Der frühere Botschafter und Vorsitzende der libyschen Ihya-Bewegung, Dr. Aref an-Nayed, gab am 16.07. SkyNewsArabia ein Interview. Darin vertritt er die Auffassung, dass der ägyptische Präsident as-Sisi sensibel auf die Gefühle der Libyer eingeht, während der türkische Stabschef eine „arrogante“ Rede in Mitiga gehalten habe, bei der keine libyschen Vertreter anwesend waren, nicht einmal Verbündete innerhalb der ‚Einheitsregierung‘.
Er fragt: „Wie kann sich der libysche Präsidialrat in eine Situation begeben, in der ein türkischer Stabschef Vorträge auf dem libyschen Mitiga-Luftwaffenstützpunkt hält, ohne dass dabei ein einziger Libyer anwesend ist? Es ist verblüffend anzusehen, wie er [der türkische Stabschef] in Misrata ankam, aus dem Hubschreiber stieg und der Innenminister der ‚Einheitsregierung‘ [Fathi Bashagha] ihn bis zur Tür der türkischen Einsatzzentrale begleitete und dort wartete, während der türkische Stabschef eintrat, sich mit Türken traf, eine Rede auf Türkisch hielt, dann den Raum wieder verließ und der Innenminister ihn zurück zum Flugzeug begleitete. So etwas hatten die Libyer seit 1910, der Zeit des Kolonialismus, nicht mehr gesehen.“
Nayed bezeichnet die türkische Militärpräsenz zur Unterstützung der ‚Einheitsregierung‘ als „Besatzung“ der Militärstützpunkte Mitiga und al-Watiya. Syrische Söldner würden von Bashagha, dem Innenminister der ‚Einheitsregierung‘, in libysche Polizeiuniformen gesteckt und dieser brüstete sich damit, wenn diese die Jugend in Tripolis, Misrata und Zawiya schikanierten.
Das Verhalten Erdogans in Libyen bezeichnet Nayed als „pathologisch“. „Erdogan zeigt seinen unersättlichen Ehrgeiz nicht nur in Libyen, sondern auch in Tunesien, Algerien und Nordafrika ganz offen, indem er sich auf das osmanische Erbe und das libysche Volk türkischer und nichttürkischer Herkunft bezieht. Dies sind neue koloniale Tricks".
Nayed sagt, dass Erdogans Handlungen den Präsidenten des libyschen Parlaments, Aguila Saleh, bei seiner Rede als Oberbefehlshaber der libyschen Streitkräfte vor dem ägyptischen Parlament veranlassten, Ägypten um eine Intervention in Libyen zu bitten. Dieser Schritt sei keineswegs ungewöhnlich gewesen, sondern auf ein Schreiben des libyschen Parlaments vom 13.07. und dem Besuch der Scheichs der libyschen Stämme gefolgt.
Nayed verweist auf das Treffen in Kairo zwischen dem ägyptischen Präsidenten und hochrangigen Stammesvertretern aus allen Teilen Libyens. Er wiederholt, dass Libyen über ein rechtmäßiges, vom Volk gewähltes und international anerkanntes Parlament (Repräsentantenhaus/HOR) verfügt und dass dieses Parlament eine Armee und eine Regierung hat. „Es stimmt zwar, dass die ‚Einheitsregierung‘ leider international anerkannt ist, aber sie hat nicht das Vertrauen des Parlaments und wird von der libyschen Justiz nicht anerkannt. Sie hat mehr als 17 Verfahren aufgrund ihrer mangelnden Befugnisse verloren.“
Bezüglich der Rolle der libyschen Stämme sagt Nayed: „Die Mehrheit der Bevölkerung in Libyen, selbst in den Städten und in der Hauptstadt Tripolis, gehört Stämmen an. Niemand kann deren Bedeutung und die ihrer Scheichs leugnen. Sie autorisierten die libysche Armee, sie wiesen ihre Kinder an, für Libyen zu kämpfen, um das Land aus dem Griff des Terrorismus und der Übernahme der Zentralbank durch die Muslimbruderschaft zu befreien“. Die Stämme würden den libyschen Staat stärken, ohne sie kann das Parlament nicht effektiv arbeiten. Wer die Rolle der Stämme leugne, verstehe weder die Geschichte Libyens noch dessen soziales Gefüge.
Bezüglich einer ägyptischen Intervention meint Nayed: „Alle Optionen sind möglich. Wie ich persönlich meine, würde es reichen, wenn Ägypten den Luftraum schützt, libysche Gewässer vor der türkischen Marine sichert und die libysche Armee technisch unterstützt. Die Libyer können ihr Land selbst verteidigen, die libyschen Stämme haben darin eine lange Erfahrung.“ Er fügte hinzu: „Wir sprechen nicht von einer ägyptischen Invasion. Dem ägyptischen Präsidenten war das klar. Er sprach nicht von einer ägyptischen Besatzung, wie dies leider türkische Medien in Tripolis behaupten. Die Kapazitäten der ägyptischen Armee in Anspruch zu nehmen, ist aufgrund der türkischen Intervention und dem militärischen Ungleichgewicht, verursacht durch türkische Drohnen, moderne Technik, Radar und Luftabwehr, notwendig geworden. Dieses Ungleichgewicht nötigte die libysche Nationalarmee, sich aus Tripolis, Tarhuna und Bani Walid zurückzuziehen, nachdem sie bis auf sechs Kilometer ins Zentrum der Hauptstadt vorgerückt war. Dieser Rückzug hat die ‚Einheitsregierung‘ zu Arroganz verleitet, insbesondere die von Khaled al-Mishri angeführte Muslimbruderschaft, die davon sprach, die Kontrolle der ‚Einheitsregierung‘ auf ganz Libyen auszudehnen. Dies wird ihnen niemals gelingen.“
Sirte und al-Dschufra seien die von Ägypten gezogenen roten Linien. Dies bedeute jedoch nicht, dass sich die LNA bei einem Angriff auf das Halten dieser Verteidigungslinie beschränken würde, sondern beabsichtige, weiter vorzurücken, auch auf Misrata, Tripolis und Zuwara.
Libyen gehöre der Liga der Arabischen Staaten (LAS) an, zwischen denen es ein Verteidigungsabkommen gebe, das allerdings nur mangelhaft umgesetzt werde. Die arabischen Länder hätten die Pflicht, sich gegenseitig gegen jede ausländische Invasion zu verteidigen: „Die türkische Invasion ist eine ausländische Invasion, die von allen Arabern bekämpft werden muss, nicht nur von Ägypten, sondern auch von Algerien, Tunesien, Saudi-Arabien, Bahrain, Jordanien und dem Sudan sowie von allen anderen arabischen Ländern, die sich der anerkennenswerten ägyptischen Position anschließen müssen“.
Nayed verweist auf die während der Ära von Oberst Muammar Gaddafi geschlossenen Verteidigungsabkommen mit Ägypten, die immer noch gültig seien und die rechtliche Seite einer ägyptischen Intervention in Libyen abdecken.
Die türkische Intervention habe ein völlig neues Niveau erreicht, auch durch die Übernahme der politischen Führungsrolle in Tripolis. Unter der Leitung des türkischen Geheimdienstchefs habe eine riesige türkische Delegation Libyen besucht: „Sie brachten ihre Wirtschaftsexperten und Vertreter türkischer Banken mit, einschließlich des Managers der Ziraat-Bank, der kam, um al-Miri, die alte osmanische Steuer, wieder einzutreiben.“
Nayed vertritt die Ansicht, dass das libysche Volk und die Armee das Land aus dem Sumpf der Moslembruderschaft retten müsse, da diese inzwischen den Staat kontrolliere. Deshalb habe das Parlament die ägyptische Armee um Hilfe gebeten. Dies sei völlig gegensätzlich zu den Abkommen, die die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis mit der Türkei geschlossen habe. Diese Abkommen habe das Parlament nie ratifiziert, da das Parlament der Regierung Sarradsch kein Vertrauen ausgesprochen habe. Daher seien laut dem Gesetz alle von ihr geschlossenen Abkommen null und nichtig.
Zur Ernennung des Parlamentssprechers als Vertreter bei der Europäischen und Afrikanischen Union und den USA sagt an-Nayed: „Alle diese Länder erkennen die Rechtmäßigkeit des libyschen Parlaments an, empfangen dessen Sprecher [Aguila Saleh] wie ein Staatsoberhaupt und statten ihm Besuche in seinem Hauptquartier in al-Qubbah ab. Wir bemühen uns, diese Beziehungen zu festigen und zu stärken, aber bedauerlicherweise zeigen einige Länder größeres Interesse an einer Regierung, die Blankoschecks ausstellt. Diese Regierung hat dies für Italien und die Türkei getan und Abkommen unterzeichnet, die das Parlament nicht akzeptiert. Dies liegt leider im Interesse einiger Länder, aber wir appellieren an die Liga der Arabischen Staaten, die Initiative zu ergreifen und die Anerkennung dieses ungerechten und unrechtmäßigen Präsidialrats zurückzuziehen“.
Zur Möglichkeit, eine politische Lösung zu finden, meint Nayed: „Dies ist nur möglich, wenn die ‚Einheitsregierung‘ die 12.000 türkischen Söldner entfernt, von denen die meisten Terroristen sind und die jetzt in den Uniformen der libyschen Polizei und Armee stecken und eine Ausbildung bekommen. Sie sollten dorthin zurückkehren, woher sie gekommen sind. Wenn Erdogan sie so sehr bewundert, soll er sie in die Türkei holen. Die ‚Einheitsregierung‘ sollte auch die türkische Armee in ihren Einsatzzentralen auffordern zu gehen, denn sie kolonisieren unsere libyschen Stützpunkte. Dann wird es eine politische Lösung geben. Andernfalls wird es nie zu einer politischen Lösung kommen“.
Kommentare 18
Wenn Sisi versuchen sollte in Liyben einzugreifen, wird er vom Miliär geputscht. Die Ägyptische Armee möchte keinen 2. 6 Tage Krieg. Die Generäle wollen wie bisher nur weiter Kohle machen.
Neben Waffenfabriken gehören der Armee Putzfirmen, Kinderkrippen, Schlachthäuser, die Tankstellenkette "Wataniyya"
Die Soldaten nähen Socken und Unterhosen, züchten Blumen und verkaufen Obst und Gemüse. Das ist nur ein kleiner Auszug.
Wann sollen die Kämpfen gelernt haben?
Wenn sich die Türkei mit einem modern militärisch gerüsteten Ägypten, das ja auch die Unterstützung der VAE hat, anlegt, wird das Konsequenzen haben. Man kann nur hoffen, dass die Türkei so vernünftig ist, es nicht auf einen militärischen Schlagabtausch ankommen zu lassen, bei dem Libyen das Schlachtfeld ist.
Das ägyptische Parlament hat gestern einem militärischen Einsatz in Libyen zugestimmt. "Das ägyptische Parlament hat am Montag einstimmig beschlossen, ägyptische Truppen in Kampfeinsätze ausserhalb Ägyptens zu entsenden, um die nationale Sicherheit Ägyptens gegen bewaffnete kriminelle Milizen und ausländische terroristische Elemente zu verteidigen.Das ägyptische Parlament hielt eine Klausurtagung ab, an der 510 Abgeordnete teilnahmen, um die Genehmigung der Entsendung ägyptischer Truppen ins Ausland zu prüfen.Die Sitzung befasste sich mit den Ergebnissen der Sitzung des Nationalen Verteidigungsrates, die am Sonntag unter der Leitung von Präsident Abdel Fattah as-Sisi stattfand, und mit den Bedrohungen, denen das Land angesichts des sich abzeichnenden Kampfes um Libyens Sirte ausgesetzt ist."https://www.addresslibya.co/en/archives/58004
Das hört sich nicht gerade nach dem Sturz as-Sisis an, ganz im Gegenteil, das ägyptische Militär wird alles tun, damit die Moslembrüder nicht weiter an die Grenze zu Ägypten vorrücken.
Ihr Geschreibsel ist plumpe Propaganda. Wem gehören denn in der Türkei die Rüstungsfirmen und gehört z.B. die Fabrik, die die Drohnen herstellt, die in Libyen eingesetzt werden, nicht Erdogans Schwiegersohn?
Eine Armee, die Blumen züchtet und Obst verkauft: Das ist leider nur ein Traum!
„Wenn Sisi versuchen sollte in Liyben einzugreifen, wird er vom Miliär geputscht. Die Ägyptische Armee möchte keinen 2. 6 Tage Krieg. Die Generäle wollen wie bisher nur weiter Kohle machen.“
Natürlich und dafür habe ich auch Verständnis und selbstverständlich wird das Militär begeistert sein nebenan, in der Nachbarschaft, Muslimbrüder oder andere Extremisten zu haben, die sich eventuell nach Ägyten ausdehnen könnten, um sie beim Nähen von Socken und Unterhosen, züchten von Blumen und verkaufen von Obst und Gemüse zu hindern.
Nein, Sie sind wirklich nicht arrogant.
keine der libyschen bewaffneten kann das land verteidigen:
daher die halb-koloniale wehr-losigkeit,
die freiheit orts-fremder mächte seiner öl-vorkommen
und geo-strategischen lage habhaft zu werden.
fremd-herrschaft wird über das streben einheimischer stammes-herrschaften
zu reichtum und macht zu kommen: obsiegen.
... oder auch nicht!
da richtig zu liegen brauchts nur die prüfsteine,
die einen staat konstituiert: wikipedia: --> staat.
es hapert an einem staats-volk, das nicht in stammes-loyalitäten zerfällt
und einer unumstrittenen hoheitlichen gewalt für das gesamte staats-gebiet.
gaddafis zwangs-klammer ist zerbrochen und eine zwang-lose einigung
wird durch ausländische mächte zusätzlich erschwert.
die inneren streit-kräfte gewinnen jeweils nur kraft aus allianzen mit ausländern.
Ich finde es gut, dass Sie auf den Doppelcharakter der derzeitigen Konflikte hinweisen, Dz8.
Es handelt sich eben nicht nur um Stellvertreterkriege, sondern um veritable Bürgerkriege, in Syrien, in Libyen, im Jemen, in Afghanistan, die von allen Seiten, haben sie die Chance dazu (mit und ohne Waffenhilfe von außen), brutal geführt werden.
Leider kann die Völkergemeinschaft UN, die von ihren führenden (Veto-)Mitgliedern ein ums andere Mal entwertet, gedemütigt und manipuliert wurde, auch nicht mehr ausreichend helfen.
Beste Grüße
Christoph Leusch
So einfach ist es sicher nicht.
Libyen ist zwar eine Stammesgesellschaft und es zählen Stammesloyalitäten, allerdings fühlt sich auch jeder Einwohner als libyscher Staatsbürger. Von dieser Staatsbürgerschaft profitierte er nämlich unter Gaddafi ganz gewaltig in Form von sozialer Absicherung und gutem Einkommen dank der libyschen Ölquellen und er ist bestimmt nicht daran interessiert, sich diese Öleinnahmen von ausländischen Staaten wegnehmen zu lassen. Jeder Libyer weiß, was er von seiner libyschen Staatsangehörigkeit hat.
Libyen hat festgelegte Grenzen, also ein Staatsgebiet und zumindest einen Verfassungsentwurf, sowie ein gewähltes, international anerkanntes Parlament. Dieses Parlament hat Haftar beauftragt, eine libysche Armee aufzubauen - d.h. Libyen hat auch eine libysche Nationalarmee - ob das jetzt den ausländischen Mächten genehm ist oder nicht, haben sie sich 2011 doch soviel Mühe gegeben, alle Staats- und Sicherheitsstrukturen in Libyen zu zerstören. Der Oberbefehlshaber ist übrigens nicht Haftar, sondern der Parlamentspräsident Aguila Saleh.
Definitiv kämpft Libyen heute um seine Eigenstaatlichkeit und Souveränität. Diesen Kampf hat es lange noch nicht aufgegeben, auch wenn viele ausländische Mächte inzwischen mitmischen.
Um einen Bürgerkrieg handelt es sich in Libyen schon lange nicht mehr. Der wäre schon längst beendet, ließe man die Libyer zufrieden und hielten sich alle ausländischen Kräfte raus.
Die UN ist alles andere als hilfreich, ihre Sondergesandten für Libyen waren eine Katastrophe, die eindeutig die Interessen der Westmächte vertraten und eine Regierung anerkennen, die keinerlei rechtmäßigen Bestand hat, weder gewählt noch sonstwie in Libyen verankert ist, sondern in einer Nacht- und Nebelaktion von der italienischen Marine nach Tripolis gebracht wurde und nur durch kriminelle Milizen an der Macht gehalten wird, jetzt noch vom türkischen Militär und inzwischen eine reine Vertretung der Moslembruderschaft ist. Es musste eine Ansprechregierung installiert werden, die die Verträge und Wünsche z.B. der EU abnickt.
Na also sehr ermutigend liest sich das aber auch nicht, was über Haftar so berichtet wird. Manchmal habe ich schon das Gefühl, dass die Parteinahmen davon abhängen, wer hinter den Akteuren steht.
Aber um Haftar geht es doch gar nicht. Bei uns in den Medien wird immer so getan als ob Haftar gleich die Kräfte sind, die den Osten Libyens und die LNA repräsentieren.
2014 gab es in Tripolis nach den Wahlen, die die Moslembrüder nicht anerkannten, weil sie absolut untergegangen waren, einen Bürgerkrieg, da die islamistischen Kräfte die Macht nicht an das neu gewählte Parlament abgeben wollten. Sie gründeten die Libyan Islamic Fighting Group LIFG und vertrieben das gewählte Parlament aus Tripolis. Haftar kämpfte mit seinen Gruppierungen gegen die LIFG, musste sich aber auch in den Osten zurückziehen.
Das Parlament ermächtigte Haftar dann, eine neue libysche Armee aufzubauen, die LNA. Das Oberkommando darüber hat aber nicht Haftar, sondern Aguila Saleh, der Parlamentspräsident. Alle Einsätze der LNA, auch der Marsch auf Tripolis, wurden sowohl vom Parlament als auch vom Ältestenrat der Stämme abgesegnet. Es geht also wirklich nicht um Haftar, sondern das Parlament, die LNA und die Stämme stehen gegen die vom Ausland eingesetzte 'Einheitsregierung' in Tripolis. Libyen und seine Stämme kämpfen ums Überleben, um seine Souveränität und Einheit. Dies wird ihnen z.B. von Ägypten und auch von Russland zugesichert, während die Unterstützer der 'Einheitsregierung' ständig auf eine Spaltung des Landes in Ost und West drängen, die es überhaupt nicht gibt, sondern völlig künstlich wäre. Denn auch im Westen des Landes unterstützen Stämme die LNA und das Parlament, z.B. Tarhuna.
Mit Ihrem Kommentar haben Sie bestätigt, wie differenziert Sie die Lage in Libyen sehen. Danke!
Im Unklaren darüber, ob Sie den Kommentar denn auch so oder evtl. ironisch meinen:
Frau Gutsche ist nicht gänzlich unvoreingenommen, in dem sie beispielweise den ethisch und rational verwahrlosenden Islam für ehrenwert einstuft. Doch davon abgesehen, scheint mir persönlich ihr Anliegen, auf westliche Umtriebe und Strategien im Mittleren Osten sowie auf brutal unterminierte Autonomie hinzuweisen, überaus wertvoll.
Sie legt darin deutlich mehr Integrität und Wissen an den Tag, als bei uns übliche Spezialisten in den Medien, die nach Konformität und Oberflächlichkeit ausgesucht sind.
(So lese ich etwa zu jener Region, die mir einigermaßen vertraut ist, laufend Darstellung –oft genug auch noch von Nativen bei uns, welche dann als Experten gelten sollen-, die einem ob latenten Mandats für blutiges Regime die Haare zu Berge stehen lassen.)
Opposition zu Gewaltherrschaft, Potentatenbeistand und Imperialismus wird bei uns nicht angehört. Das macht Frau Gutsches Engagement desto wertvoller.
"Opposition zu Gewaltherrschaft, Potentatenbeistand und Imperialismus wird bei uns nicht angehört. Das macht Frau Gutsches Engagement desto wertvoller."
So schön hätte ich es nie ausdrücken.
hehehe ;O)
Das ist ja oft das Problem, dass viele LeserInnen einzelne Fragmente aufschnappen, die ihnen von den üblich verdächtigen Medien mundgerecht serviert werden & dann meinen, die Geschehnisse der komplizierten Zusammenhängen begriffen zu haben. Sie kommen auch nicht auf den Gedanken, dass Hintergründe verschwiegen oder nicht korrekt dargestellt werden. Das ist natürlich erstaunlich angesichts der jahrzehntelangen Desinformationen über die Problematik in Konflikt- & Kriegsregionen, die leider erst nachträglich für jeden Interessierten zu erfahren waren.
Die mangelnde mediale Darstellung des Parlamentspräsidenten Aguila Saleh in hiesigen Medien werte ich als Zeichen, dass er der westlichen ´Wertegemeinschaft´ im Wege steht & die Chancen hoch sind, dass er die Interessen der libyschen Bevölkerung vertritt. Wie kam es eigentlich dazu, dass die UN die sog. Einheitsregierung, die ja keine ist, als legitime Vertreter Libyens auserkor?
So, jetzt ist es aber genug! Da werde ich ja ganz verlegen.
Das war 2015, dass diese 'Einheitsregierung' auserkoren wurde. Es wurde in Marokko, im Ort Skhirat das sog. Politische Abkommen geschlossen. Schon die Vertreter, die für die beiden politischen Parteien teilnahmen, waren von der UN sprich dem Westen handverlesen. Eine äußerst unrühmliche Rolle spielten dabei die UN-Sondergesandten für Libyen, Bernardino Leon und sein Nachfolger Martin Kobler. Der Westen brauchte unbedingt eine sog. Regierung, die ausländische Regierungen um Hilfe bitten, so wie es jetzt mit der Türkei geschah, und Verträge abschließen konnte.
Ich schrieb 2015: "08.06. Der UN-Sondergesandte Bernardino Léon legt im marokkanischen Skhirat einen Entwurf für ein Abkommen zur Machtteilung und zur Bildung einer Übergangsregierung in Libyen vor. Wen’s interessiert, hier der Originaltext: http://unsmil.unmissions.org/LinkClick.aspx?fileticket=pvy_G4Fzt4c%3d&tabid=3543&mid=6187&language=en-US
Dem Abkommen werden keinerlei Chancen eingeräumt. Für die Großen Stämme sind die UN-Friedensverhandlungen nichts anderes als Augenwischerei zur Beruhigung der Weltöffentlichkeit. Es wird befürchtet, dass die Verhandlungen auf eine Teilung Libyens hinauslaufen."
Und am 12.07.2015: "Nach UN-Angaben unterzeichnete im marokkanischen Skhirat die libysche Regierung mit Sitz in Tobruk mit verschiedenen Gruppen einen Friedensplan. Allerdings haben die islamistischen Machthaber von Tripolis nicht an dem Treffen teilgenommen, da sie den Friedensplan ablehnen. Dafür nahmen Vertreter aus der Stadt Misrata teil. Sie unterstützten bisher die Machthaber in Tripolis, unterzeichneten nun aber ebenfalls das Papier. Des Weiteren sei der Vertrag von Vertretern verschiedener politischer Parteien und Gruppen der Zivilgesellschaft unterzeichnet worden. Der Friedensplan sieht die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit, Neuwahlen und die Ausarbeitung einer neuen Verfassung vor.Der deutsche Außenminister Steinmeier und der italienische Ministerpräsident Renzi begrüßen das Abkommen, das wegen des Vormarschs des IS in Libyen und der Flüchtlingsströme über das Mittelmeer dringend nötig sei."Das Abkommen hatten übrigens auch einige Hardcore-Islamisten abgelehnt.
"06.12.2015: Der UN-Beauftragte für Libyen, Martin Kobler, besteht auf dem von Bernardino Léon ausgehandelten Vorschlag zur Bildung einer Government of National Accord (GNA) Einheitsregierung. Alle Libyer werden aufgefordert, den UN-Vorschlag zu unterstützen, auch jene, die eigentlich gegen ihn sind. Der UN-Plan soll in jedem Fall unter hochrangiger internationaler Beteiligung bei einer Sitzung in Rom Mitte des Monats angenommen werden. Vorgesehen ist die Bildung einer Einheitsregierung innerhalb von 40 Tagen. Im Anschluss daran wird erwartet, dass die neue GNA-Regierung wegen der Gefährdungslage durch ISIL ein Gesuch um militärische Intervention an das Ausland richtet. Tatsächlich wird befürchtet, dass schon bei Abschluss des Vertrags ein neunköpfiger Rat sein Amt antreten könnte, der sofort um ein militärisches Eingreifen in Libyen bittetVon den neun Ratsmitgliedern sind sechs von der UN festgelegt, drei werden die Libyer selbst bestimmen.iehe auch meinen Blog-Beitrag: https://www.freitag.de/autoren/gela/eine-intervention-des-westens"
Und: "06.12. Die Nato sollte laut ihrem Oberbefehlshaber Jens Stoltenberg nicht mit dem Gedanken spielen, in Libyen militärisch einzugreifen, allerdings sagt er auch: „Wenn eine Einheitsregierung gebildet ist, sind wir bereit zu helfen.“ Eine Beteiligung an einem internationalen Einsatz zur Friedensherstellung schließt auch Italien nicht aus."
Hier Artikel dazu:
https://www.freitag.de/autoren/gela/libyen-im-dezember-teil-1
https://www.freitag.de/autoren/gela/tobruk-parlament-stimmt-gg-einheitsregierung
https://www.freitag.de/autoren/gela/dschihadisten-sollen-in-libyen-an-die-macht