schulpflicht und der Durchmischung von Wohnvierteln Chancengleichheit unter den Bürgern herzustellen, wobei ethnische und religiöse Identitäten in den Hintergrund traten. Die Integration stieß auch an Grenzen, vor allem bei jungen männlichen Tuareg, die durchaus einen gewissen Dünkel pflegten und sich für schwere Arbeiten im wahrsten Sinne des Wortes zu schön waren. Sie waren westlichen Einflüssen gegenüber empfänglich und fühlten sich von der Tradition gelangweilt.

Für junge Tuareg-Frauen ergaben sich dagegen in Libyen völlig neue Möglichkeiten, die sie voll ausschöpften. Sie machten gute Schulabschlüsse und fanden anschließend in Büros oder sozialen Berufen ein weites Betätigungsfeld. Eine Lehrerin formulierte es so: „Im Niger gibt es doch keine Freiheit! Die gibt es nur in Libyen dank Gaddafi! Wir sind frei! Wir haben Arbeit, wir haben Geld, wir können studieren, und auch Frauen haben die Freiheit auf ein Studium und auf Arbeit.“[3]

Die zugewanderten Tuareg hielten 2011 während des Nato-Krieges gegen Libyen ihrem Schutzherrn Gaddafi die Treue. Einer formulierte es so: „Wir hoffen auf Frieden, wir hoffen, dass alles gut werden wird. Es lebe Libyen, es lebe Gaddafi! Wir können uns kein Libyen ohne Gaddafi vorstellen und das libysche Volk ist nichts ohne Gaddafi! Ich sage Dir das aus Liebe zu Libyen und aus Liebe zu Gaddafi! Ja, ich bin aus dem Niger und darauf bin ich stolz, aber nichts kann unsere Liebe zu Gaddafi zerstören!“ [4] Die für Gaddafi kämpfenden Tuareg-Einheiten als Söldner zu bezeichnen, wie mehrfach im Westen geschehen, ist abwegig. Sie alle besaßen libysche Papiere, dienten schon jahrelang in der libyschen Armee und erhielten nicht mehr als ihren normalen Sold.

Dagegen schlossen sich libysche Tuareg zum Teil den Aufständen gegen Gaddafi an und forderten seinen Rücktritt.

Die Tuareg befanden sich nach dem Fall Gaddafis und der Destabilisierung Libyens in einer dramatischen Situation. Ihnen blieb nichts als der Rückzug nach Mali, Niger und Mauretanien – also der Weg in bitterste Armut, Unsicherheit und Trostlosigkeit. So zogen sie unter Mitnahme der Waffen der libyschen Armee gen Süden, zurück in ihre Herkunftsländer. Die saharischen Wüstengebiete waren allerdings schon lange Unruheherde, aus geopolitischem Kalkül zu terroristischen Rückzugsgebieten erklärt. Die Tuareg probten den Aufstand: Hunger, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit – das ist der Stoff, aus dem diese Erhebungen gemacht sind.

Seit 2004 setzten die USA aus politischen Gründen darauf, die Sahara zur ‚Terrorzone‘ zu erklären und gaben sie als Rückzugsgebiet der von den USA zunächst in Afghanistan hochgepäppelten al-Kaida aus. Unter diesem Vorwand rief 2004 der US-amerikanische Präsident George Bush die Pan-Sahel-Initiative ins Leben. Im Zuge des schon 2001 erklärten ‚Kriegs gegen den Terror‘ bot dies Bush den Vorwand für die Errichtung militärischer Basen in Afrika. Damit sicherte er sich auf militärischem Weg den Zugang zu den Ressourcen in Afrika. Frankreich, das in Nordafrika seine Vormachtstellung in den ehemaligen Kolonialgebieten durch die USA, aber auch durch China und Libyen bedroht sah, schloss sich dieser Initiative an. Als Verbündeter vor Ort spielte Algerien mit, das eine Möglichkeit sah, den Islamisten als stärkste Opposition im Land Paroli zu bieten.

Den Höhepunkt der US-amerikanischen Intrigen in Zusammenarbeit mit algerischen Geheimdiensten und Militärs bildete die Entführung von 32 europäischer Touristen, vor allem Deutscher, in Algerien; das Drama dauerte sechs Monate und forderte ein Todesopfer unter den Entführten. Jeder, der die saharischen Gebiete kennt, weiß, dass es ohne Wissen des über allem wachenden algerischen Militärs und seines Geheimdienstes in einem offenen, kaum Verstecke bietenden Wüstengebiet niemals möglich gewesen wäre, so viele Geiseln über einen so langen Zeitraum zu verbergen und auch versorgen zu können. So ist es nicht überraschend, dass es dank der journalistischen Arbeit von Jeremy Keenan seit 2009 klar ist, dass die Entführungen zwar von islamistischen Extremisten ausgeführt wurden, aber deren Planung ein abgekartetes Spiel zwischen der CIA und dem algerischen Geheimdienst waren.[5] Als Verbündeter Algeriens spielte auch Frankreich dabei eine tragende Rolle.

Ein weiterer Fall, der weltweit für Aufregung sorgte, war 2010 die Entführung von Mitarbeitern der AREVA-Uranabbaugesellschaft in der nigrischen Wüstenstadt Arlit. Seitdem wird den Tuareg auch Nähe zur neuerfundenen Gruppe ‚Al-Kaida-Im-Islamischen-Maghreb‘ zugeschrieben. Wen wundert‘s, dass die USA diesen Vorfall zum Vorwand nahmen, in der Nähe von Agadez eine neue Militärbasis für Drohnen zu errichten, angeblich zur Sicherung des Grenzgebiets Mali – Niger – Libyen. Die Bevölkerung von Agadez erfuhr von dieser neuen Basis nur durch die internationalen Medien.

Und plötzlich waren alle Tuareg als Verbündete der Islamisten verdächtig; es wurde ihnen der Kampf angesagt. Aus heutiger Sicht kann dies schon als die Vorbereitung auf den Krieg gegen Libyen gesehen werden, denn es war dem Westen klar, dass die Tuareg die treuesten Verbündeten Gaddafis waren. Und es ergibt auch Sinn, dass der ‚arabische Frühling‘ mit Unterstützung der westlichen Geheimdienste in Ländern wie Ägypten, Tunesien und Libyen zum Sturz der Machthaber führte, während in Algerien die Lage ruhig blieb und der hinfällige 79-jährige Machthaber Abd al-Aziz Bouteflika immer noch den Regierungschef gibt. Nicht Wahlen bestimmen in Afrika, wer die Regierungsmacht ausübt, sondern westliche Geheimdienste, allen voran CIA und MI6.

Seit dem Libyen-Krieg 2011 werden die Sahara und das daran angrenzende Sahelgebiet verstärkt vom Westen zu Rückzugsgebieten für Dschihadisten erklärt, was den gesamten Lebensraum der Tuareg zur Kriegszone macht. Zwischenzeitlich besetzten die Franzosen das Tuareg-Gebiet im Norden Malis, wo seit 2016 auch deutsche Soldaten stationiert sind, die bereits seit 2013 im Süden Malis Soldaten der malischen Armee ausbildeten.

Die Militarisierung der Sahara hat den aufstrebenden und in den 90er Jahren aufblühenden Tuareg-Städten Rhat, Ubari und Sebha in Libyen, Tamanrasset und Djanet in Algerien, Timbuktu und Gao in Mali und Agadez im Niger jegliche ökonomische Grundlagen entzogen. Es gibt keinen Tourismus mehr und die erschwerten Grenzübergänge bedeuten immer weniger Bewegungsmöglichkeiten für die Tuareg. Wer jemals der Armut und Armseligkeit eines saharischen Wüstendorfes in Mali oder Niger ansichtig wurde, weiß, was dies für die dort lebenden Tuareg-Stämme bedeutet.

Bei den militärischen Aktivitäten der USA und ihrer Verbündeten in der Sahara stellten die Touristen natürlich einen Störfaktor dar. Die Sahara, die sich zu einem zunehmend beliebten Reiseziel für Off-Road-Touristen auch in Libyen entwickelte, kann Zeugen bei der Militarisierung dieses Gebiets nicht gebrauchen. So verfolgten die bis heute andauernden Entführungen westlicher Touristen zwei Ziele: Sie müssen als Vorwand für den Ausbau der militärischen Präsenz in Sahel und Sahara herhalten und gleichzeitig werden potentielle Zeugen der Vorgänge von Reisen in diese Gebiete abgehalten. Viele Touristen brachten positive Eindrücke von Libyen und den Wüstengebieten mit nach Hause. Die ‚wilden‘ Tuareg waren sich dank ihrer Attraktivität, ihres Charms und des sie umgebenden Wüstenflairs der touristischen Bewunderung sicher. Das Image der exotischen ‚Wüstensöhne‘ war nicht nur bei den weiblichen Europäerinnen durchweg positiv und passte nicht in die Pläne der NATO-Krieger. Schnell erfolgte ihre Umdeutung in terroristische Islamisten.

Inzwischen haben die USA und der Westen ein massives Glaubwürdigkeitsproblem. Denn wie ist es möglich, gleichzeitig unter dem Vorwand, die Islamisten bekämpfen zu müssen, arabische Staaten zu zerstören und überall Stützpunkte zu errichten, gleichzeitig aber diese Islamisten logistisch und finanziell zu unterstützen und durch Saudi Arabien und Katar mit modernsten Waffen zu versehen, damit sie gegen laizistische Staaten wie Syrien kämpfen können? Die künstliche Unterscheidung zwischen ‚guten‘ sprich ‚moderaten‘ Islamisten und ‚bösen‘ sprich IS-Islamisten überzeugt kaum mehr, in den arabischen Ländern sowieso nicht und auch im Westen werden die Skeptiker immer mehr.

Die gut ausgebildeten Tuareg-Soldaten, die in der libyschen Armee dienten, sind nach dem Sturz Gaddafis und dem Zusammenbruch Libyens mit ihren Waffen in ihre Herkunftsländer Mali und Niger geflohen. Dort kämpfen sie nun um einen eigenen Staat Asawad gegen die Zentralregierungen. Es geht dabei nicht nur um die Anerkennung ihrer eigenen Kultur als Nomaden, sondern es sind auch Hungeraufstände, die sie immer wieder in den Kampf treiben. Inwieweit sie ernstzunehmende, zeitliche Allianzen mit islamistischen Kämpfern eingehen, sei dahingestellt. Der Film ‚Timbuktu‘ [6] zeigt eindringlich, wie stark sich die moralischen Vorstellungen der musikliebenden und freizügigen Wüstenvölker von den asketischen Lebensformen der Religionskrieger unterscheiden.

Auch das Migrantenproblem verursacht den Tuareg Probleme: Die Europäern fordern zunehmend, die saharischen Ländergrenzen dicht zu machen, damit Flüchtlinge aus Schwarzafrika nicht mehr ungehindert in den ‚failed state‘ Libyen einreisen können. Davon abgesehen, dass sich dies kaum verwirklichen lässt, da es in der Sahara keine Grenzen im herkömmlichen Sinne gibt, sondern nur weite Sandfelder und schwer passierbare Felsregionen, würde dies den Lebensraum des Wüstenvolkes immer mehr einengen. Sie sitzen in der Falle.

Leider haben sich die schlimmsten Befürchtungen der Tuareg, wie ihre Zukunft ohne Gaddafi aussehen würde, bestätigt. Zum wiederholten Male sind seit 2011 Kämpfe zwischen Tuareg und Tibu in der südlibyschen Stadt Ubari aufgeflammt. Beide in der Sahara beheimateten Ethnien sind sich seit jeher in feindschaftlicher Rivalität verbunden. Auch die Tibu sind ein alter saharischer Stamm, deren Hauptsiedlungsgebiet neben der Tibesti-Region (Tschad) in Libyen bei den Kufra-Oasen und im Fessan liegt. Zwischen den Tibu und den Tuareg herrscht eine lange historische Feindschaft, die nun von Interessengruppen des heutigen politischen Libyens instrumentalisiert wird.

Durch die gewalttätigen Vorkommnisse im saharischen Libyen fühlen sich die Tuareg in ihrer Existenz bedroht. Im September 2014 nahmen in der Stadt Ubari langanhaltende Auseinandersetzungen zwischen Tibu und Tuareg ihren Anfang, bei denen über 300 Menschen den Tod fanden und viele Tuareg aus der Oasenstadt fliehen mussten. Die Tuareg wandten sich zuletzt im Januar 2016 mit einem Hilfeschrei an die Weltöffentlichkeit und schrieben an die Vereinten Nationen: „Alles läuft unter dem Etikett ‚Krieg zwischen Tuareg und Tibu‘, doch dahinter steht das Ziel, sich an den Tuareg zu rächen und an ihnen einen Genozid zu verüben. Bündnisse […] werden direkt oder indirekt sowohl vom Ausland als auch vor Ort finanziert. Inzwischen sind hunderte Menschen auf der Flucht und dutzende harmloser Zivilisten getötet, ihre Häuser und die städtische Infrastruktur sind zerstört, die Hälfte der Stadtbevölkerung vertrieben.“ Und weiter: „Das, was in Ubari geschieht, ist kein Stammeskrieg zwischen Tuareg und Tibu, wie es irreführend in den Medien dargestellt wird. Wir glauben, dass es sich stattdessen um eine ethnische Säuberung handelt, die sich gegen die Tuareg-Bevölkerung richtet. Wir fordern die Vereinten Nationen dazu auf, die Vorgänge in der Stadt Ubari zu untersuchen.“[7]

Ein zwischenzeitlich geschlossener Waffenstillstand zwischen den Parteien scheint im Moment zu halten.

Im April des gleichen Jahres waren sich Tuareg und Tibu dagegen in einer anderen Sache einig. Gemeinsam verließen ihre Vertreter die Tagung der libyschen verfassunggebenden Versammlung, die in Salalah im Oman tagte, und kündigten deren weiteren Boykott an. Sie protestierten damit gegen die Weigerung der anderen Versammlungsmitglieder, die Rechte der ethnischen Minderheiten in Libyen anzuerkennen und verfassungsmäßig zu verankern.

Die alten Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich haben sich mit der neuen militärischen Supermacht USA für eine Neuauflage des Kolonialismus entschieden, um gemeinsam afrikanische und arabische Staaten auszubeuten. Mitnichten geht es um Werte wie Demokratie und Menschenrechte, stattdessen ist die Gier nach den Bodenschätzen wie Erdöl, Gas, Wasser, Uran, Phosphat und Seltenen Erden die Antriebsfeder des Westens. Um die eigenen geostrategischen Ziele durchzusetzen, wird eine hemmungslose und skrupellose Politik gegen die arabischen und afrikanischen Staaten und deren Bevölkerung durchgesetzt. Dem hat der afrikanische Kontinent scheinbar nichts entgegenzusetzen. Wie paralysiert wirken seine Führer angesichts der eigenen Hilflosigkeit: Kaninchen vor der Schlange.


[1] Lt. Panapress, 25.4.2005: Ansprache Gaddafis vor einer Delegation von Tuareg aus Mali und Niger

[2] Ines Kohl "Libyens Tuareg zwischen Stillstand und Aubruch", in: Fritz Edlinger/Erwin M. Ruprechtsberger (Hg.) „Libyen“, 2009

[3] Ines Kohl "Gaddafis Instrumentalisierung der Tuareg", in: Fritz Edlinger (Hg.) „Libyen“, 2011

[4] Ines Kohl "Gaddafis Instrumentalisierung der Tuareg", in:Fritz Edlinger (Hg.): „Libyen“, 2011

[5] Jeremy Keenan: „The Dark Sahara: America’s War on Terror in Africa“, 2009
Jeremy Keenan: „The Dying Sahara: US Imperialism and Terror in Africa“, 2013

[6] „Timbuktu“, Regie: Abderrahmane Sissako, Spielfilm Frankreich-Mauretanien, 2014

[7] https://www.facebook.com/ImouhaghIYO

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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