Wahlkampf in Libyen

Libyen. Saif al-Islam Gaddafi veröffentlicht seine Wahlbroschüre. Und wie der Westen versucht, die Kandidatur Saif al-Islam Gaddafis zu verhindern.

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Bei dem Pariser Treffen Ende Mai 2018 wurde unter der Schirmherrschaft des französischen Präsidenten Macron geplant, am 10. Dezember 2018 Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Libyen abzuhalten.

Laut VoltaireNet rufen auch die Stämme, die die Basis des libyschen Staates bilden, zu Wahlen auf. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass auch die Gaddafisten daran teilnehmen können.

Während die anderen Kandidaten Unterstützung aus den Ländern bekommen, die an den kriegerischen Handlungen gegen den libyschen Staat und seiner Zerstörung mitgewirkt haben, wollen die Westmächte eine Teilnahme Saif al-Islam Gaddafis unbedingt verhindern. Dies ist der Grund, warum gegen Saif al-Gaddafi immer noch ein Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) vorliegt. Die Beweislage ist mehr als dürftig – allein westliche Presseberichte stützen die Anklage.

Im November 2016 entschied sich beispielsweise Russland – neben den USA, China, Indien und fast allen arabischen Staaten sowie Israel und Irangegen die Mitgliedschaft im IStGH. Das russische Außenministerium begründete seine Entscheidung damit, dass der Gerichtshof leider nicht die Erwartungen in ein wirklich unabhängiges, maßgebendes, internationales Tribunal erfüllt habe. Auch die Afrikanische Union hat in einer diplomatischen Note (Demarche) mitgeteilt, Maßnahmen für einen koordinierten Rückzug der afrikanischen Staaten aus dem Römischen Statut ergreifen zu wollen.[1] Neun der bislang zehn Ermittlungen betrafen allein afrikanische Länder.[2]

Ungeachtet der Schwierigkeiten, die seiner Kandidatur in den Weg gelegt werden, veröffentlichte Saif al-Islam Gaddafi eine Broschüre, in der er sein Wahlprogramm und seine zukünftigen Pläne für Libyen vorstellt:

http://www.voltairenet.org/article201902.html

Bei mehreren Meinungsumfragen in Libyen wurde Saif al-Islam Gaddafi als der beliebteste libysche Politiker benannt. Er war schon in der Zeit der libysch-arabischen Dschamahirija als Vertreter seines Vaters politisch tätig und stellte in dieser Rolle seine Verhandlungs- und Führungsstärken unter Beweis.

In der Broschüre unterbreitet Dr. Saif al-Islam Muammar Gaddafi folgende Vorschläge zur Lösung der Probleme in Libyen (Auszug):

Wir unterstützen den Plan von Ghassan Salamé, dem UN-Gesandten für Libyen, zur Abhaltung von Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen (falls das Wahlgesetz vom derzeitigen Parlament verabschiedet wird), weil diese Wahlen die Problemlösung und die Herstellung der Stabilität in Libyen beschleunigen werden.

Die Situation vor den Wahlen: Die Einheitsregierung wird bis zur Einsetzung einer neuen Regierung, die nach den Wahlen vom Präsidenten ernannt wird, bestehen bleiben.

Die Ergebnisse der kommenden Wahlen werden von allen Parteien anerkannt.

Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um während der Wahlen eine gute Sicherheitslage zu gewährleisten. Diese Aufgabe sollten die regulären Armee und Polizeikräfte leisten und nicht Milizen. Als Modell könnte Sabrata dienen. In Sabrata wurden illegale Migranten- und Treibstoffschmuggelbanden vertrieben und den aus der Stadt und von ihren Äckern vertriebenen Zivilisten die Rückkehr ermöglicht. Eine gute Sicherheitslage und der Einzug normaler Lebensverhältnisse waren die Folge.

Das libysche Volk setzt sich aus mehr als 2.000 Stämmen zusammen, die sich auf 31 Bezirke und mehr als 400 Städte, Dörfer und Badias verteilen. Alle Libyer lebten unter einzigartigen sozialen Bedingungen miteinander – bis 2011 der Krieg begann. Das soziale Gefüge zerbrach durch die Spaltung des Volkes in Anhänger und Gegner des damaligen libyschen Regimes. Der Krieg forderte Tausende von Menschenleben, zerstörte die militärische Infrastruktur ... Deshalb sollte folgendes geschehen:

Alle Arten von Verrat und dementsprechender Verhaltensweisen müssen eine Zurückweisung erfahren. Das Ziel muss sein, den Stämmen die kollektive und soziale Bestimmung des Schicksals ihres Heimatlandes zu ermöglichen und die Verdrängung der Stämme von der politischen und wirtschaftlichen Verwaltung des Staates aufzuheben. Die Stämme sollen wieder in die Lage versetzt werden, im Stolz der nationalen Identität und im Frieden mit dem Begründer dieser Gesellschaft einen modernen Staat mit modernen Institutionen aufzubauen.

  • Eine echte Amnestie für alle. Ausnahme: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verrat oder Individualisierungen, die innerhalb des libyschen Gesetzes als Verbrechen eingestuft werden.
  • Die ausnahmslose Umsetzung des umfassenden nationalen Versöhnungsprojekts zwischen Stämmen, Städten und Einzelpersonen.
  • Jeder Regierung, Region oder Gemeinde soll die Möglichkeit gegeben werden, ihre lokalen Gebietskörperschaften eigenständig zu verwalten und zu beaufsichtigen. Sie sollen ihre Haushaltsmittel eigenständig verwalten mit Ausnahme strategisch wichtiger nationaler Projekte.
  • Soziale Solidaritätsprojekte, Sicherheits-, Rehabilitations- (Gefängnisse) und Pflegeeinrichtungen für ältere Menschen und Waisen müssen aktiviert werden. Der Staat garantiert seine fortwährende Beihilfe und den Einsatz der bestmöglichen Mittel.
  • Mit allen Mitteln und Möglichkeiten soll an der Stärkung des patriotischen Konzepts und dem Patriotismus der libyschen Bürger gearbeitet werden.

Öleinnahmen in Höhe von 13 bis 15 Milliarden Dinar jährlich reichen aus, um eine starke nationale Wirtschaft zu schaffen und zu erhalten, zusätzlich zu den Einnahmen aus dem Telekommunikationsbereich und den internen und externen Investitionen. Deshalb müsste nach den nächsten Wahlen jede zukünftige Regierung dringend die Verbesserung der Lebensbedingungen und des Bargeldflusses in Angriff nehmen:

  • Es müssen souveräne Entscheidungen in Bezug auf den Wechselkurs des libyschen Dinars gegenüber ausländischen Währungen getroffen und Kontrollen eingeführt werden, um ganz allgemein die Stabilität und Angemessenheit der Preise sicherzustellen, die sich im Einklang mit dem Durchschnittseinkommen der libyschen Bürger befinden sollen.
  • Einheimischen Personen, Experten und Technokraten sollen die Verwaltung der Wirtschaft und der Finanzen übernehmen. Sie sollen eine nationale und kluge Politik entwerfen sowie diese prüfen und umsetzen und so das Land wieder in einen normalen Zustand versetzen.
  • Die Zentralbank soll Bargeld an die Banken vergeben und eine faire Verteilung an die Bürger sicherstellen.
  • Die Rücknahmebeschränkung für Bareinlagen soll aufgehoben werden, um die Rückgabe von im Parallelmarkt gehandelter Gelder an den Bankensektor sicherzustellen und den Gebrauch des elektronischen Zahlungsverkehrs – des digitalen Finanzhandels – zu fördern.
  • Erhalt und dauerhafte Sicherung der Liquiditätsreserven.
  • Der Staat soll auf wissenschaftlicher Grundlage die Staatsbeschäftigten organisieren, da der Staatshaushalt nicht zu stark belastet und ein Beitrag zur Schaffung einer effektiven Alternative im Privatsektor geleistet werden soll.
  • Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmensgründungen junger Menschen, auch mit entsprechender Vergabe von Krediten.
  • Größere Öffnung für den Handelsaustausch zwischen Libyen und den Mittelmeeranrainerstaaten, der auch die Gebiete der Sahara miteinschließt, sowie den weltweiten Handelsaustausch mit Industrieländern.
  • Das Durchschnittseinkommen des libyschen Bürgers soll auf monatlich 2.000 US-$ statt bisher 1.100 US-$ steigen. Die Korruption soll zur Erholung der Wirtschaft bekämpft werden. Die Kaufkraft der Bürger soll auf 170 % statt bisher 126 % steigen.
    Das Durchschnittseinkommen der libyschen Bürger soll von monatlich1.100 US-$ auf 2.000 US-$ steigen. Die Finanzkorruption muss bekämpft werden, damit sich die Wirtschaft erholt und die Kaufkraft der Bürger auf 170 Prozent statt bisher 126 Prozent (laut den UN-Statisten und arabische Studien aus der Region) steigen kann.

Freie Übersetzung: Angelika Gutsche

[1] https://deutsch.rt.com/international/73201-haag-verschont-verantwortliche-fur-dauerkonflikte-irak/

[2] https://www.gemeinsam-fuer-afrika.de/warum-immer-mehr-afrikanische-staaten-den-internationalen-gerichtshof-verlassen/

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Geschrieben von

Angelika Gutsche

Ihre Reisen führten sie neben Indien, den USA, Russland und dem Jemen unter anderem auf den afrikanischen Kontinent und quer durch den Balkan.

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