Die Linke muss sich mal entscheiden

Materialismus adé? Wie viel ist der materialistische Ansatz der Linken noch wert?

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Auch wenn Teile der Linken derzeit viele Prügel einstecken müssen wegen ihrer Haltung zum Ukraine-Konflikt (von der Partei "Die Linke" spreche ich hier gar nicht, denn die ist ja offensichtlich nicht mehr im Spiel - ich rede von unserer Hälfte des politischen Spektrums als ganzer, und zwar weltweit), so möchte ich doch eine grundsätzliche Frage stellen:

  • Ist es Aufgabe oder Interesse der Linken, sich dafür einzusetzen, dass bestimmte nationale Gruppen ihren eigenen Staat haben (mit ihrer Sprache als einziger Amtssprache, ihrer Konfession als Staatsreligion, ihrer Fahne, ihrer Hymne)?
    Und wenn das so wäre, würde das dann ausstechen die existenziellen Interessen von Menschen weltweit, z.B. nach Essen auf dem Tisch, nach einer warmen Wohnung im Winter, nach einer verlässlichen Einkommensquelle?
  • Oder ist es eher ihre Aufgabe oder ihr Interesse, sich dafür einzusetzen, dass Essen auf dem Tisch, warme Wohnungen und verlässliche Einkommensquellen von Menschen weltweit - soweit erreichbar - gewährleistet sind, auch wenn dafür bestimmte nationale Gruppen darauf verzichten müssen, dass ihre Sprache die einzige Amtssprache ihres Landes ist, ihre Konfession die Staatsreligion, dass sie ihre eigene Fahne und Hymne haben?

Man kann jetzt natürlich sagen, für die (westlich orientierten) Menschen in der Ukraine steht mehr auf dem Spiel als das, weil ihr Land bereits einen viel höheren Lebensstandard erreicht hat als den der Menschen in Russland.

Man kennt das Phänomen allerdings als "Kampfpreise" aus dem Kapitalismus:
Die (westlich orientierten) Menschen in der Ukraine haben heute einen so hohen Lebensstandard, weil die "Führer der freien Welt" das Land derzeit (und seit 20 Jahren) pampern, um es auf die eigene Seite zu ziehen (im Übrigen, ohne dafür konkrete Sicherheitszusagen zu machen, weshalb die russische Elite sich das überhaupt getraut hat, was sie dann ins Werk setzte).

Wäre nun eine Ukraine "befreit" (d.h., NATO- und EU-Mitglied), dürfte sie sich eher auf eine Zukunft freuen wie etwa Rumänien oder Bulgarien: Ausländische Konzerne könnten alles aufkaufen, was wertvoll ist; Zoll- oder Währungsschranken würden nicht mehr existieren, um sich gegen die deutsche Export-Flut zu wehren; das Land würde als Frontstaat und Aufmarschgebiet gegen letzte Reste globalen Unwillens gegen den gigantischen Konsumsog mit Zentrum USA missbraucht.

Ich will dabei nicht unterschlagen, dass Russland, China und andere Reste globalen Unwillens ein schwarzes Loch der Freiheit sind - das sind sie auf jeden Fall. Das war aber übrigens auch Franco-Spanien bzw. das ist auch die Erdoğan-Türkei - als jeweils hofierte NATO-Partner.

Die Frage ist: Kann die Linke erfolgreich einen Maximalismus aus Bürger- und Menschenrechten vertreten oder übernimmt sie sich dabei und fällt dadurch aus dem Spiel?
Was haben wir im Kreuz? Das realistisch einzuschätzen, dürfte meines Erachtens die Zukunft der Linken entscheiden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lt. Commander Geordi LaForge

If it works the way I think it will, once the invasive program starts spreading, it'll only be months before the Borg suffer total systems failure.

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