Wahlfarce bringt Baulöwen an die Macht

Libyen/Genf. Schamfreie ‚Wahl‘ in Genf / Parlament und LNA haben keinerlei Vertretung in neuer ‚Interimsregierung‘/ Al-Dabaida aus Misrata wird neuer ‚Premierminister‘

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2. Überarbeitung 08.02.:

Wer ist Dabaiba, der neue libysche Premierminister?

Laut einem Artikel der LibyaTimesPost wurde Abdul Hamid Dabeiba 1959 in der libyschen Stadt Misrata geboren, die traditionell als Bastion des Widerstands gegen Gaddafis während seiner vierzigjährigen Regentschaft gilt. Dabeiba übersiedelte nach Kanada und absolvierte an der Universität von Toronto ein Ingenieurstudium bevor er nach Misrata zurückkam. Er konnte das Vertrauen Gaddafis erringen, der ihn 2007 mit der Leitung der staatlichen Libyan Investment and Development Company (LIDCO) betraute, die für einige der größten öffentlichen Bauprojekte des Landes verantwortlich war, darunter der Bau von 1.000 Wohneinheiten in Sirte.
https://indiatimespost.com/abdul-hamid-dbeibah-who-is-libyas-new-prime-minister/
Er gehört zum korrupten Dabaiba-Clan und hat beste Beziehungen in die Türkei.

Überarbeiteter Beitrag 06.02.:

Am 05. Februar 2021 wurde im zweiten Wahlgang mit 39 Stimmen der 73 in Genf anwesenden Mitglieder des LPDF (Libysch-Politisches Diskussionsforum) die Liste mit Abdul Hamid Mohammed Dabeiba (auch: Dbeibahal) Premierminister und Mohamed Younes Menfi als Präsidialratsvorsitzender gewählt. Die beiden weiteren Mitglieder des neu gewählten Präsidialrats sind Abdullah Hussein al-Lafi und Moussa al-Koni.
Die Liste mit den Favoriten Agila Saleh und Fathi Bashagha kamen mit 34 Stimmen nur auf den zweiten Platz.
https://www.libyaherald.com/2021/02/05/breaking-new-libya-government-selected-by-lpdf-in-geneva/

Mohammed al-Menfi ist ein aus Tobruk (Osten) stammender Diplomat. Menfi steht politisch der alten ‚Einheitsregierung‘ nahe und nicht der LNA.


Die beiden anderen Präsidialratsmitglieder Moussa al-Koni und Abdullah al-Lafi sollen den Fessan (Süden) beziehungsweise Tripolitanien (Westen) repräsentieren.

Damit haben das östliche Libyen mit seinem Parlament und der LNA sowie die libyschen Stämme keinerlei Vertretung in den neuen Regierungsgremien.

Gekaufte Wahlen

Am Morgen des 15. Novembers platzte während des LPDF eine richtige Bombe als zwei LPDF-Teilnehmer bestätigten, dass ihnen 200.000 US-$ angeboten wurden, damit sie für Abdul Dabaiba als neuen Premierminister stimmen. Das Angebot kam von Familienmitgliedern und Helfern von Dabaiba, die im Tagungshotel anwesend waren.

Unter den 74 Delegierten, die in Genf abstimmten, war auch Ali Ibrahim Dbeibah, einer der reichsten Bürger Libyens. Er unterstütze die Kandidatur seines Cousins ersten Grades und Schwagers Abdul-Hamid Dabaiba.

Der wahre Skandal ist jedoch, wie eine dermaßen undurchsichtige Person wie Dabaiba es schaffte, überhaupt auf die Teilnehmerliste des LPDF gesetzt, als neuer libyscher Premierminister gehandelt und auch noch gewählt zu werden. Es ist undenkbar, dass es bei der UNSMIL nicht bekannt war, mit wem man es hier zu tun hat.

Tatsächlich ist es für nicht Eingeweihte nicht ersichtlich, um welchen Dabaiba es sich beim neuen libyschen Premierminister handelt. War es schon schwierig, wegen der sehr unterschiedlichen Schreibweisen (Dabaiba/Dabeiba/Dbaiba/Dbeibahal) seinen Nachnamen zu eruieren, werden auch unterschiedliche Vornamen angegeben, einmal Ali, einmal Abdul Hamid Mohammed, bei Wikipedia ist gerade ein Eintrag erschienen, da heißt er mit Vornamen Abdulhamid. Sonst weiß Wikipedia auch nichts über den neuen Premierminister zu berichten, nicht einmal ein Geburtsdatum.
https://en.wikipedia.org/wiki/Abdulhamid_Dabaiba

Es ist sehr merkwürdig, dass sich über den neuen Regierungschef einer mit großem Tamtam ‚gewählten‘ ‚Interimsregierung‘ keinerlei biographischen Hinweise finden lassen. Ist das Absicht? Und so bleibt die Frage: Wer ist eigentlich der neue Premierminister? Wie ist sein richtiger Name, wann ist er geboren und wie lautet seine Biographie???

Im Netz finden sich bisher ausschließlich Artikel zu Ali Dabaiba.

Die Familie Dabaida aus Misrata

Etliches bekannt ist dagegen von Ali Ibrahim Dabaiba. Der 75-jährige aus Misrata stammende Ali Dabaiba war in der Gaddafi-Zeit zunächst der Bürgermeister von Misrata, stieg zum Chef der ODAC auf, einer Behörde, die mit der Entwicklung der libyschen Infrastruktur beauftragt war. Von den Aufträgen, die Dabaiba während seiner Amtszeit in Höhe von 33 Milliarden US-$ vergab, scheffelte der korrupte Behördenchef Gelder auf seine Privatkonten im Ausland. Inwieweit die Führung der Dschamahirija davon wusste, ist nicht ganz klar. Es könnte sein, dass beide Augen zugedrückt wurden, um die stets Gaddafi-feindliche Stadt Misrata zu befrieden. Dennoch unterstützte Misrata 2011 die sogenannten ‚Aufständischen‘, ebenso wie es Dabaiba tat. Es floss sogleich viel Geld für die Moslembrüder in Misrata, bestimmt nicht von, sondern über Dabaiba, und ganz sicher waren es nicht seine eigenen Gelder, auch wenn das behauptet wurde.

Die SüddeutscheZeitung deckte 2016 die Machenschaften einer Kanzlei in Panama auf, die half, schmutziges Geld zu verstecken, und wusste im Verlauf der Recherchen über Ali Dabaiba zu berichten: „Obwohl der verrufene Dabaiba auf dem Höhepunkt des libyschen Bürgerkriegs die Seiten wechselte und die Rebellen in seiner Heimatstadt Misrata finanzierte, fror die neue Regierung dennoch sein Vermögen ein und setzte seinen Namen auf eine Liste von Männern, die im Verdacht standen, staatliche Gelder veruntreut zu haben. Er zog schließlich nach London, wo seine Familie einige wenige wertvolle Besitztümer besitzt. Libysche Ermittler beschuldigen Dabaiba, Verträge im Wert von mehreren Millionen Dollar an Firmen ausgeteilt zu haben, die entweder von ihm oder einem seiner Verwandten geleitet wurden. Die Gewinne aus diesen Geschäften soll er über ein Netz von Strohfirmen ins Ausland geschmuggelt haben. Bis heute haben die Ermittler rund 100 in den Britischen Jungferninseln, Malta, Lichtenstein und Großbritannien registrierte Unternehmen bis zu Dabaiba, seinen Söhnen oder mutmaßlichen Komplizen zurückverfolgt. Die wahren Eigentümerstrukturen dieser Firmen bleiben bestenfalls verschwommen.“
https://panamapapers.sueddeutsche.de/

Zu Dabaibas Nutznießern zählt die Verwandtschaft, insbesondere sein Bruder Yusef Ibrahim Dabaiba und seine Söhne Ibrahim Ali Dabaiba und Osama Dabaiba, gegen die allesamt auch strafrechtliche Untersuchungen eingeleitet worden waren.

Ali Dabaiba wurde über Interpol wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder, Geldwäsche, Machtmissbrauch und Korruption gesucht und laut einer libyschen Nachrichtenseite wurde er 2014 auch verhaftet. Allerdings wurde der Haftbefehl unverzüglich wieder außer Kraft gesetzt und Dabaiba von der Interpol-Fahndungsliste gestrichen. Geheimdienste der westlichen Ländern dürften den Nutzen eines absolut skrupellosen, korrupten aber gut vernetzen Libyers erkannt haben. Auf Nachfrage von Organiced Crime And Corruption Reporting Project (occrp) im Jahre 2018 über die Gründe der Aussetzung des Haftbefehls wollten weder Interpol noch die libyschen Behörden Auskunft geben. Selbstverständlich florierten Dabaibas krumme Geschäfte immer weiter. Dabaiba soll laut occrp seinen Wohnsitz in Istanbul gehabt haben.
https://www.occrp.org/en/investigations/8366-cyprus-records-shed-light-on-libya-s-hidden-millions

Schlimmer geht immer

Diese ‚Wahl‘ war eine reine Farce, orchestriert von der UNSMIL Sondergesandten und US-Amerikanerin Stephanie Williams. Weit spannender als ein Pseudo-Wahlergebnis im weit entfernten Genf dürfte die weitere Entwicklung vor Ort in Libyen sein.

Besonders absurd: Es ist vorgesehen, dass Dabaiba vom Parlament als Premierminister bestätigt werden muss. Doch sollte sich das Parlament dem verweigern, kann das Vertrauen auch vom LPDF ausgesprochen werden.

Und die UNO spielt in diesem kriminellen Schmierentheater die Hauptrolle

Der UN-Sicherheitsrat forderte am 04.02. in einem Schreiben Generalsekretär Guterres auf, Waffenstillstandsbeobachter nach Libyen zu entsenden. Er solle „schnell ein Voraus-Team nach Libyen schicken“. Dies wird es der UN ermöglichen, das Mandat der UNSMIL (UN Sondermission für Libyen) zu ändern. Die Angst ist groß, dass sich die Libyer das alles nicht mehr gefallen lassen. Da muss man ganz schnell vor Ort sein.
https://libyareview.com/10121/security-council-calls-for-deployment-of-ceasefire-monitors-to-libya/

Aya Burweila twittert am 05.02: „Diese vom Ausland ernannten Personen, die keinerlei Befugnisse haben, können mir gestohlen bleiben. Kein Libyer ist verpflichtet, diese Gangster zu akzeptieren. Die korrupte, lächerliche "LPDF" hat null Rechtsgrundlage.
Ich für meinen Teil, freue mich auf freie, faire und demokratische Wahlen.“
Und: „Es ist ein groß angelegter Versuch eines finanziellen und politischen Betrugs.“
https://twitter.com/burweila/status/1357728795915149314

Siehe auch: https://www.freitag.de/autoren/gela/skandaloeser-versuch-des-stimmenkaufs-bei-lpdf

Karikatur: https://twitter.com/ALMHWAR_LY/status/1357725120383623184/photo/1

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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