Bayerische Wirtschaft

CSU-Personaldebatte Im Augenblick geht es nur um Übergangsfiguren

Bayern ist ein hochkonzentrierter Standort von Automobil-, Elektro-, Rüstungsindustrie, Energie- und Versicherungswirtschaft. Die Landespolitik macht sich gern zu ihrer Sachwalterin und bezieht von daher ihre bundespolitische Bedeutung. So ergibt sich der bayerische Sonderanspruch schon seit den Zeiten von Strauß. Folkloristisches kann außerhalb der Betrachtung bleiben. Auch die historische Tatsache, dass dieses Land im Kaiserreich und in der Weimarer Republik eine Sonderrolle spielte (als Hort des Katholizismus bis 1918 und als "Ordnungszelle" bis 1933), ist mittlerweile belanglos.

Der bayerische politisch-industrielle Komplex hat überregionale Bedeutung und fordert seine besondere Berücksichtigung in Deutschland. Andererseits kann die Bundesrepublik nicht allein von München aus regiert werden. Der bayerischen Industrie genügt es, wenn in Berlin ihre Interessen gewahrt sind. Zu diesem Zweck hat ihr Münchener Ministerpräsident immer wieder einmal kräftig aufzutrumpfen. Kanzler muss er nicht werden.

Daran scheiterten einst die bundespolitischen Ambitionen von Franz Josef Strauß. Stoibers Abstieg begann, als er 2002 Kanzlerkandidat der Union wurde. Im Vorfeld dieser Entscheidung hat er sich sogar gesträubt. (Das ist heute vergessen.) Er spürte vielleicht, dass er vorgeschickt wurde, um einen Anspruch anzumelden, der aber letztlich nicht vom Kanzleramt aus exekutiert werden sollte. Beides passte in die Pläne derer, von denen er - wie jeder andere bayerische Regierungspolitiker - letztlich abhängig ist. Schröders zweiter Wahlsieg war den Kapitalinteressen bekömmlicher, die danach fortgeführte Münchener Sonderrolle aber auch.

Stoiber geriet dabei in einen Rollenkonflikt. Um wieder einmal ein bayerisches Veto anzudeuten, unterstützte er Horst Seehofer, als dieser gegen die Teilprivatisierung der Krankenversicherung Front machte. Anschließend ließ er ihn fallen. Die Gesundheitsreform sollte den großen Finanzdienstleistern einen neuen Markt erschließen, die Allianz und die HypoVereinsbank haben ihren Sitz in München.

Als Stoiber 2005 so genannter Superminister im Kabinett Merkel werden sollte, merkte er wohl zum zweiten Mal, dass er den Hansel hätte machen müssen: der Botschafter von Sonderinteressen, die aber doch nicht dominant werden durften. Ohnehin war er auch schon 2002 nicht der Wunschkandidat der Unternehmer außerhalb und innerhalb Bayerns. Die ihnen nahe stehenden Blätter wiesen darauf hin, dass er zuweilen zum Staatsinterventionismus neigte. In Bayern, wo seine Hand sicher geführt wurde, mochte das angehen, bundesweit aber sollte doch gerade Deregulierung durchgesetzt werden. Merkel wäre also schon 2002 genehmer gewesen als Stoiber. Schade aber, wenn man sie gegen den Allerbesten, Schröder, hätte verheizen müssen.

Irgendwann verschleißen Charaktermasken, und mehr ist deshalb zum gegenwärtigen bayerischen Personalwechsel nicht zu sagen. Wer sich zusätzlich amüsieren will, kann in die Einzelheiten gehen. Einige vermuten, die Denunziation über eine Privatangelegenheit Horst Seehofers sei aus der bayerischen Staatskanzlei gekommen: Der Amtsinhaber sollte durch Beseitigung eines Konkurrenten gehalten werden. Als die Bild-Zeitung die Sache groß herausbrachte, wurde aber schon eine andere Variante gespielt: Stoiber war nicht mehr zu retten, und jetzt galt es, einen Kandidaten zu verhindern, dessen einstige sozialpolitische Extra-Touren noch nicht verziehen waren.

Die aktuellen Nachfolgeregelungen werden nur eine kurzfristige Bedeutung haben. Alle Prätendenten sind aufgrund ihres Lebensalters Übergangsfiguren. Nach dem Tod von Strauß (1988) hatte es ebenfalls mehrere Jahre gedauert, bis sich Stoiber als die Nummer eins durchsetzte. Das sind dann die Zeiten, in denen spekuliert wird, ob es wohl mit der Sonderrolle Bayerns und der CSU vorbei ist. Siemens hat gegenwärtig einen Skandal, die HypoVereinsbank ist nicht mehr selbstständig. Aber in seiner Gesamtheit steht der bayerische ökonomisch-politische Komplex unerschüttert. Das ist die Hauptsache.


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