Zurück in die Standesgesellschaft?

Akademikersteuer Warum es eine schlechte Idee ist, dass Akademiker die Universitäten bezahlen sollen

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Der Debattenbeitrag "Beim Geld fängt der Spaß an" schlägt vor, dass Akademiker die Universitäten finanzieren sollen - eine Idee, die hinter den Grundsatz der "res publica" zurückfällt, also der Verantwortung aller Bürger für alle öffentlichen Angelegenheiten; und ein Rückschritt in die Logik der Standesgesellschaft.

Schlimm genug, dass Mediziner oder Juristen hierzulande einen Teil der sie betreffenden Regularien selbst verfassen dürfen. Jüngster Fall: Ärzteverbände haben sich lange erfolgreich dagegen gewehrt, dass auch Veterinäre Corona-Tests durchführen dürfen - obwohl damit die verfügbaren Kapazitäten drastisch erweitert werden können; und zum Hohn der Tatsache, dass Tierärzte in epidemiologischer Hinsicht den Humanmedizinern oft sogar überlegen sind, da sie es mit mehr verschiedenen Organismen zu tun haben und dem möglich Überspringen von Krankheitserregern über Speziesgrenzen hinweg.

Dürfen Baggerfahrer die Wartungsvorschriften für Bagger verfassen? Dürfen Putzleute bestimmen, welche Reinigungsmittel ökologisch verträglich sind? Natürlich nicht, und das wäre auch nicht sinnvoll, weil Baggerfahrer vielleicht keine Lust auf Verzögerungen wegen Wartungsarbeiten haben, oder Putzleute froh sind, wenn der Dreck sich schnell auflöst, egal wie giftig das auch ist. Im Umkehrschluss sollten Baggerfahrer auch nicht für den Wartungsaufwand ihrer Geräte bezahlen und Putzleute nicht den Mehrpreis für Reinigungsmittel, bei denen das Grundwasser nicht verseucht wird. Es handelt sich dabei nämlich um Werte von öffentlichem Interesse, daher soll die Öffentlichkeit bestimmen und auch dafür bezahlen. Genauso ist es mit akademischer Ausbildung: Wir alle brauchen nun mal (leider) Mediziner und Juristen, darum sollten wir auch alle für ihre Ausbildung bezahlen.

Statt nun also einer Akademikerkaste die Kosten des höheren Bildungswesens zuzumuten, sollten lieber andersherum die Sonderrechte akademischer Berufe abgeschafft werden. Statt noch ein weiteres Feld der öffentlichen Sphäre identitätspolitisch einzufärben, sollte der Standesunterschied zwischen akademischen und nicht-akademischen Berufen weiter eingeebnet werden (was mit Schulformaten wie der Gesamtschule oder der BOS ja auch schon versucht wird - der Felsblock Gymnasium aber liegt unvermindert weiter im Weg des Fortschritts).

Wer nach einer Akademikersteuer verlangt, liefert den Verfechtern der Standesideologie nur unnötig Munition, denn: "Wer zahlt, schafft an". Wer für ein Studium sein Leben lang bezahlen soll, wird erst recht alles daran setzen, dass die eigenen Kinder ebenfalls studieren können - und möglichst nur sie.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lt. Commander Geordi LaForge

If it works the way I think it will, once the invasive program starts spreading, it'll only be months before the Borg suffer total systems failure.

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