US-Hubschrauber über Tripolis

Libyen. Sind die Tage der sogenannten 'Einheitsregierung' in Tripolis gezählt? Bringt die Nationalkonferenz eine Lösung oder wird der Konflikt militärisch gelöst?

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Der US-amerikanische AFRICOM-Kommandant Thomas Waldhauser und der US-amerikanische Botschafter für Libyen, Peter Bodde, flogen am Dienstag, 19.3. nach Tripolis, um sich mit dem von der UN- und vom Westen eingesetzten sogenannten Regierungschef in Tripolis Fayez al-Sarradsch und dessen Militärführung in Person von Mohamed al-Scharif sowie seinem Stellvertreter zu treffen. Angeblich fand dieses Treffen im Rahmen der regelmäßigen Konsultationen zwischen den beiden Länder statt.

In der auf das Treffen folgenden Erklärung heißt es, man habe sich darauf verständigt, den UN-Sonderbeauftragten für Libyen, Ghassen Salamé, zu unterstützen und den demokratischen Prozess durch Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zu konsolidieren, die auf die Nationale Konferenz folgen sollen.

Waldhauser betonte, dass die US-amerikanischen AFRICOM-Streitkräfte weiter gegen den IS in Libyen militärisch vorgehen werden. Wie
smmlibya1 schreibt, können die US-Militärhubschrauber, die augenblicklich über Tripolis kreisen, nur so verstanden werden, dass die USA die geschwächte und unbeliebte sogenannte 'Einheitsregierung' nicht nur auf politischem Wege, sondern auch mit militärischer Gewalt schützen will.

Von allen Teilnehmern wird ständig und nachdrücklich erklärt, es käme nur eine politische und keine militärische Lösung für Libyen in Frage. Kein Wunder, wenn man sich in der schwächeren Position befindet, das heißt, es fehlt der Einheitsregierung nicht nur an militärischer Stärke, sondern auch an Rückhalt in der Bevölkerung.

Die in Libyen ausgebrochene diplomatische Hektik ist bemerkenswert. Khaled al-Mishri vom Präsidialrat in Tripolis ist gerade zu Gesprächen nach Moskau gereist. Ausgerechnet nach Moskau, das als Unterstützer der Libyschen Nationalarmee (LNA) in Ostlibyen gilt. Angeblich soll er versucht haben, Russland von einer weiteren Kooperation mit der LNA abzubringen und beispielsweise keine Geldnoten für den Osten Libyens zu drucken. Er soll auch für die Aufhebung des Waffenembargos, das auch für die 'Einheitsregierung' in Tripolis gilt, werben.

Das gleichzeitige Treffen zweier politischer Vertreter aus Tripolis, die für die 'Einheitsregierung' und somit für die EU und die UN sprechen, mit Vertretern der USA und mit Moskau, kann kein Zufall sein. Angesichts einer sich rasch verändernden Sicherheitslandschaft nicht nur im Süden des Landes versuchen al-Mishri und Fayez Sarradsch den politischen Prozess zu beschleunigen, weil sie befürchten, dass der weitere Vormarsch der LNA in Richtung Tripolis eine ernsthafte Bedrohung für ihre fragile Herrschaft darstellen könnte.

Natürlich dürfen auch die Franzosen nicht fehlen, die ebenfalls die LNA und General Hafter im Osten Libyens unterstützen, unter anderen mit Luftangriffen auf tschadische Oppositionsgruppen im nördlichen Tschad. So besuchte der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian ebenfalls die Gegenseite und war gerade in Tripolis bei Sarradsch. Fast zeitgleich fand in Tripolis ein Treffen zwischen Mitgliedern des Präsidialrats und 15 (!) EU-Botschaftern statt, bei dem es angeblich auch um die Abhaltung der Libyschen Nationalkonferenz ging. Letzte Woche traf sich auch General Hafter von der LNA nahe Bengasi mit dem UN-Sondergesandte für Libyen, Salamé, der für die Abhaltung der Nationalkonferenz federführend zeichnet. Eine Konferenz, die alle in heillose Aufregung zu versetzen scheint und die noch innerhalb dieses Monats abgehalten werden soll. Ort und Teilnehmer weiterhin unbekannt.

Letzte Woche hat sich General Hafter auch mit einer Delegation der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union nahe Bengasi getroffen.

Die Nervosität bei der 'Einheitsregierung' in Tripolis ist groß, nachdem ebenfalls letzte Woche ein Militäraufmarsch der LNA am südlichen Stadtrand von Sirte gemeldet wurde und darauf hin eine der 'Einheitsregierung' unterstellte Miliz ihre Mobilisierung verkündete. Die LNA soll insgesamt 85.000 Soldaten unter ihrem Kommando haben und über 3.500 Elitesoldaten verfügen. Die LNA, die auch ihre Luftwaffenbasis in Zentrallibyen verstärkt hat, ließ auf ihrer Website verlauten, sie zähle auf die Unterstützung von Gruppen innerhalb Tripolis und in den Vororten der Hauptstadt.

Eine der bedeutendsten Gegner der LNA und wohl die meist gehasste Stadt in Libyen ist Misrata, die eine treibende Kraft beim Sturz Gaddafis war und sich sowohl 2011 als auch im Bürgerkrieg 2014 äußerst brutal gegen ihre Gegner zeigte. Die politischen und militärischen Kräfte in Misrata sind jetzt gespalten und es scheint ein vorsichtiges Abwarten zu herrschen. Aufgrund der verschobenen Kräfteverhältnisse in Richtung LNA dürfte in Misrata der Angstschweiß fließen.

Im Westen von Tripolis wurden vor zwei Tagen neue bewaffnete Zusammenstöße gemeldet. Eine Schlüsselrolle schien dabei Mohammed al-Kashik aus Zinten zu spielen, der 2014 in Tripolis bei den Pro-Hafter-Milizen kämpfte. Heute steht er unter dem Kommando von Emad al-Tarabulsi, der ebenfalls ehemals pro Hafter kämpfte, dann aber dem Präsidialrat beitrat. Die jetzigen Zusammenstöße könnten dazu führen, dass der LNA der Einmarsch in Tripolis erleichtert wird.

Vor wenigen Tagen wurde von Schüssen und einem Attentatsversuch auf Sarradsch bei seiner Ankunft auf dem Mitiga-Flughafen in Tripolis berichtet. Auch wenn dies von Sarradschs Sprecher umgehend dementiert wurde, die Fotos von einem sichtlich besorgten Sarradsch, der umgeben von Sicherheitspersonal den Flughafen verlässt, kursierten im Netz. Es herrscht große Besorgnis bei der 'Einheitsregierung' in Tripolis.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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